WingTsun

Schulleiter stellen sich vor: DaiSifu Thomas Mannes

In diesem Interview stellt sich den Fragen von Sifu Oliver Pfannenstiel DaiSifu Thomas Mannes. Er macht seit vielen Jahren WingTsun und gehört mit zu den Urgesteinen der EWTO.

Zur Person DaiSifu Thomas Mannes:

Alter 55
Graduierung 7. Meistergrad
Mit WT begonnen 1976
Schul-/Akademieleiter seit 1979
Ausbildung/Beruf Fachabitur 1975, Berufe hatte ich einige, aber am meisten stolz bin ich natürlich auf WT-Lehrer und Airline-Pilot, denn dadurch habe ich sogar zweimal meine Leidenschaften zum Beruf gemacht.
Kinder 1 Sohn
Hobbys neben dem WT

 

  Reisen und privat Flugzeuge fliegen  

Lieblingsfilm Titanic
Lieblingsmusik „Reggae“ von Bob Marley geht immer!
Lieblingsbuch „Das Parfüm“, von Patrick Süskind
Lieblingsspeise Kämpfer-Spaghetti
Lieblingsurlaubsziel Große Städte (Paris, NY, LA, London, Hongkong, Dubai etc.), wo viele Menschen und Emotionen zu beobachten sind!
Ein schöner Tag ist für mich,
wenn …
… man abends völlig zufrieden und glücklich sich zur Ruhe begeben kann.

 

 

 

 

Zu den WT-Akademien:

Größe des Ausbilderteams 7 HG, die die verschiedensten Kurse leiten
Ort Saarbrücken und Saarlouis
Unterrichtsangebot WT, Escrima, Kids-WT, Frauen-SV, ChiKung und WT-Fitness (Fit4Fight)
Termine pro Woche insgesamt 22 Termine, beide Schulen zusammengerechnet
Anzahl Höhere Grade und Meister im Moment aktive um die 30


Interview:

WTW: Wie bist Du 1976 ausgerechnet zum WT gekommen?

DaiSifu Thomas Mannes: In den Siebziger Jahren waren viele Kampfsportler so wie ich auf der Suche nach dem, was unser aller Idol Bruce Lee gemacht hatte. Und 1976 kam ja zum ersten Mal ein authentischer Vertreter des WingTsun-Systems in Persona von GM Leung Ting zu meinem SiFu nach Deutschland. Dadurch entstanden dann die ersten Kontakte. Ich musste aber noch ein paar Monate warten und arbeiten, um mir die Reise nach Kiel zu finanzieren. Ich war damals Student und bekam in keiner Weise von meiner Familie Unterstützung für so ein exotisches Unterfangen, wie WingTsun-Kung-Fu zu erlernen.

Wie hast Du damals WT als Anfänger erlebt?

Einerseits war es eine wilde Zeit und andererseits lebten wir unseren Traum aus. Beeinflusst durch die Kung-Fu-Filme, bei denen die Hälfte vom Shaolin-Kloster handelten, glaubten wir so etwas Ähnliches im WT und der damaligen Zentrale in Kiel gefunden zu haben. Mein erster Lehrgang bestand eigentlich aus nichts anderem, als SiuNimTau und Kettenfauststöße zu machen. Sechs Stunden am Tag, eine Woche lang. Wir müssen verrückt gewesen sein…

Wie hast Du damals Deine Schule bekannt gemacht und welche Hürden gab es, WT in die Kampfkunstwelt einzuführen?

In der Anfangszeit war es werbetechnisch sehr einfach. Wenn man fünf Plakate in der Stadt aufgehängt hatte, strömten die Neugierigen nur so in die Schule. Die meisten kamen aber oft von anderen Kampfsportarten nur zum Testen, was es mit diesem WT auf sich hat, und das hieß meistens für uns „Überzeugungsarbeit“ leisten. Dass dadurch im Vergleich zu heute nur wenige sich in der Schule einschrieben, versteht sich von selbst.

