WingTsun

Sensory Awareness: immer und überall…

In meinem letzten Artikel habe ich bereits erwähnt, dass die EWTO seit jeher in allen Belangen des WingTsun ein Vorreiter war und ist. Dieses liegt meiner Meinung nach daran, dass GM Kernspecht nicht nur hervorragende kämpferische Fähigkeit besitzt, sondern auch die nötige Intelligenz für ein tiefes Interesse in die wundervollen Vorgänge des Lebens. Ich glaube, sein Schicksal hat ihn bestimmt, „der richtige Mann, zur richtigen Zeit, am richtigen Platz zu sein“.

So etwas kann man versuchen zu kopieren, aber es wird nie die vom Leben selbst gegebene Qualität erreichen. Ich stöbere gerne im Internet und sehe mit Freude, dass weiterhin und verstärkt die Erkenntnisse und Bemühungen der EWTO kopiert werden. Schließlich steht die Richtung fest: ein gesundes, globales Miteinander!
Ich bin neugierig, ob meine Arbeit „Bewusstes Spüren“ auch davon betroffen sein wird? Wenn man versucht diese Arbeit zu benutzen, dann ist es, als würde man sich selbst zu seiner eigenen Hinrichtung führen und jeder, der damit anfängt, wird den Tag verfluchen, an dem er auf die Idee kam. Die autonomen entfaltenden Prozesse des Organismus lassen sich nämlich nicht benutzen. Sie benutzen uns! Das heißt, es bleibt uns nichts anderes übrig, als die Wirklichkeit anzuerkennen und uns dieser zu fügen. Sicherlich können wir auch unser Leben lang versuchen, dagegen anzukämpfen. Mit großer Anstrengung können wir versuchen unserer Natur etwas beizubringen, uns zu formen usw. Wahrscheinlich glauben wir auch hier oder dort erfolgreich zu sein – aber irgendwann müssen wir zugeben, dass das nicht das eigentliche war, dass wir unsere Zeit damit verschwendet haben, gegen den Wind zu segeln.
Meine Lehrerin Charlotte Selver (1901 - 2003) war nicht umsonst eine berühmte Persönlichkeit. Und sie war es nicht „in der Kneipe um die Ecke“, sondern auf höchstem Niveau. Ihre Entdeckungen ermöglichen uns einen direkten Zugang zu unserem angeborenen Potential. Mehr gibt es nicht. All die anderen, künstlich geschaffenen Vorstellungen und Verblendungen stehen auf wackeligen Beinen und werden früher oder später wie ein Kartenhaus zusammenbrechen. Spätestens dann, wenn wir nicht mehr die Kraft haben sie mit Mühe aufrechtzuerhalten. Für mich kommt die Frage auf, möchte ich erst am Ende meines Lebens feststellen, dass ich mir mein Leben lang etwas vorgemacht habe? Oder möchte ich jetzt und hier wach und ehrlich und erfüllt dem Moment begegnen? Die Antwort ist klar. Ich kann es fühlen. Und wir sind von Natur aus so ausgerüstet, dass wir „es“ immer und überall fühlen können. Wenn unser Verstand klar und unverstört ist, dann informiert uns unser Nervensystem mit den erforderlichen Nachrichten. Wir werden abgestoßen oder angezogen und so finden wir unseren Weg: unseren eigenen Weg, fern von nur „kopieren“. Und dieser Weg ist gesund und tut uns allen gut!

„When you really give yourself to it, it has it`s magic on you!“ (Charlotte Selver)

So werden wir geboren. Wenn wir neu in diese Welt kommen, sind wir sehr, sehr feinfühlig. Dieses „Fühlen“ informiert und orientiert uns, schon lange bevor wir auf intellektueller Ebene zu verstehen versuchen. Als ganzes Wesen erleben und reagieren wir, ehrlich und direkt – absichtslos und unschuldig. Würden wir so bleiben, könnten sich ungestört alle unsere menschlichen Möglichkeiten entwickeln und die Mitteilungen der momentanen Situation würden unsere Aktivität auslösen und lenken. In der heutigen Zeit aber, versuchen viele Erwachsene, ihre Vorstellungen, Wünsche und Absichten zu leben, ohne Verbindung zu ihren naturgegebenen organischen Notwendigkeiten. Das Resultat wird in der Regel deutlicher wahrgenommen als die Ursache Unglücklichkeit, Krankheit, Misserfolg. So nennen wir die Konsequenzen einer unklaren sensorischen Wahrnehmung. Klare Wahrnehmung würde uns zu einem biologisch sinnvollen Verhalten führen, eine Lebenseinstellung, die aus ihrem Kern heraus erfrischend und erneuernd wirkt. Unsere „Fühl-Fähigkeit“ ist nicht verlorengegangen. Unser ganzes Leben lang findet sie – durch uns durch – statt und wir können uns eine bewusste Beziehung zu dieser realen und fundamentalen Lebenshilfe zurückerarbeiten. Meine Lehrerin Charlotte Selver (1901-2003) hat ihr ganzes Leben lang diese Tatsache praktisch erforscht.

