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Wunder der Schmiedekunst: Damaszenerklingen - Teil 1

Orientalische Schmiede schufen einst Stahlklingen von unübertroffener Güte. Das Abendland kam nie hinter das Geheimnis ihrer Kunst. Der Autor und ein Schmied haben es nun gelüftet. Von John D. Verhoeven

Von der Bronzezeit bis ins 19. Jahrhundert dienten Schwerter als Waffen. Ihre Qualität konnte über den Ausgang einer Schlacht entscheiden. Heere mit Damaszenerschwertern, denen die abendländischen Ritter zuerst bei den Kreuzzügen begegneten, hatten waffentechnisch einen klaren Vorteil.

Damaszenerklingen wurden ursprünglich in Damaskus – daher ihr Name – und später auch andernorts im islamischen Orient hergestellt. Sie zeichneten sich durch zwei Eigenschaften vor europäischen Schwertern aus. Ihre Oberfläche zierte ein wellenförmiges Muster, das heute unter dem Namen Damast bekannt ist. Aber was noch wichtiger ist: Die Schneide war unglaublich scharf. Angeblich konnten Damaszenerschwerter in der Luft schwebende seidene Taschentücher zerteilen, wozu ihre europäischen Gegenstücke niemals fähig gewesen wären. Dies verschaffte ihnen einen legendären Ruf.
Trotz vieler Bemühungen kam das Abendland nie hinter das Geheimnis der Herstellung dieses Stahls, der für Schwerter, Dolche, Äxte und Speerspitzen verwendet wurde. Auch die besten europäischen Metallurgen und Klingenschmiede vermochten ihn nicht zu kopieren, selbst nachdem sie sich Muster besorgt und sie eingehend untersucht hatten. Im Ursprungsland ging die Kenntnis seiner Herstellung gleichfalls verloren; nach gängiger Expertenmeinung stammen die letzten Damaszenerschwerter hoher Qualität aus dem frühen 19. Jahrhundert. Nun aber gelang es einem begabten Schmied und mir, das Geheimnis dieses Stahls zu lüften.

Natürlich stehen wir mit diesem Anspruch nicht allein, aber wir konnten als Erste den Beweis dafür erbringen, indem wir originalgetreue Kopien der kostbaren Waffen anfertigten. Damit eine Theorie über die Herstellung von Damaszenerklingen und -dolchen glaubhaft ist, müssen die Replikate aus den gleichen Ausgangsmaterialien wie die Originale gemacht werden. Außerdem sollten die fertigen Waffen das gleiche Damastmuster aufweisen und dieselbe chemische und mikroskopische Struktur haben.
Ausgangsmaterial für echte Damaszenerklingen waren kleine, aus Indien importierte Stahlblöcke. Sie hatten die Form von Hockey-Pucks mit rund zehn Zentimetern Durchmesser und knapp fünf Zentimetern Höhe. Seit etwa 1800 sind sie unter dem Namen Wootz-Barren oder Wootz-Kuchen bekannt. Außer Eisen enthalten sie rund 1,5 Gewichtsprozent Kohlenstoff, dazu geringe Mengen anderer Verunreinigungen wie Silizium, Mangan, Phosphor und Schwefel. Wie englische Reisende schon früh aus Indien berichteten, wurden die Damaszenerklingen mit ihrem charakteristischen Damastmuster aus solchen Wootz-Kuchen durch wiederholtes Erhitzen und Hämmern direkt hergestellt. Das Damastmuster lässt sich auch anders erzeugen. Kunstschmiede können Schichten mit hohem und niedrigem Kohlenstoffgehalt abwechselnd zu einem komplizierten Verbundwerkstoff zusammenfügen. Dieses Hammer- oder Musterschweißen hat im Westen eine lange Tradition, die bis ins alte Rom zurückgeht. Ähnliche Techniken finden sich auch in Indonesien und Japan. Das resultierende Gefüge ist jedoch völlig anders als bei "Wootz"-Klingen, um die es in diesem Artikel ausschließlich gehen soll.
Schon 1824 verkündete Jean Robert Bréant in Frankreich, er hätte das Geheimnis der muslimischen Klingenschmiede gelüftet. Wenig später erhob der Russe Pavel Anosoff denselben Anspruch. Im 20. Jahrhundert gab es ähnliche Behauptungen – zuletzt von Oleg D. Sherby und Jeffrey Wadsworth (siehe "Damascus Steels", Scientific American, Februar 1985). Aber in keinem Fall ließen sich mit den vorgeschlagenen Methoden Schwerter herstellen, die in Aussehen wie Gefüge den alten Originalen in zufriedenstellendem Maße gleichen. Den Versuchen, die alten Wootz-Klingen nachzuahmen, stand lange Zeit ein gravierendes Hindernis entgegen. Damaszenerwaffen von Museumsqualität sind wertvolle Kunstgegenstände und werden ungern der Wissenschaft zum Studium ihres Gefüges geopfert. 1924 übergab jedoch ein berühmter europäischer Sammler, Henri Moser, vier Schwerter an den Schweizer Materialforscher B. Zschokke, der sie zur chemischen Analyse und Prüfung der Mikrostruktur zerschnitt. Die restlichen Stücke gingen an das Bernische Historische Museum (Sammlung Moser Charlottenfels), das mir kürzlich einige für Studienzwecke überließ. Als ich die kostbaren Exemplare untersuchte, fand ich darin rundliche Teilchen aus Eisencarbid (Fe3C), das auch unter dem Namen Zementit bekannt ist. Sie haben im Allgemeinen einen Durchmesser von sechs bis neun Mikrometern und sind zu Bändern oder Lamellen mit Abständen von 30 bis 70 Mikrometern angeordnet, die parallel zur Klingenoberfläche verlaufen.