Welche WT-ler von damals sind außer Dir und GM Kernspecht noch in der EWTO? Zu wem hast Du noch Kontakt?

Ich glaube zu wissen, dass DaiSifu Peter Vilimek auch in der Zeit angefangen hat. Und dann gibt es wohl noch ein paar alte Kieler, die vor uns da waren. Ansonsten habe ich sogar noch ein paar Schüler aus der Zeit und auch ehemalige Schüler und jetzt hochrangige Kollegen, die immer noch aktiv sind.

Was sind Deine persönlichen Highlights aus 37 Jahren WT?

Die erste Begegnung mit meinem SiFu in Kiel, meine erste TG-Prüfung 1981, mein 5. PG 1994, der „Kampf auf den Pfählen“ auf der Budo-Gala 1989 und mein 24h-ChiSao-Experiment 1997, mit dabei gewesen zu sein, die FBI/SEK,GSG9 Beamten 1991 von WT überzeugen zu dürfen sowie jetzt wieder Student zu sein in unserem neuen Studiengang „Bachelor of Martial Arts“ in Zusammenarbeit mit der Universität Derby/Buxton in England. Auch wurde ich bis jetzt zweimal in 37 Jahren von meinem SiFu gelobt. Das rechne ich mir hoch an (grinst).

Welche Eigenschaften sollte man besitzen, um so lang dabei zu bleiben und so viel Wandel mitzumachen?

Einfach nur die Prinzipien des WT auch im Leben versuchen anzuwenden. Wer versucht stur ein ewig Gestriger zu bleiben, begibt sich dadurch ja schon automatisch in die WT-Prinzipienfalle, nicht flexibel und innovativ zu sein.

Du warst drei Jahre lang Airline-Pilot und fliegst immer noch gern. Welche Bezüge lassen sich hier zum WingTsun herstellen?

„Achtsamkeit“, die im Kampf und beim Fliegen das situationsbedingte Entscheiden lenkt und „Disziplin“, um ständig die Motivation zu erhalten, um sich zu verbessern.

Direkt nach der Wende warst Du einer der ersten, die in Ostdeutschland in Sachen WT Aufbauhilfe geleistet haben. Das Saarland liegt ja genau entgegengesetzt. Wie bist Du damals dazu gekommen?

Ich bekam Besuch von einem DDR’ler aus Halle an der Saale, der 1988 nach Saarbrücken kam, weil er eine Ausreisegenehmigung hatte und ich glaube, seine Verwandten im Saarland noch einmal sehen wollte. Der war ganz begeistert von Kampfkunst und WT. Wir dachten, wir sehen uns nie mehr wieder, aber der Mauerfall änderte dann ja natürlich alles und ich begann dann mit ihm zusammen ab Februar 1990 in Halle und Leipzig WT zu verbreiten.

Wenn Du außerhalb des Saarlandes Lehrgänge abhältst, wo kann man Dich überall antreffen?

Im Moment meistens bei meinen Schulleitern im Osten von Deutschland; ansonsten noch in Tunesien und Dubai und im Saarland natürlich. Aber ich komme gern überall hin.

Du bist in den letzten Jahren viel in Sachen WT nach Dubai gereist. Was fasziniert Dich am arabischen Raum? Sprichst Du auch Arabisch?

Ich mag die Wüste und die Umsetzung, es erleben zu dürfen, was man in Romanen wie z.B. „Wind, Sand und Sterne“ von Antoine de Saint-Exupéry findet. Arabisch spreche ich nur ein paar Worte. Aber die reichen aus, um der arabischen Kultur Tribut zu zollen und Freunde zu gewinnen.

Was ist aus WingTsun in dieser Region geworden?

