WingTsun

Schulleiter stellen sich vor: André Walther

Auch in diesem Monat setzt Sifu Oliver Pfannenstiel seine Interview-Reise zu Schulleitern der EWTO fort. Antworten auf die unterschiedlichsten Fragen gab dieses Mal André Walther aus Peine.

Zur Person André Walther:

 Alter: 
 33
 Graduierung:  2. TG WT
 Weitere WT-Qualifikationen:               
 Fachtrainer Gewaltprävention, Fachtrainer Kids-WingTsun,
 Männer-BlitzDefence
 Mit WT begonnen:  1995
 Schulleiter seit:

 Teilhaber seit 2004, alleiniger Schulleiter seit 2006

 WT-Lehrer und SiFu:
 Suchend und  SiFu ist GM Keith R. Kernspecht
 Ausbildung/Beruf:  Fotodesign
 Kinder:
 noch keine
 Hobbys neben dem WT:
 Fotografie; obwohl beides Jobs sind, betreibe ich sie mit
 demselben Spaß, als wären es immer noch Hobbys.
 Lieblingsfilm:
 Herr der Ringe, Ip Man 1
 Lieblingsmusik:  -
 Lieblingsbuch:
 -
 Lieblingsspeise:  Gyros
 Lieblingsurlaubsziel:  Neuseeland, Mutterschule in Hongkong, Kuba, China
 Ein schöner Tag ist für mich, wenn     
 ich mir einen frischen Espresso zubereite, die Zeit finde,
 etwas zu lesen, mich mit der Holzpuppe beschäftigen und
 im Freien bei schönem Wetter einen Privatschüler und/
 oder eine Kleingruppe unterrichten kann oder zu einem
 Lehrgang fahre.
   

Zur WT-Schule:
  

 Größe des Ausbilderteams: 
 drei Ausbilder
 Ort:  Peine und Braunschweig im Aufbau
 Unterrichtsangebot:        
 WT Erwachsene, Kids-WT, Fightclub
 Termine pro Woche insgesamt:          
 vier
 Anzahl Techniker:  Derzeit leider nur ich. Aber ich gebe die Hoffnung nicht
 auf, dass die anderen endlich einmal durchstarten.


Interview:

WTW: Wie bist Du zum WT gekommen?
André: Klassisch, wie ich finde. Ich hatte mit zwei guten Freunden Judo und Ju-Jutsu bei uns in Peine trainiert. Die beiden hatten einen Braun- und Schwarzgurt im Judo und sahen sich nach einer anderen realistischeren, der Straße angepassten Selbstverteidigung um. Zu diesem Zeitpunkt eröffnete mein erster Lehrer in Peine eine Schule, in der wir – wie früher üblich – ausprobieren durften ihn zu „erwischen”. Natürlich hatten wir keine Chance und er wischte dann mit uns den Boden und lächelte dabei aber stetig.
Danach fingen wir mit dem WingTsun-Training an, obwohl ich ursprünglich mit Escrima beginnen wollte, das später nach Peine kommen sollte. Doch Escrima kam nie nach Peine. Bis zum 2. SG hatte ich es schon vergessen.
Für dieses Jahr habe ich mir aber das Ziel gesetzt, mit dem Escrima-Unterricht anzufangen, da ich es mir als gute Ergänzung zu meinem WT-Training vorstelle.

Du bist Werbefotograf. Welche Gemeinsamkeiten haben Fotografie und WT?
Aus meiner Sicht gibt es sehr viele Gemeinsamkeiten und am Ende auch sich gegenseitig befruchtende Verknüpfungen. Zum einen lernt man als Fotograf den richtigen Moment für eine Aufnahme abzupassen. Man wartet auf den richtigen Augenblick. Genauso ist es im WingTsun. Anders als „Knipser”, die im Zeitalter der Digitalkameras einfach durchlaufen lassen, wie ein unerfahrener Kämpfer auf der Straße, der einfach drauflos drischt und hofft, dabei irgendetwas zu treffen, suchen, positionieren sich, warten Fotografen und WT-ler ab und taktieren. Ergänzend dazu kommt es auf eine breite Wahrnehmung an, die bei einem Fotografen ja zu einem sehr hohen Anteil visuell abläuft. Das heißt, man lernt seine Umgebung sehr bewusst wahrzunehmen, was einem beim WingTsun im Vorkampf sehr nützlich ist.
Eine hohe und gute Menschenkenntnis ist für einen guten Fotografen unerlässlich. Ebenso muss man auch als WT-ler den Gegner einschätzen können. Man könnte auch sagen, beide warten auf den „richtigen Schuss“.
Ich habe letzte Woche auf der Messe z.B. Bundeskanzlerin Frau Merkel fotografieren müssen und es sollte ein Foto werden, auf dem sie bei einem Pressetermin mit dem Vorstandsvorsitzenden meines Auftragsgebers freundlich und sympathisch lächelt. Also macht man es wie im WT: Man sucht sich einen guten Platz, bei dem niemand zwischen einem und dem zu Fotografierenden steht, wartet, bis sich die richtige Gelegenheit bietet und drückt ab. Et voilá, hatte ich mein Bild. Beim WT positioniert man sich an der Flanke des Gegners, taktiert, beobachtet und sobald er zuckt, kann man ihn in seine Schranken verweisen, weil man bestmöglich auf die Situation vorbereitet war.