Beim Ätzen der Klingen erscheinen die Carbidbereiche als weiße Linien in der dunklen Stahlmasse. Ähnlich wie die gewellten Wachstumsringe eines Baums die Maserung von Holzbrettern verursachen, rufen Wellen in den Carbidbändern die komplexen Linienmuster auf den Klingenoberflächen hervor. Die Carbidteilchen sind extrem hart, und man vermutet, dass die Schichten starren Zementits in einer weicheren Grundmasse von elastischem Stahl den Damaszenerwaffen die günstige Kombination aus harter Schneide und einer federnden Biegsamkeit verleihen.

Meine ersten Versuche, die Mikrostruktur von Wootz-Klingen nachzuahmen, unternahm ich in einem normalen Universitätslabor. Bald merkte ich jedoch, dass ich Hilfe von einem Praktiker mit Erfahrung in der Kunst des Schmiedens scharfer Waffen brauchte. Alfred H. Pendray erwies sich als dieser Mann. Er hatte sich unabhängig von mir mit dem Rätsel der Damaszenerklingen beschäftigt und aus kleinen Stahlbarren, die er in einem gasbetriebenen Ofen herstellte, Klingen geschmiedet, deren Mikrostrukturen denjenigen der hochwertigen Vorbilder oft erstaunlich nahe kamen. Pendray lernte das Hufschmiedehandwerk in jungen Jahren von seinem Vater und entwickelte mit zähem, geduldigem Fleiß ein tiefes Verständnis der Kunst des Stahlschmiedens. Meine Zusammenarbeit mit ihm begann 1988. Zunächst erwies es sich als schwierig, meine theoretischen Vorstellungen mit seinen praktischen Erfahrungen in Einklang zu bringen. Daher fuhr ich 1993 mit einem meiner Studen-ten an der Iowa State University in Ames zu Pendrays Schmiede in der Nähe von Gainesville (Florida); dort installierten wir ein Thermoelement und ein Infrarot-Strahlungsthermometer – beides computergesteuert –, um die Temperaturen bei den verschiedenen Schmelz- und Schmiedeprozessen aufzunehmen.

Zuerst versuchten wir, nach der von Wadsworth und Sherby beschriebenen Methode Klingen herzustellen; aber entweder erhielten wir nicht die richtige Mikrostruktur oder keine Damastmuster auf der Oberfläche. Daraufhin arbeiteten wir über mehrere Jahre hinweg ein neues Verfahren aus. Mit ihm kann Pendray nun routinemäßig Wootz-Damaszenerstahlklingen reproduzieren. Dabei gelingt ihm sogar das Muster, das einige der prächtigsten alten muslimischen Klingen ziert und als Mohammeds Leiter bekannt ist. Die Wellenlinien entlang der Klinge ordnen sich darin zu Sprossen an, auf denen die Gläubigen symbolisch zum Himmel aufsteigen können.

Unser Verfahren ähnelt der Methode, wie sie von früheren Forschern beschrieben wurde – mit einigen wichtigen Unterschieden. Wir erzeugen einen kleinen Stahlbarren einer bestimmten Zusammensetzung in einem geschlossenen Schmelztiegel, der anschließend in Klingenform geschmiedet wird. Der Erfolg hängt dabei von drei Faktoren ab:

- der Mischung von Eisen, Kohlenstoff und anderen Elementen (wie Vanadium und Molybdän, hier kurz Fremdelemente genannt) im Stahl, - der Hitze des Schmelztiegels und der Dauer der Befeuerung, - der Temperatur und dem handwerklichen Geschick bei den wiederholten Schmiedevorgängen. Schon lange hatten wir den Verdacht, dass Fremdelemente eine Schlüsselrolle bei der Lamellenbildung spielen; wir wussten nur nicht, welche. Silizium, Schwefel und Phosphor, wohlbekannte Bestandteile von Wootz-Stählen, ließen sich rasch ausscheiden. Aber welche anderen Elemente kamen in Frage? Zum Durchbruch verhalf uns ein glücklicher Zufall: Wir probierten unter anderem Sorel-Metall als Komponente für den Barren aus. Dabei handelt es sich um eine hochreine Eisen-Kohlenstoff-Legierung mit etwa 3,9 bis 4,7 Prozent Kohlenstoff, die aus dem großen Bergwerk Lac Tio am Sankt-Lorenz-Strom in Quebec (Kanada) stammt. Das Erz dieser Lagerstätte enthält Spuren von Vanadium, weshalb auch das daraus hergestellte Sorel-Metall mit 0,003 bis 0,014 Prozent des Elements behaftet ist. Anfänglich achteten wir nicht auf diese Beimischung; denn wir hielten sie für zu gering, um einen Einfluss zu haben. Nachdem wir jedoch zwei Jahre auf der Stelle getreten waren, mussten wir unsere Ansicht revidieren. Offenbar konnten auch winzige Verunreinigungen eine entscheidende Rolle spielen.
Das zeigten Experimente mit Stahl, der etwa 1,5 Prozent Kohlenstoff und nur rund 0,003 Prozent Vanadium enthielt. Wenn wir diese Legierung fünf- oder sechsmal auf ein bestimmtes Temperaturniveau erhitzten und auf Raumtemperatur abkühlen ließen, entstanden genau die Bänder aus Carbidpartikeln, die beim Schmieden die charakteristischen Oberflächenmuster produzieren. Molybdän hat denselben Effekt – in geringerem Ausmaß gilt das auch für Chrom, Niob und Mangan. Andere Elemente wie Kupfer und Nickel fördern die Carbidbildung dagegen nicht.

Autor: John D. Verhoeven

Aus Spektrum der Wissenschaft Oktober 2001, Seite 62, Beitragstyp Artikel

Mit freundlicher Genehmigung des Verlages