Weg vom Machen, hin zum Erleben – SensoryAwareness und WingTsun
Am Wochenende 17./18. Oktober 2015 trafen sich WingTsunler in St. Blasien im Schwarzwald, um ein Experiment zu wagen. Nachdem Sascha Rimasch schon einige Male dort in der Schule von Meister Sven Moosmann reine SensoryAwareness-Wochenenden angeleitet hatte, sollte es dieses Mal eine Kombination aus WingTsun und SensoryAwareness geben. Am Samstag versammelte sich dann um 11.00 Uhr eine Gruppe neugieriger WingTsunler, die sich auf dieses Experiment einlassen wollten.
Aber was hatte eigentlich zu dieser Idee geführt? Diese und weitere Fragen hat die WTW-Redaktion versucht, in einem Interview mit den beiden Lehrgangsleitern Sven Moosmann und Sascha Rimasch zu klären.
WTW: Wie hat eigentlich alles begonnen?
Sascha Rimasch: Sven und ich lernten uns bei meinem ersten Schnupperkursus „SensoryAwareness“ während des Internationalen Lehrgangs 2010 in Hockenheim kennen. Da er sehr interessiert war an der Arbeit mit SensoryAwareness, lud er mich dann einige Zeit später zu sich in die Schule nach St. Blasien ein.
Sven Moosmann: Das Wochenende war faszinierend für mich. Wir haben eigentlich mit ganz alltäglichen Dingen wie Atmen, Stehen und Ähnlichem gearbeitet und ich merkte, wie befreiend es sein kann, nicht immer nur zu machen. Ich konnte mir Zeit lassen, wirklich wieder Dinge zu erspüren. Das lässt sich doch hervorragend für den WingTsun-Unterricht nutzen.
WTW: Konntest du das Ganze in deinen Alltag übernehmen?
SM: Ja, sowohl privat, als auch für mein WingTsun. Durch Saschas Kurse konnte ich mich immer besser auf das Erspüren von Bewegungen einlassen. Ich nahm mir einfach mehr Zeit dafür. Irgendwann integrierte ich diese „Achtsamkeit“ auch in meinen Unterricht. Ganz spannend war es vor allen Dingen bei den Kindern. Dort waren erstaunliche Erfolge festzustellen, da sie heutzutage meist viel zu wenig Bewegungserfahrungen haben und oftmals schon von einem dichten Terminplan getrieben werden. Es soll ja auch Erwachsene mit vollgepacktem Terminkalender geben, denen ein bisschen Entschleunigung ganz gut täte.
WTW: Wie seid ihr zwei aber schließlich auf die Idee gekommen, einen solches Experiment zu wagen?
SR: Ich glaube, das war bei einem Treffen in Aschaffenburg. Ich bin ja immer neugierig, ob meine Kursteilnehmer etwas aus meiner Arbeit mit ihnen mitgenommen haben. Sven erzählte mir dort, dass es für sein WingTsun erhebliche Fortschritte gegeben habe. Daraus entwickelten sich dann die erste Ideen, einen Lehrgang anzubieten, bei dem SensoryAwareness und WingTsun kombiniert werden.
WTW: Dieses Wochenende war es schließlich soweit. Wie waren eure Erfahrungen? Wart ihr zufrieden?
SR: Ich bin mehr als zufrieden. Ich bin sehr froh, dass wir es endlich gewagt haben und nun tatsächlich einen praktischen Eindruck über unser Wirken bekommen haben. Alle Teilnehmer, die sich wirklich auf unser Angebot einließen, konnten etwas Wertvolles mitnehmen. Es war wunderbar, die Atmosphäre zu erleben und die Möglichkeiten, die diese Kombination bietet. In einem Jahr soll es weitergehen und ich bin gespannt, was sich noch alles entwickelt. Wer neugierig geworden ist und sich in der Zwischenzeit in SensoryAwareness ein bisschen einlesen möchte, dem empfehle ich das Buch „Erleben durch die Sinne“ von Charles Brooks, dem Ehemann von Charlotte Selver, der die Arbeit seiner Frau darin anhand von Beispielen aus ihrem Wirken beschreibt.
SM: Ich fand die Kombination genial, denn ich konnte mir genügend Zeit lassen, um einige wenige Programminhalte, diese dafür aber sehr intensiv, zu vermitteln. Durch die Kombination von Sensing und WingTsun war der passende Rahmen gegeben, einmal komplett „egofrei“ mit seinem Partner zu trainieren. So konnte jeder frei, ohne Stress an den eigenen Fähigkeiten (Gewandtheit, Timing, Aufmerksamkeit usw.) arbeiten und mit ihnen experimentieren.
Eine klare Aufgabenstellung und Rollenverteilung boten die Möglichkeit, die Herausforderung entsprechend den Fähigkeiten so anzupassen, dass eine stetige Verbesserung miterlebt werden konnte.
Es stellte sich eine Art Flow-Erleben ein, in dem ein Gefühl von Kontrolle, einer tiefen Konzentration und dem Aufgehen in der Tätigkeit spürbar wird. Das wiederum erlaubte jedem von uns, ganz bei sich im Hier und Jetzt für die sich bietende Situation da sein zu können.
WTW: Gibt es noch ein Schlusswort?
Sascha und Sven unisono: Miterleben!
SR: Mitmachen und Sich-darauf-Einlassen ist im Endeffekt das Wichtigste. Man kann noch so viel über SensoryAwareness lesen und reden oder auch zuschauen, erst beim Teilnehmen kann der Mensch seine Erfahrungen machen.
SM: Das Gleiche gilt, finde ich, doch auch für WingTsun. Ich kann mir noch so viele Videos ansehen oder Bücher darüber lesen, davon lerne ich kein WingTsun. Wenn ich, wie unser Großmeister SiFu Kernspecht weit, weit fortgeschritten bin, kann ich anhand von Videos ein Menge Dinge wiedererkennen; aber ich sehe doch nur, was ich kenne und wirklich nachvollziehen kann.
WTW: Es wird also auf jeden Fall von eurer Seite eine Wiederholung geben?
SR: Ja, klar! Die Termine stehen schon fast fest … Es wird aber keine Wiederholung im gewöhnlichen Sinne, sondern eher ein ganz neues und frisches Weiterarbeiten.
Interview: hm
Fotos: mg