Lernst Du als Fotograf visuell WT? Geht es um die Momentaufnahme?
Ja und Nein. Wie ich schon bei dem Vergleich oben erwähnte, ist der visuelle Bereich ein sich überschneidender und gegenseitig bereichernder. Ja, ich lerne WingTsun visuell. Auch, wenn man mit Recht sagt, dass man WingTsun nur wirklich durch das Ausüben lernt. Dennoch lerne ich sehr viel beim Beobachten von anderen: Wie sie sich bewegen, wie die Gewichtsverteilung ist, die Position der Schultern, der Hüfte etc. und kann das sowohl in einer Auseinandersetzung, wie beim Training Sparring und auch im Kampf sehr gut nutzen. Ab der Kontaktaufnahme kann ich es dann mit ChiSao verbinden, wenn der Vorkampf in den Infight geht.

Was ist für Dich die Kunst an der Kampfkunst WT?
Eine fast philosophische Frage, auf die man wohl sich seitenlang auslassen könnte.
Kurz und knapp: Sich selbst vor einem Angriff schützen ohne aggressiv dagegen gehen zu müssen, sich zu verteidigen, ohne sich einem langen Schlagabtausch zu stellen, nicht da zu sein, wo der Gegner hinschlägt ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen, ohne extremen Einsatz von Energie und sich wie Wasser um ihn bewegen zu können, ohne dass er weiß, wo man sich gerade aufhält. Das ist für mich die Kunst am WingTsun.

Was spricht Dich am WT am meisten an?
Das hat sich über die Jahre geändert. Am Anfang war es ausschließlich die Selbstverteidigung, der Vollkontakt beim Training, das Austesten der eigenen Grenzen, herauszufinden, wo meine Reichweitengrenzen liegen und wann es besser ist, sofort „rein“ zu gehen oder besser stehen zu bleiben.
Dann wegen Gelenkproblemen, die nicht durch das WT kamen, begann ich mich auch sehr für den gesundheitlichen Teil zu interessieren – Atmung, um die Organe zu ordnen etc.
Als ich Ausbilder wurde, begann ich mich für das Unterrichten zu interessieren. Wie man am besten den Schülern WT beibringt und was denn für jeden einzelnen das Beste ist. Daran arbeite ich im Übrigen immer noch.
Aber zusammengefasst gibt es eine Quintessenz: Man kann sich mit WT perfekt verteidigen und das bis ins hohe Alter. Es gibt so viele Möglichkeiten, es auszuüben, dass es einem nie langweilig wird.

Wie hast Du begonnen, Deine WT-Schulen in Peine bekannt zu machen?
Da die Schule schon lange bestand und ich sie übernommen habe, gab es bereits Mitglieder. Es war zunächst eine Herausforderung, eine Schule mit Stammschülern zu übernehmen, mit denen man jahrelang trainierte und dann ihr Lehrer wurde. Das hat aber sehr gut funktioniert, denn daraus sind zwei meiner Ausbilder hervorgegangen.
Wir schalten Anzeigen, verteilen Flyer usw., um die Schule in den Fokus der Suchenden zu bringen. Im Zuge einer Sportwoche in der Stadt, haben wir mit unserem Demo-Team mehrere Vorführungen und Workshops gegeben.
Nach dem Umzug werde ich eine neue Werbewelle starten. Auch geben wir dieses Jahr wieder Gewaltpräventionsseminare an einigen Schulen in Peine und nehmen beim Kinderferienprogramm mit einem Tag der offenen Tür teil. Wenn ich den Garten noch rechtzeitig fertig bekomme, dann gibt es ein Sommerfest.

