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Zehn gute Gründe für Senioren, WT zu trainieren

Wer hat schon einmal daran gedacht, die Großeltern mit zum WT-Unterricht zu bringen? Vielleicht fehlt nur eine kleine Einstiegshilfe, für sie die Werbetrommel zu rühren. Vielleicht lesen sie diesen Beitrag auch selbst? Hier in zehn Minuten Lesezeit ein Zehnpunktekatalog, was WT ihnen bieten kann:

1. Austausch mit Jüngeren
Außer bei Familientreffen oder bei beruflichen Anlässen (z.B. Pflege- und Gesundheitsbereich) gibt es nur wenige Schnittpunkte im Alltag, bei denen alt und jung miteinander zu tun haben. Mir ist keine der „großen“ Sportarten bekannt, bei denen über Sechzigjährige mit Vierzehnjährigen trainieren und „gleichwertige“ Partner sind. WT bietet diese Möglichkeit. „Opa“ und „Oma“ werden im Unterricht zu Heinz und Gertrud, die ebenfalls ihren ersten Schülergrad ablegen, wie alle anderen auch.

2. Respekt
Wer hat heutzutage noch vor dem Alter Respekt? Zu groß sind die Gräben zwischen alt und jung, sich kulturell anzunähern. Aber es gibt auch Ausnahmen. Denn: Respekt bekommt man nicht, man verschafft ihn sich. So z.B. Lemmy von Motörhead, der mit über 60 immer noch mit der „lautesten Band der Welt“ auftritt, oder Sean Connery, den man wahrscheinlich nie auf einer Kaffeefahrt antreffen wird. Wer tanzt nicht alles zur Musik von Tom Jones, Cher, Tina Turner oder den Stones?
Will heißen, dass ältere Menschen, die WT lernen, von Beginn an dafür von den Jüngeren respektiert werden. Das Gefühl, respektiert zu werden, überträgt sich auch positiv in den Alltag.

3. Spaß
Dass Selbstverteidigung nicht verbissen und verdrillt sein muss, dafür steht WT.
Unser Motto lautet: „Spaß haben – Leute treffen“. Wo wird schon soviel gelacht beim Zuhauen wie in einer WT-Schule? Lachen ist gesund und damit wären wir beim nächsten Punkt.

4. Förderung der Gesundheit
Ein älterer Schüler meinte scherzhaft zu mir: „Wenn ich morgens meine üblichen kleinen Schmerzen spüre, weiß ich, dass ich noch am Leben bin.“ Gesundheit ist ein zentrales Thema im 40+-Kurs. Aber es wird mit Humor genommen.
Beim WT dürfen die Alten jung sein und die Jungen alt: Außer einer gesunden Grundkonstitution, die altersübergreifend aufgebaut wird, werden keine sportlichen Höchstleistungen erwartet. Die Formen geben Ruhe, Konzentration und Meditation, während die Bewegungen immer wieder auf Entspannung und Lockerheit hinarbeiten. Wie schweißtreibend bzw. bewegungsintensiv der Unterricht nun ausgerichtet wird, hängt vom jeweiligen Lehrer ab. Jeder kann das bekommen, was er/sie will. Ich denke, es wäre vermessen zu sagen, dass WT Kranke per se gesund macht. Bewegung ist gesund und gesunde Bewegung ist noch gesünder. Also helfen tragen wir als WT-Schule unseren Teil zur Gesundheitsförderung bei.

5. Förderung der „grauen Zellen“
Es klingt immer etwas absurd, wenn ich Außenstehenden erzähle, dass ich mir über eine kurze kleine Armbewegung wochenlang den Kopf zerbreche. Im Unterricht „kommunizieren“ wir über die Arme. Wir lernen in neuer Weise stehen, gehen, sehen und „sprechen“. Die Übungen geben zu denken; ebenso die Auseinandersetzung mit dem „Ego“. Wer 60 Jahre alt ist und meint, bisher viel in seinem Leben erfahren zu haben, kann sich beim WT die Rückseite des Mondes ansehen.
 
