WingTsun

Schulleiter stellen sich vor: Sifu Amin Zeidan

Dieses Mal ist Sifu Oliver Pfannenstiel zum Interview in den Norden gezogen. Im Künstlerdorf Worpswede fand er als Gesprächspartner Sifu Amin Zeidan, der ihm Rede und Antwort stand.

Zur Person Sifu Amin Zeidan:

 Alter: 
 36
 Graduierung:  3. TG WT
 Weitere WT-Qualifikationen:               
 Leadership 2, Trainer 4, Fachtrainer Gewaltprävention,
 Fachtrainer Kids-WingTsun, WT-Frauenselbstverteidigung
 Mit WT begonnen:  1998
 Schulleiter seit:

 2002

 WT-Lehrer und SiFu:
 DaiSifu Thomas Schrön und Sifu Otfried Glaser;
 SiFu ist GM Keith R. Kernspecht
 Ausbildung/Beruf:  Fachangestellter für Bäderbetriebe (Bademeister)
 Kinder:
 zwei
 Hobbies neben dem WT:
 Krafttraining, Videogames, Joggen, Geschichte, Dokumentationen
 Lieblingsfilm:
 Zurück in die Zukunft
 Lieblingsmusik:  Michael Jackson
 Lieblingsbuch:
 Roots von Alex Haley
 Lieblingsspeise:  Hamburger
 Lieblingsurlaubsziel:  USA
 Ein schöner Tag ist für mich, wenn     
 ich Zeit mit der Familie verbringen konnte und
 jemanden für WingTsun überzeugt habe.
   

Zur WT-Schule:
  

 Größe des Ausbilderteams: 
 vier Ausbilder
 Ort:  Worpswede
 Unterrichtsangebot:        
 WT, Kids-WT, Mädchengruppe,
   Techniker- und Kleingruppe
 Termine pro Woche insgesamt:          
 vier
 Anzahl Techniker:  zwei


Interview:

WTW: Was waren für Dich damals die Gründe, mit WT zu beginnen?
Sifu Amin: Der Hauptgrund war, dass ich unverschuldet in eine Straßenschlägerei geriet, in der ich von zwei Typen angegriffen worden bin. Einer stellte mir eine Frage und schlug dabei zu. Da ich zu der Zeit im Polizeisportverein boxte, war der Treffer nicht das Problem, sondern, dass es zwei waren. Als ich zu Boden ging, gab es keinen Ringrichter, der sagte: „Break!“, und die beiden in die neutrale Ecke schickte. Sie setzten nach.
Ich konnte flüchten und mich in Sicherheit bringen. Das Ganze hat mehr meinem Ego geschadet als meiner Gesundheit.
Anfangs wollte ich einen Rückkampf und hörte mich um, was das Beste für die Straße ist. Ich bekam immer dieselbe Antwort: WT.
Also meldete ich mich zum Probetraining in der Bremer WingTsun-Schule an. Ich trainierte dreimal pro Woche und nahm Privatstunden. Nach zwei Monaten legte ich meine erste Prüfung bei DaiSifu Andreas Groß ab. Aber je weiter ich im WingTsun kam, umso mehr verflog meine Wut. Ich dachte mir: „Wenn das nicht passiert wäre, wo wäre ich heute ohne WT?“

Wie kannst Du Deinen Beruf als Schwimmmeister in Deinen WT-Alltag einbringen?
Worpswede ist ein Dorf mit 10.000 Einwohnern. Die Kinder lernen bei mir schwimmen. Sie kommen auch aus den umliegenden Dörfern. Die Eltern sind zufrieden und schenken mir ihr Vertrauen. So erfahren sie auch von meinem Kids-WingTsun-Angebot. In einem Dorf spricht sich alles schnell herum. Oft werde ich während meiner Aufsicht am Beckenrand angesprochen. Dann erzähle ich ihnen von meiner Leidenschaft zum WingTsun und lade die Leute zum Probetraining ein. Selbst mein Chef, der Bürgermeister von Worpswede, hat sein Kind bei mir angemeldet.

