Was ich mit meinem Buch bezwecke – Teil 2
Die Versäumnisse der sog. Selbstverteidigungsmethoden
• Statt den Schüler gezielt auf das angepasste Verhalten in jeder der fünf Phasen vorzubereiten, wird die
Problematik des Blickes gar nicht erkannt. Tatsächlich gibt es keinen Ritualkampf, ohne dass sich die
Blicke der beiden Kontrahenten begegnet hätten.
• Statt die richtige selbstbewusste oder deeskalierende Antwort auf die Eingangsfrage zu üben, findet
Sprechen beim üblichen Selbstverteidigungstraining nicht statt.
• Statt Taktiken gegen Fingerzeigen, Schubsen und den Schwinger zu üben, trainieren die Schüler sinnlose
oder unwirksame „tote“ Techniken. Sinnlos müssen wir sie nennen, weil es sich um Abwehren gegen An-
griffe handeln, die in der Wirklichkeit nicht vorkommen, sondern nur in der Vorstellung, die sich der Lehrer
vom Kämpfen macht, der meistens selbst nie in dieser Lage war.
Kurz, der Schüler lernt nur, sich gegen Angriffe seines eigenen Stiles zu verteidigen.
• Ignoriert wird weiterhin meist, dass der Kampf selten mehr als 3 Sekunden dauert und nicht aus großer
Entfernung, sondern aus direkter Nähe erfolgt.
• Ignoriert wird ferner, dass es sich unter Adrenalineinfluss immer um schwingrige Angriffe und nie um
geradlinige Techniken handelt.
• Ignoriert wird außerdem, dass es sich nicht um sauber zu identifizierende Techniken, sondern um einen
wilden Schwall, einen Hagel von Angriffen handelt.
Unwirksame Blockabwehren
Typische (aus dem jap. Karate, chin. Shaolin-KungFu oder korean. Taekwondo bekannte) asiatische Blockabwehren hätten – wenn überhaupt – nur eine Chance gegen Angriffe aus größerer Entfernung, wenn der Angreifer erst noch einen ganzen oder mindestens halben Schritt machen muss, um in die Schlagdistanz zu kommen.
Dieses gilt aber auch nur für geradlinige Angriffe. Gegen kurvige Angriffe – und nur diese sind evolutionsgenetisch im ritualisierten Kampf zu erwarten – versagen typische asiatische Blockabwehren fast regelmäßig.
Stresshormone machen die meisten Vorbereitungen illusorisch
Dazu kommt der plötzliche Ausstoß der Stresshormone, die das nicht daran gewöhnte Opfer „einfrieren“ lassen („lähmen“), so dass es den ersten Schlag und den folgenden Hagel von Schlägen meist ohne Abwehr über sich ergehen lässt.
Ein Kampf in dem Sinne, dass ein Schlagabtausch zwischen zwei Kontrahenten erfolgt, entsteht überhaupt nicht.
Sinnlosigkeit auswendig gelernter Techniken
Ein Einschleifen von „Techniken“, so wie es unter den asiatischen Kampfkünsten üblich ist, schafft nur hunderte oder tausende sinnloser toter Techniken, die vergeblich auf den dazu passenden Angriff warten. Vergeblich – weil jeder Angriff anders ist und festgelegte Antworten niemals passen. Das Hauptanliegen der Kampfkünste scheint darin zu bestehen, Antworten auf Fragen zu finden und auswendig zu lernen, die niemand außerhalb ihres eigenen Stiles und schon gar nicht auf der Straße stellt.
Spezielle, komplexe Techniken, die viel Feinmotorik erfordern und einen speziellen Angriff, der nie passiert, nützen nichts, sondern sie bringen den Kämpfer in gefährlichen Zeitstress, weil sie ihn vor unnötige Entscheidungen stellen.
Das Ganze klingt nicht sehr erbaulich/tröstlich/aufbauend und manch einer fragt sich jetzt, ob es denn überhaupt noch etwas gibt, das Sinn macht und unsere Chancen erhöht. Das werde ich in meinem nächsten Editorial verraten.
Ich wünsche allen eine schöne Vorweihnachtszeit mit möglichst wenig Stress und besinnliche Feiertage.
Euer SiFu/SiGung
Keith R. Kernspecht