Nun hast Du die WT-Schule in Deinem eigenen Haus untergebracht. Welche Vor- und Nachteile siehst Du darin, direkt über der WT-Schule zu wohnen?
Nachteile bisher noch nicht. Vorteile jede Menge. Zum einen war es mein Traum, meine Schule in einem eigenen Haus zu haben. Es sind viel kürzere Wege, die Wertschätzung der Räumlichkeiten ist viel höher, die Räume an sich sind besser als die letzten, da sie durchgängig hell sind. Selbst abends scheint die Sonne noch durch fünf Fenster. Auch gibt es in Zukunft die Möglichkeit, im Sommer im Garten zu trainieren oder im zwei Minuten entfernten Stadtpark. Was ich als einen sehr wichtigen Mehrwert erachte. Wie übrigens auch meine Schüler. Zwei Drittel von ihnen arbeiten den ganzen Tag und kommen direkt danach zum Unterricht. Somit ist es, abgesehen von dem, was man und wie man unterrichtet, auch sehr entscheidend, wo man lehrt.

Hast Du vor, einmal hauptberuflich als WT-Lehrer tätig zu sein? Wäre das in Peine möglich?
Aktuell nicht. Peine ist allein mit seiner Größe nicht ausreichend, um damit eine Schule zu führen, mit der ich eine Familie ernähren könnte mit allen Abgaben. Aber ich bin sehr glücklich, dass ich zwei meiner Hobbys zum Beruf gemacht habe.

Wie haben Dir die Leadership-Seminare geholfen? Was möchtest Du hier hervorheben?
Alles. Ich bin von allem begeistert. Ich habe durch die Sanierung des Hauses leider nicht die Zeit gehabt, bisher alle Seminare wahrzunehmen, werde aber dieses Jahr wieder einige besuchen. Wenn ich welche hervorheben muss, dann mit Abstand das Praxisseminar mit DaiSifu Schembri und das Zeitmanagementseminar. Vor allem das Letztere hat mich sehr viel weiter gebracht, sowohl im WingTsun, als auch in der Fotografie und vor allem im Alltag. Insbesondere wenn man zwei Jobs hat, ist ein gutes Zeitmanagement unerlässlich.

Wie ist das Verhältnis Männer/Frauen/Kinder in Deiner Schule?
75 % Männer (13 - 61), 5 % Frauen (16 - 53 Jahre), und 20 % Kinder (6 - 11 Jahre)

Welche Übungen sind bei Deinen Schülern am beliebtesten?
LatSao, Schlagpolstertraining sowie Sparring.

Was willst Du Deinen Schülern im Unterricht vermitteln?
Wie sie sich effektiv und notwehrgerecht verteidigen können. Wie sie zu einem besseren und selbstbewussteren Körperempfinden gelangen.

Mit welchen Eigenschaften siehst Du Dich selbst als WT-Lehrer?
Über sich selbst etwas zu sagen und gute Charaktereigenschaften zu nennen, ist schwierig und klingt fast immer vermessen. Ich habe letztens eine Umfrage in meiner Schule gemacht und dort waren auch einige Fragen auf mich bezogen enthalten. Demnach sieht man mir die Freude und den Spaß an, den mir der Unterricht bereitet. Ich scheine auch die Übungen didaktisch gut und glaubhaft zu vermitteln. Aber ich muss daran arbeiten, die Schüler nicht mit zu vielen Informationen auf einmal zu überfordern.

Was bedeutet das Unterrichten für Dich?
Anderen zu helfen und sich selbst zu verbessern, da man beim Erklären ständig überprüfen kann, ob man es auch wirklich verstanden hat. Es ergeben sich jedes Mal neue Blickwinkel.

Was willst Du den Leserinnen und Lesern mit auf den Weg geben?
Trainiert, trainiert, trainiert. Im WingTsun kann man alles machen, was man mag. Wenn man sich körperlich auspowern will, sich gesund bewegen, ein besseres Körpergefühl bekommen will oder nicht nur physisch, sondern auch psychisch gefordert werden möchte. Und vergesst nicht, trotz der neuen Erkenntnisse und der neuen Übungen, die Basis – wie Schrittarbeit, Pak/Fauststoß, Universallösung – zu trainieren, denn die rettet Euch in Kombination mit den ersten BlitzDefence-Programmen den Hintern in einer Konfliktsituation.
Lasst Euch nicht von Euren Trainern durcheinander bringen, wenn sie von einem Lehrgang zurückkommen und etwas „Neues” mitbringen. Baut es in Euer Training mit ein und seht es als Bereicherung.

Das Interview führte Sifu Oliver C. Pfannenstiel
Fotos: WT-Schule Peine