WT und Schwimmen – gibt es hier Parallelen?
Schwimmen und WingTsun sind sich ähnlich. Wenn du im Wasser aus Angst verkrampfst, hastige und schnelle Bewegungen machst, wirst du steif und gehst unter. Wenn du locker bist und dich weich bewegst, trägt dich das Wasser. Du kannst es für dich nutzen, um nicht unterzugehen. Mit der richtigen Technik ist es möglich, viele Bahnen zu schwimmen, ohne zusätzliches Ausdauertraining an Land zu machen. Das Timing ist z.B. beim Kraulschwimmen wichtig: wann ich ein und wieder ausatme, wann ich Armbewegungen mache, wann Beinbewegungen. Die Koordination des ganzen Körpers ist wichtig: speziell Arme und Beine. Der ganze Körper arbeitet mit. Wenn du alles benutzt, kannst du ohne große Anstrengung ausdauernd und schnell schwimmen – eben ähnlich wie WingTsun. Also: Sei wie Wasser, mein Freund!

Was spricht Dich am WT am meisten an?
Ich liebe WingTsun. Es ist so vielseitig. Du erzielst am Anfang schnell Erfolge. Je weiter du kommst, umso spannender wird es. WingTsun ist abwechslungsreich und du freust dich auf die nächste Lernstufe. Außerdem entwickelt Großmeister Dr. Kernspecht es ständig weiter, passt es unserer Gesellschaft und den damit verbundenen Anforderungen an. Ich vermisse nichts und es wird nie langweilig!

Wie hast Du begonnen, Deine WT-Schulen im Landkreis bekannt zu machen?
Der Einstieg war eine Vorführung bei einem Schwimmbadfest. Die Eltern wollten das für ihre Kinder auch in Worpswede haben. Es folgten ein Zeitungsbericht, Flyer, eine Homepage und Plakate. Und Mund-zu-Mund-Propaganda!

Worpswede ist bekannt als norddeutsche „Künstlerkolonie“. Was für Menschen kommen zu Deinem Unterricht?
Es sind weniger die Maler oder Bildhauer, die Zeit finden, in meine Schule zu kommen. Es sind Leute wie du und ich, die mit Fußball oder Schützenvereinen nicht viel am Hut haben, da diese sehr zeitaufwendig sind. Mit ein- bis zweimal pro Woche ist es da nicht getan. Es sind auch diejenigen, die sich für asiatische Kultur interessieren und manche, die den Film „Ip Man“ gesehen haben.

Du hast Deine WT-Schule in einer schick renovierten alten Mühle untergebracht. Was haben Dir die neuen Räumlichkeiten gebracht?
Sehr viel. Bis auf die Tatsache, dass der Ausbau der zweiten Etage vom Vermieter nur langsam vorankommt. Dort entstehen ein zweiter Trainingsraum und ein großer Aufenthaltsbereich sowie weitere Umkleideräume. Gegen das, was ich vorher hatte, ist die alte Mühle ein Quantensprung. Wenn du zu jedem Training deine Schlagpolster und Bilder der Großmeister mitschleppen musst, vor verschlossener Tür stehst, weil dich jemand vergessen hat oder deine WT-Kinder angeschrien werden, weil sie beim Bewegungszirkel „zu laut“ waren. Ich war vorher im Jugendzentrum, Apothekenseminarraum, sogar im Pferdestall und einer Kunstgalerie. Die Sporthallen waren für die Fußballer reserviert und so ein Dorf hat wenig Gewerbefläche. Eigene Räumlichkeiten nur für dich sind da Gold wert.

Hast Du vor, einmal hauptberuflich als WT-Lehrer tätig zu sein?
Das wäre schon ein Traum. Die Frage ist nur, ob die Leidenschaft nicht zur Routine wird. So freue mich immer sehr auf den Unterricht und mein Beruf als Schwimmmeister macht mir auch Spaß; besonders die Schwimmkurse mit den Kleinen.
Ich denke, es ist durchaus möglich, in einem kleinen Ort wie Worpswede WingTsun hauptberuflich zu machen. Zu mir kommen die Schüler auch aus 20 km Entfernung. Wenn du gut bist, dann kommen die Leute selbst von weiter weg. Ich freue mich auf die Zukunft und die Überraschungen.