6. Lebenslange Lernherausforderung
Meistens muss ich den WT-Interessierten darlegen, dass ich keine „Kurse“, sondern eine „lebenslange Lernherausforderung“ anbiete. Natürlich sage ich das nicht so. Das klingt sonst wie „lebenslänglich“. Ein Kurs hat ein klares Ende und am Schluss weiß man alles. Beim WT-Unterricht weiß man nach kurzer Zeit zwar auch viel, bekommt aber immer mehr mit, dass Wissen nicht Können ist. Schließlich ist jeder Anfang mit dem WT ein Versuch, ein Experiment. Manche lassen es bleiben, andere können nicht mehr damit aufhören. Gerade bei den älteren Herrschaften tun sich neue Perspektiven auf, „trotz“ fortschreitendem Alter eine Lernherausforderung zu bekommen.

7. Selbstbewusstsein
Es gibt die T-Shirts mit dem Aufdruck „Ich bin 30, bitte helfen Sie mir über die Straße“. Unoriginellerweise werden sie aber auch von 30- und nicht von 70-Jährigen getragen. Ältere werden gerne auf die Schippe genommen. Dass sie sich selbst veralbern, ist kaum wahrnehmbar. Das Altern ist ein Tabuthema; ebenso der Tod. Es gibt alte südostasiatische Bräuche, in denen die Menschen beim Tod eines z.B. 80-jährigen Menschen ausgelassen feiern, weil sie sich freuen, dass er dieses stolze Alter erreicht hat. Hierzulande schwindet das Selbstbewusstsein im fortschreitenden Alter. Man hat das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, auf das „Abstellgleis“ zu kommen. WT steuert dem entgegen. Auch als 70-jähriger kann man im Unterricht gut mithalten.

8. Sicherheit
Sperre ich die Anderen aus oder sperre ich mich ein? Können die Anderen mir oder kann ich ihnen gefährlich sein? Muss ich nun Angst haben oder sind es nicht vielleicht die Anderen? Warum muss ich ständig über Sicherheit nachdenken?!
Sicherheit wird im Alter groß geschrieben. Sicherheit ist das Gegenteil von Angst. Die meisten Menschen können mit ihren Ängsten nicht konstruktiv umgehen. Man lernt seine Angst besser kennen, indem man mit ihr spielt. Dazu gehört, seine Grenzen neu kennen zu lernen und sich selbst besser in brenzligen Situationen einzuschätzen.
Ist man sich selbst sicherer, bewegt man sich auch anders, freier durch den Alltag.

9. Freiere Mobilität
Ein Franziskanerpater, der jahrelang in Brasilien gelebt hatte, wurde in einem Zeitungsinterview mal zu einem deutsch-brasilianischen Kulturvergleich befragt. Er antwortete: „Wenn in Brasilien die Leute aus dem Haus gehen, flanieren sie gerne die Straßen entlang. Wenn in Deutschland jemand sein Haus verlässt, hat er immer ein klares Ziel.“ Vielleicht sind die Menschen hierzulande ängstlicher. Vielleicht haben sie auch nur Angst, Zeit zu verlieren. Flanieren ist etwas für den Urlaub, meistens auf südländischen Flaniermeilen. Und dann doch noch mit einem heimlichen Ziel (z.B. Auswahl des optimalen, preisgünstigsten Restaurants am Platz).
Was hat das mit WT und Senioren zu tun? Theoretisch könnten im öffentlichen Leben viel mehr ältere Menschen unterwegs sein. Doch sie überlegen es sich genau, wo sie wann wohin gehen und welche Situationen gefährlich sein könnten. Ich bin überzeugt, dass mehr Selbstsicherheit und gemeinsame Anknüpfungspunkte zu jüngeren Generationen unser Straßenbild bunter machen würden; zu jeder Tageszeit.

10. Höhere Lebensqualität
Alles in allem bedeuten der Austausch mit Jüngeren, der Respekt gegenüber dem Alter, der erhöhte Spaßfaktor, der Gesundheitsaspekt, die mentale Herausforderung, das Lernen an sich, ein gestärktes Selbstbewusstsein und mehr Sicherheit im Alltag mit der damit verbundenen Mobilität eine höhere Lebensqualität für ältere Menschen.

Oliver C. Pfannenstiel, 3. TG