Ganz da sein!

Die Arbeit, die ich unterrichte, geht in die tiefsten Tiefen des menschlichen Daseins. Leider kann ich nicht verraten, was das bedeutet. Das würde nur dazu führen, dass der Studierende eine Vorstellung bekommt und diese ihm dann im Wege steht, die Wirklichkeit zu erkennen. Gerade die Vorstellungen sind es, die von uns abfallen, wenn wir „Spüren“ studieren. Wir sind von Natur aus perfekt ausgerüstet, um wahrzunehmen. Und diese Wahrnehmung informiert uns und versorgt uns u.a. mit den Großen 7. Großmeister Kernspecht hat es ja in der letzten WT-Welt schon nebenbei verraten. Die Großen 7 Fähigkeiten sind eigentlich eins. Ein Zustand. Ein Mensch, der wach ist, hat alles zur Verfügung. Aber wer ist das schon? Ich unterrichte Ärzte, Heilpraktiker, Yogalehrer, Therapeuten, Pädagogen, Osteopathen usw. Außerdem bin ich viel unterwegs und begegne vielen unterschiedlichen Menschen. Und mir selbst begegne ich auch – mal so, mal so.
Wacher zu werden, ist keine Glückssache. Man kann es sich erarbeiten und das tun wir. Es braucht Geduld und eine bestimmte Art von Willen. Viele Menschen rennen weg, wenn sie ihren eigenen Widerständen begegnen. Leider gibt es keinen Platz, wo sie hin rennen können und so begegnen sie doch immer wieder den gleichen Schwierigkeiten.

In meinen Kursen passiert es ab und zu, dass Teilnehmer das Weite suchen. Aber ich erlebe auch oft gegenteilige Überraschungen. Es kommen Menschen in die Kurse, die von Anfang an mit „Das kann ich nicht!“ auf die vorgeschlagenen Experimente reagieren. Und auf einmal zeigt sich zu deren erstaunen, dass sie es doch können! Und in dem Moment werden sie ein bisschen anderer Mensch – oder ein ganz anderer Mensch. Und etwas in ihnen beginnt sich zu entwickeln und zu entfalten und dann fangen sie Feuer und werden „Sensory Awareness-Junkies“, wie es einmal ein Teilnehmer ausdrückte.
Unsere Arbeit ist keine intellektuelle Arbeit. Ganz im Gegenteil, erst wenn der Verstand zur Ruhe kommt und der Rest von uns lebendiger wird, dann geht es los. Wie gesagt, kann ich leider nicht verraten, was das bedeutet. Jeder muss es selbst entdecken, so wie auch ich es selbst entdecken musste. Meine Lehrerin Charlotte Selver hat mir nie verraten, worauf ihre Arbeit im Endeffekt abzielte. Sie hat mich nur unermüdlich und ununterbrochen mit meinen Widerständen konfrontiert und mir ab und zu etwas Mut gemacht, wenn ich die Vorstellung hatte, nicht mehr weitergehen zu können.
„Bewusstes spüren“ hat einen Platz in der EWTO gefunden und ich tue alles, was mir möglich ist, um diese unbezahlbare Arbeit auf fruchtbarem Boden auszusäen. Der Boden seid Ihr und keiner weiß, was die Ernte bringen wird. Aber mit SiFus grünem Daumen und Geduld und Spucke, wird’s schon schief gehen! Ich freue mich weiterhin aufs gemeinsame Arbeiten und verbleibe mit den Worten meiner verehrten Lehrerin: „You have it all, you just need to allow it!“

Text und Fotos: Sascha Rimasch

Sensory Awareness selbst erleben:

Wer mit forschen möchte, kann dies im Seminar „Bewusstes Spüren – positiv wirken“ am 14./15. Mai in Kassel tun. Anmeldungen bitte über das EWTO-Headoffice in Heidelberg.

Eine Gelegenheit in das Thema „Sensory Awareness“ hineinzuschnuppern, werden auch die Teilnehmer des Int. Lehrgangs am Pfingstwochenende in Hockenheim haben. Also seid dabei!