Wie haben Dir die Leadership-Seminare geholfen?
Das erste Leadership-Seminar hat mich so sehr motiviert, dass ich die alte Mühle gemietet und das Gelernte für meine Schule und in meinem Unterricht umgesetzt habe. Meine Mitgliederzahl hat sich verfünffacht. Beim Leadership lernte ich nette Leute kennen und sah: „Hey, du bist nicht allein.“ Ich nahm ein Wir-Gefühl mit nach Hause.

Welche Erfahrungen hast Du mit Einführungsveranstaltungen?
Ich verbinde Einführung mit Probetraining, da es nicht so viele Interessenten auf einmal sind.

Wie ist das Verhältnis Männer/Frauen/Kinder (in Prozent) in Deiner Schule?
60 Prozent Kinder, 30 % Männer und 10 % Frauen.

Einer aus Deinem damaligen Kids-Training ist nun selbst 1. TG und 21-jähriger Ausbilder. Wie schaffst Du es die Schüler von der Kindheit über die Pubertät beim WT zu halten?
Ich glaube, man kann so viel studiert und Bücher gelesen haben, wie man will. Wenn man kein Gefühl für Kinder oder für Menschen hat und sich auch nicht mehr erinnert, wie war das damals bei mir selbst oder wie ist es jetzt für mich, dann wird man auch nicht im Umgang mit Menschen erfolgreich sein. Wir haben all die Jahre immer miteinander gesprochen und ich habe ihm gezeigt, dass er mir als Schüler und als Mensch wichtig ist. Aber natürlich bringt jeder Mensch auch selbst Ehrgeiz und Willen mit. Ich öffnete ihm nur die Tür. Durchgegangen ist er selbst. Ich bin stolz auf ihn.

Welche Übungen sind bei Deinen Schülern am beliebtesten?
Bei den Anfängern Selbstverteidigung und bei den Fortgeschrittenen Anwendungen der Sektionen.
 
Was willst Du Deinen Schülern im Unterricht vermitteln?
Die jeweilige Situation richtig einzuschätzen und auf den Ernstfall gut vorbereitet zu sein; auch einschätzen zu lernen, dass ein vermiedener Kampf ein gewonnener Kampf ist. Außerdem versuche ich die Philosophien im WingTsun zu vermitteln und wie jeder für sich in seinem Leben die Prinzipien anwenden kann. Seid höflich und bescheiden.

Mit welchen Eigenschaften siehst Du Dich selbst als WT-Lehrer?
Die Schüler sollen in einer angenehmen Atmosphäre einen angstfreien Unterricht erleben. Ich versuche, individuell auf jeden meiner Schüler einzugehen und ihn dort abzuholen, wo er steht. Ich behandle alle gleich, bin freundlich, mache gern einmal einen Spaß; besonders bei den Kindern. Ich versuche, im WingTsun auf dem aktuellsten Stand zu sein, damit meinen Schülern nichts entgeht. Und ich sage immer: „Ich bin auch Schüler wie ihr – nur ein bisschen weiter.“

Was bedeutet das Unterrichten für Dich?
Es erfüllt mich mit Freude, meine Leidenschaft anderen weitergeben zu können, um aus einem Funken Interesse ein loderndes Feuer zu machen. Ich wollte immer Lehrer werden und kann dies mit WingTsun ausleben. Wenn du ein guter WingTsun-Kämpfer sein willst, brauchst du einen guten Lehrer, einen Trainingspartner und Schüler, damit du das Gelernte weitergeben kannst, um es selbst besser zu verstehen. Lerne und lehre.

Was willst Du den Leserinnen und Lesern mit auf den Weg geben?
Danke für Ihr Interesse! Wenn Sie noch kein WT machen, dann sollten Sie unbedingt ein Probetraining vereinbaren!
Und für alle die, die es schon machen: Weiter so! Der Weg ist das Ziel!

Das Interview führte Sifu Oliver C. Pfannenstiel
Fotos: WT-Schule Worpswede/hm