ChiSao und ChiGörk im ChiKung?
Sifu Kernspecht drückt die Notwendigkeit solchen Vorgehens in seinem Aufsatz „Aller guten Dinge sind drei“ wie folgt aus: „Ohne Veränderung, ohne Anpassung an die Gegebenheiten stirbt man äußerlich und innerlich. Die meisten Menschen werden zuerst im Denken und Empfinden starr und sterben innerlich zuerst. Das einzig Beständige im WingTsun ist aber der Wandel, und letztlich ist das Ziel unsere eigene Veränderung, unsere individuelle Evolution zu einem neuen Menschen, der sich frei macht von eigenen und fremden fesselnden Kräften.“
Keine festen Abläufe
Naturgemäß lässt sich das „Freiwerden“ nicht durch feste Abläufe im Sinne von statisch vorgegebenen Partnerübungen erreichen – dies würde nur neue Wege der Starrheit erzeugen. Vielmehr ist spontane und unabsichtliche Anpassung an immer wieder neue, freie Vorgaben gefragt. Die sensomotorischen Partnerübungen (SensoDuo) unterstützen uns auf dem Weg, diese Fähigkeit zu erwerben, indem sie Beispiele der Anpassung und Verwirklichung der Prinzipien in einer Vielzahl verschiedener Einzelsituationen geben. Unser Körper erlebt hierbei ohne aktive Einschaltung des Verstandes stets neue Möglichkeiten der inneren Umsetzung der Prinzipien, die sich dadurch tief in unser Unbewusstes einprägen. Schritt für Schritt ermöglicht uns dies, freier zu werden.
Die SensoDuo-Übungen entwickeln sich individuell nach dem Vermögen des/r jeweils Übenden spontan und stetig weiter, sind daher nie abgeschlossen bzw. gemeistert. Die dahinter stehende Methodik erschließt sich, wenn man folgende grundlegende Ansätze bzw. Stufen der Übungen betrachtet:
Loslassen, Freimachen von der eigenen Kraft
Die absichtliche Herbeiführung einer bestimmten Bewegung steht der Anpassung prinzipiell entgegen. Deswegen besteht ein erster Schritt auf dem Weg zu unserem Ziel darin, einen Arm oder ein Bein völlig loszulassen und dem Partner/der Partnerin, der/die den Arm anhebt bzw. hin- und herbewegt, jegliche Kontrolle darüber zuzugestehen.
Nimm auf, was kommt
In der nächsten Stufe geht es darum, einer Einwirkung von außen nachzugeben. Dabei reagiert der/die Übende auf einen Druck, der mit dem Finger punktuell (z.B. auf Schulter, Kopf, Hüfte, Rücken) ausübt wird, durch Nachgeben bzw. Aushöhlen.
Begleite, was geht
Schließlich wird geübt, aufgenommenen Kontakt zu erhalten und einer sich von dem/der Übenden zurückziehenden Bewegung zu folgen.
Dies können bereits Kinder verinnerlichen, indem sie mit ihrer Handfläche an der Handfläche einer/s anderen „kleben“ bleiben und ein „Spiegelputzen“ simulieren. Und nicht nur mit Händen, auch mit anderen Körperteilen lässt sich kleben üben: Mit Schulter oder Hüfte an der Hand der/s führenden Partners/in, gegenseitig mit den Ellbogen, Fußkanten, Knien – und das bei Bewegungen durch drei (!) Dimensionen. Fortgeschrittene üben gar in Dreier-Gruppen, den von zwei unterschiedlichen Personen gleichzeitig vorgegebenen Bewegungen zu folgen.
Es gibt also eine sehr große Bandbreite und Vielfalt von Übungen, um uns auf unserem Weg zur inneren Umsetzung der Prinzipien zu unterstützen. Da bleibt nur noch die Aufforderung:
Entdecke Deine Möglichkeiten!
Text: Petra Weipert
Fotos: hm