Nun, ich habe in Dubai noch ein paar Privatschüler, aber auch fünf Techniker/HGs, von denen leider keiner gewillt ist, eine Schule zu machen. Deshalb habe ich mich auch entschlossen, wieder dorthin zurückzukehren, wo die Menschen mich brauchen und WT lernen wollen. Ich besuche meine Privatschüler aber trotzdem zweimal im Jahr und mache zudem Trainingscamps mit Schülern aus Deutschland in Dubai.

Nach so vielen Jahren WT besitzt Du immer noch viel Elan und Pioniergeist. Was sind Deine neuen Projekte?

Zuerst meine Schulen im Saarland mit allen Mitteln der Leadership-Kunst auszubauen und zu festigen. Nebenbei gilt es, wieder Tunesien zu reaktivieren, wo großes Potenzial vorhanden ist. Auch meine Schüler/innen im Osten Deutschlands freuen sich, dass ich immer öfter zu ihnen kommen kann und wir den Unterricht dort zu neuen höheren Leveln treiben.

Warum hast Du die Ferieninsel Djerba als WT-Landestrainer ausgesucht? Welchen Bezug hast Du zu Tunesien? Gibt es dort bereits WT-ler?

1997 machten wir Urlaub dort und der Dekorateur vom Club Aldiana war begeistert davon, was wir am Strand trainierten, wurde Schüler und ist heute 2. TG/HG. Wir haben jetzt wieder fünf Ausbilder dort und so um die hundert Schüler. Nächstes Jahr ist geplant, in der Hauptstadt Tunis WT weiter zu verbreiten.

(Wie) Hat Dir das EWTO-Leadership bei Deinen Akademien in Deutschland und im Ausland geholfen?

In Deutschland schon, aber in den arabischen Ländern ist es ein bisschen anders. Die haben ein anderes Weltbild von Selbstverteidigung und wie eine Schule auszusehen hat. Man passt sich auch da an.

Dein besonderes Markenzeichen im Unterricht ist, dass Du gern Musik im Hintergrund laufen lässt. Was sind die Gründe hierfür?

Ich mag es nicht, wenn es totenstill ist. Wenn es nötig ist, muss ein Raum nicht nur mit Bewegung, sondern auch mit Musik gefüllt werden, um die Stimmungen zu unterstützen. Es gibt aber auch Lehrinhalte, die so viel Konzentration erfordern, dass die Anlage auch einmal aus bleibt.

Du bist so lange dabei und so hoch graduiert – kann man im normalen Unterricht noch Anfänger unterrichten, ohne „zu weit weg“ von ihnen zu sein?

Anfänger sind doch die interessantesten Schüler, von denen man am meisten lernen kann. Bewegt sich jemand dann später auf den „Rennbahnen“ des WT, ist es leichter zu unterrichten. Ich glaube, ich kann unser WT sehr gut an Bildern und Metaphern erklären, da ich schon immer an der Unterrichtsfront stand – auch als PG/MG.

Welche Übungen kommen am besten an?

Die, die Spaß machen und natürlich Erfolgserlebnisse bringen.

Worauf legst Du (außer Musik) besonderen Wert im Unterricht?

Dass dem Schüler die Übungen gelingen.

Mit welchen Eigenschaften siehst Du Dich selbst als WT-Meister?

Dass ich das, was ich sage, auch vormachen kann. Ich freue mich, wenn ich bei meinen Schülern „Aha-Effekte“ erzeugen und sie glücklich machen kann.

Was bedeutet unterrichten für Dich?

Mit Gleichgesinnten teils mit Spaß, teils konzentriert mehr Lebensqualität zu schaffen.

Was willst Du den Leserinnen und Lesern mit auf den Weg geben?

Bleibt am Ball und genießt jede Minute unseres EWTO-WingTsun. Es wird euch so viel geben. Mega-Danke an dieser Stelle an unseren SiFu, der das alles erst möglich gemacht hat.

Vielen Dank für das Interview!

Das Interview führte Sifu Oliver C. Pfannenstiel
Fotos: DaiSifu Thomas Mannes/hm