Die WT-Schule von nebenan: Aichach
Im Frühjahr 1992 wurde ich im Fitness-Studio auf ein Werbeplakat aufmerksam, das „ Selbstverteidigung, besonders für Frauen geeignet, aus dem Kung-Fu kommend" versprach. Hier sah ich die Möglichkeit, mir meinen heimlichen Traum, ein klein bisschen in „Bruce Lees Fußstapfen zu treten" in die Tat umzusetzen. Ein weitere Aspekt war für mich aber auch, zu erlernen, mich im Ernstfall selbst verteidigen zu können, ein Punkt, der meinen späteren WingTsun-Unterricht stark prägen sollte. Nachdem ich meine ersten Prüfungen abgelegt hatte und ich mehr und mehr Gefallen am WT fand, freundete ich mich schnell mit dem Gedanken an, WT nicht nur für mich zu erlernen, sondern mein Wissen an andere zu vermitteln.
Im Februar 1997 begann ich (ich hatte zu diesem Zeitpunkt den 12. SG und den Übungsleiter-Schein) mit einer Kinder- und mit einer Frauengruppe in Odelzhausen und im Oktober 1998 eröffneten wir (mein Trainingspartner Uwe Baier, der sich später aus beruflichen Gründen aus der WT-Schule zurückgezogen hat, und ich) die WingTsun Schule Aichach.
Im November 1998 bestand ich meine Prüfung zum 1. TG.
1998 war es nicht sehr einfach, eine Schule in unmittelbarer Nähe meines Wohnortes Odelzhausen zu eröffnen. Ein anderer WT-Lehrer hatte in meinen Umfeld bereits einige Schulen eröffnet. Als ich dann erfuhr, dass für Aichach, ca. 25 km von mir entfernt, noch niemand Gebietsschutz angemeldet hatte, ergab sich auf diese Art und Weise der Standort. Aichach ist eine Kleinstadt mit ca. 12.000 Einwohnern im Städtedreieck München – Augsburg – Ingolstadt mit den üblichen öffentlichen Einrichtungen und Angeboten einer Stadt dieser Größenordnung. Heute lernen in der Schule Aichach ca. 30 Schüler WingTsun. Werbung mache ich bisher hauptsächlich durch meine Internetseite und Flyer, ab und zu kommt Kinowerbung dazu, und bei der ein oder anderen städtischen Veranstaltung machen wir eine Vorführung. Die Resonanz auf die Werbemaßnahmen entspricht nicht meinen Erwartungen. Ins Internet schauen meistens diejenigen, die sich im Kampfsport bereits auskennen. Es erscheint mir sehr schwierig, über Kinowerbung, Flyer oder Vorführungen auf Wing Tsun aufmerksam zu machen und Interesse dafür zu wecken. Nach einem besseren Weg suche ich immer noch.
Seit Anfang letzten Jahres arbeite ich mit Christian Keller (9. SG WT, 9. SG und Ausbilderschein Escrima) zusammen. Er ist begeistert von Großmeister Bill Newmann, hält sich ständig auf dem Laufenden, was die Escrima-Programme und -Formen angeht und gibt dieses Wissen an die Aichacher Schüler weiter. Ich selbst unterrichte auch Escrima, lasse bei meinem Training aber mehr den Selbstverteidigungsaspekt einfließen.
Ähnlich verhält es sich beim WingTsun. Formen, das traditionelle WT und das BlitzDefence sind selbstverständlich Bestandteil meines Trainings. Mir ist allerdings auch sehr wichtig, dass realistische Selbstverteidigungssituationen, die meine Schüler erlebt haben, trainiert werden. Um auf Angriffe auf der Straße vorzubereiten, arbeite ich immer wieder mit:
* Im Kreis stehend = einer steht in der Mitte und wird je nach Höhe seines Schülergrades der Reihe nach von einem der Kreisbildenden angegriffen, Steigerung: er wird erst gerufen, muß sich orientieren und wird sofort von der rufenden Person angegriffen.
* An der Wand stehend = einer steht an der Wand und wird der Reihe nach von den anderen Trainingspartnern (auch hier sind die Angriffe dem erreichten Schülergrad angepaßt) angegriffen, Steigerung: er darf sich nur mit einer Hand/Arm verteidigen, erst mit rechts dann mit links.
* Für die unteren Schülergrade BlitzDefence 12. SG in abgeschwächter Form, für die höheren Schülergrade mit mehr Stress. Ich denke, es ist klar erkennbar, dass mir das Training von Sifu Jürgen Kestner sehr zusagt. Vieles von dem zuvor aufgeführtem entstammt seinem Unterrichtsrepertoire. Beim traditionellen WT orientiere ich mich an Sifu Heinrich Pfaff. Beide Varianten, traditionelles WT und realistisches Fighten trainiere ich für mich selbst im Unterricht mit meinem Si-Hing, Sifu Peter Grusdat.
* Zwischendurch wird auch Anti-Bodenkampf trainiert, damit nicht die große Hilflosigkeit eintritt, falls jemand aus welchem Grund auch immer, zu Boden gekommen ist.
* Wenn die weiblichen Schüler den Wunsch äußern, spezielle Situationen zu trainieren, die ihnen wichtig erscheinen, wird eine kleine Frauengruppe gebildet.
Wie schon erwähnt, ist mir die Selbstverteidigung sehr wichtig. Deshalb werde ich auch in Zukunft weiter daran arbeiten, gute Selbstverteidigungsmöglichkeiten zu erlernen, um sie dann weiter geben zu können. Das schließt natürlich nicht aus, dass ich auch weiterhin an meinem 2. TG arbeite. Mich fasziniert am WingTsun besonders, dass es auch für „ Ältere" noch erlernbar ist, selbst wenn sie ohne Kampfsporterfahrung und ohne sportlich besonders fit zu sein mit dem WT-Training beginnen. Diese Erfahrung habe ich bei mir selbst gemacht und gebe sie gerne im Unterricht immer wieder weiter.
Anne-Marie Böhm