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Zivilcourage - Teil 1

Stellen Sie sich einmal folgende Situationen vor:
Ein Mann entreißt einer Frau die Handtasche …
Helfen Sie dieser Frau?
Muss ich dem Opfer Hilfe leisten oder nicht?
Was ist, wenn ich dabei selbst zum Opfer werde?

Der dreiteilige Artikel wird wie folgt unterteilt sein:

1. Zivilcourage / Rechtssprechung

2. Probleme und Ursachen

3. Lösungen und Problembehebung

Immanuel Kant sagte einmal:

„Herzhaftigkeit ist bloß eine Temperamentseigenschaft. Der Mut dagegen beruht auf Grundsätzen und ist eine Tugend."

Unter Tugend versteht man eine Fähigkeit und innere Haltung, das Gute mit innerer Neigung (d. h. leicht und mit Freude) zu tun. Der tugendhafte Mensch hat sich das Gute gleichsam zur zweiten Natur gemacht. Und Zivilcourage setzt sich aus den Wörtern <„Zivil" und „Courage" zusammen. Zivil stammt von dem lateinischen Wort „civis" ab und heißt soviel wie Bürger oder bürgerlich. Courage ist französisch und kommt von dem Wort „cœur" für Herz und bedeutet Mut oder Beherztheit. Zivilcourage beginnt nicht, wie viele glauben, bei großen Taten, sondern schon sehr viel früher und im Kleineren. Sie beginnt schon dabei, wenn man etwas nicht möchte oder nicht gerecht findet. Auch mit der Bereitschaft dies auch in der Öffentlichkeit zu sagen oder zu tun. Generell kann man sagen, dass Zivilcourage nicht immer einfach ist. Sich für jemanden einzusetzen, jemandem zu helfen, den man gar nicht kennt. Und den Mund auf zu machen, wenn alle schweigen und sich eher wegdrehen, dazu gehört schon eine ganze Menge Mut. Manchmal kann es sogar gefährlich sein, sich einzumischen und nicht immer weiß man, ob die Hilfe auch gewollt ist. Nehmen wir einmal folgendes Beispiel:

„Ein Mann schlägt auf der Straße seine Frau und beschimpft sie. Sie sehen das und gehen dazwischen, packen den Mann an der Jacke und fordern ihn auf, sofort damit aufzuhören …"

Bis dahin ist alles so, wie sich das für einen Menschen mit Zivilcourage gehört. Doch nun passiert folgendes:

„Die Frau, die ihre Situation zwar erkannt hat, aber nicht die notwendige Kraft hat, sich gegen ihren Mann zu wenden, wird ihn verteidigen und unterstützen und beginnen, die Schläge zu rechtfertigen. Plötzlich wendet sich das Opfer, dem sie helfen wollten, zusammen mit ihrem Mann gegen sie!“

An dieser Stelle, könnte man wohl beginnen, die Welt nicht mehr zu verstehen. Aber wie es Menschen gibt, die es gut finden, Hilfe bekommen zu haben, so gibt es auch Menschen, die es nicht so gut finden. Diese Umstände sollten aber keinen von uns an den Punkt bringen, nicht zu helfen, weil man glaubt, das Opfer will die Hilfe nicht. Schlau ist, sich in einer solchen Situation einfach mit den Worten
„Entschuldigen Sie, brauchen Sie Hilfe?" zu versichern.

Zu den Fakten:

Laut einer Umfrage des Münchner Institutes für Recht und Wirtschaft haben 86 Prozent aller Zeugen von Gewalttaten nicht geholfen. Als Gründe (Mehrfachnennungen waren möglich) nannten 66 Prozent Angst vor dem Täter. 86 Prozent fürchteten, dass sie statt einer Belohnung, mit juristischen Konsequenzen zu rechnen hätten. Immerhin 16 Prozent nannten Gleichgültigkeit als Motiv. Bei der Frage, ob sie künftig helfen wollten, antworteten weniger als ein Viertel mit einem eindeutigen Ja.

Somit haben sich 86 Prozent der Menschen entschieden nicht zu helfen, obwohl sie nach § 323c StGB sogar dazu verpflichtet sind, denn Unterlassene Hilfeleistung ist strafbar!

Die Rechtssprechung:

§ 323c StGB „Unterlassene Hilfeleistung"

Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Die häufigste Form strafrechtlich erheblichen Handelns ist die Tatverwirklichung durch die Vornahme (= Begehung) einer Handlung. Aber auch die Nichtvornahme (= Unterlassung) einer bestimmten erwarteten Handlung kann strafrechtliche Relevanz haben.

Der Gesetzgeber hat die Unterlassungsdelikte in zwei strukturell völlig verschieben Gruppen klassifiziert. Dabei handelt es sich um die echten und die unechten Unterlassungsdelikte. Bei den echten Unterlassungsdelikten ist die Strafbarkeit einer bestimmten Unterlassung in einem Tatbestand niedergelegt. Der Täter unterlässt ein aktives Handeln, obwohl ihm ein Strafgesetz in dieser Situation ein solches zur Pflicht macht. (Beispiel: §323c)

Ein unechtes Unterlassungsdelikt liegt zum Beispiel bei §13 StGB vor. Der Unrechtsgehalt liegt darin, dass der Täter durch sein Nicht-Tätigwerden einen strafrechtlichen relevanten Erfolg verursacht (oder dies versucht), obwohl gerade er zur Abwendung dieses Erfolges auf Grund seiner Garantenstellung verpflichtet war.

§ 13 Begehen durch Unterlassen

(1) Wer es unterlässt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.
(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

Beispiel:

Ein Ladendetektiv, der dem Täter bei der Flucht hilft, indem er ihn wissentlich nicht verfolgt, wird somit wegen Diebstahl nach §242 i.V.m. $13 StGB bestraft.

Im zweiten Teil dieses Artikels werden wir auf die Gründe, bzw. die Problem wie auch Ursachen eingehen, warum viele Menschen sich entscheiden, nicht zu helfen.

Text: Anja Wolf