WingTsun

Nun ist aber Schluss!

Tipps für Eltern: So helfen Sie Ihrem Kind aus der Opferrolle.

Sie haben Ihr Kind vor einiger Zeit beim Kids-WingTsun angemeldet. Eigentlich ist es somit für Konfliktsituationen bestens vorbereitet. Trotzdem wird es in der Schule geärgert. Wie Sie nun Ihr Kind am besten unterstützen können, verrät Sifu Peter Thietje, Referent für Kids-WingTsun in der EWTO und 6. Meistergrad WingTsun.

Situation wahrnehmen
Um Ihrem Kind helfen zu können, müssen Sie erst einmal bemerken, dass Ihr Kind traurig ist. Häufig ist dies gar nicht so einfach, denn viele Kinder versuchen ihre Gefühle zu verbergen oder schieben andere Gründe vor. Seien Sie also wachsam. Bekommen Sie ein gutes Gespür für das Wohlbefinden Ihres Kindes und befragen Sie es bei Veränderungen nach den Ursachen.

Erzählt Ihr Kind Ihnen nun, dass es in der Schule von anderen Kindern geärgert wird und diese Kinder auch nach der Aufforderung damit aufzuhören, die Ärgereien nicht unterlassen, können Sie ihm eine von Sifu Peter Thietje erprobte Geschichte erzählen. Ganz wichtig ist, dass Sie sich dabei viel Zeit nehmen:

Eine kleine hilfreiche Geschichte
„Stelle Dir vor, Du bist bei einem Freund, der einen Hund hat. Der Hund bringt Dir einen Ball und sagt Dir durch Ablegen des Balls vor Deinen Füßen: ‚Wirf ihn für mich weg!‘ Du wirfst den Ball. Wem bringt er wohl den Ball zurück? Richtig! Du hast recht! Dir, mein Kind! Wenn Du morgen den Hund noch einmal triffst: Wem legt der Hund dann den Ball vor die Füße? Genau, wieder Dir, mein Kind!

Was hat der Hund gelernt? Richtig, er hat gelernt, wo er erfolgreich war! Genauso ist es mit Kindern, die andere Kinder ärgern! Sie merken ganz schnell, wen man gut ärgern kann! Oft kann man die/den durch einfaches „Nichtbeachten“ loswerden! Leider klappt das nicht immer. Vor allem dann nicht, wenn sich mehrere dem vermeindlichen Rädelsführer angeschlossen haben.“

Aktiv werden
Jetzt können Sie Ihrem Kind helfen, selbst aktiv zu werden, indem Sie ihm zeigen, wie es allein das Geärgertwerden stoppen kann. Sifu Peter Thietje schlägt folgende Lösungen vor:

  • Lassen Sie Ihr Kind bei den „blöden“ Kindern anrufen und den Kindern mitteilen, dass das Verhalten total daneben war. (Rufen Sie nicht an, sondern lassen Sie es Ihr Kind selbst machen.)
  • Bereiten Sie Ihr Kind auch auf den Fall vor, dass ein Elternteil der ärgernden Kinder ans Telefon geht. In diesem Fall sollte Ihr Kind den Eltern vom Verhalten des Kindes erzählen. Hinterher lässt es sich das Kind am besten noch selbst zu einer Aussprache geben und verabredet sich zum Spielen.


Plan B

Sollte der Fall eintreten, dass Ihr Kind nicht alle betreffenden Kinder per Telefon erreicht, bereiten Sie es ebenfalls auf den Fall vor, dass es am nächsten Tag weiterhin geärgert wird und auch verbales Wehren möglicherweise nichts bringt.

In diesem Fall darf und muss sich Ihr Kind körperlich angemessen wehren. Dies kann es zum Beispiel, indem es dem nicht zurückweichenden Angreifer eine kräftige Ohrfeige verpasst. Dies wird ziemlich sicher funktionieren und hat außerdem für alle umstehenden Kinder die Information, dass mit Ihrem Kind solche Ärgereien nicht mehr zu machen sind!

Ganz wichtig ist jedoch, dass Ihr Kind vorher verbal deutlich gemacht hat, wer was lassen soll, so dass alle umstehenden Lehrer und Schüler wissen, wer hier der Verteidiger ist.

Vielleicht helfen auch Geschichten aus Ihrer eigenen Kindheit. Zum Beispiel wie Sie sich gewehrt haben oder wie lange Sie sich haben nerven lassen.

Außerdem sollte jedes Kind wissen, dass es ein Recht auf seelische und körperliche Unversehrtheit hat und sich im Notfall angemessen wehren darf und muss.

Nun haben Sie alle Möglichkeiten mit Ihrem Kind besprochen. Vielleicht sogar schon die Telefonate führen lassen und Ihr Kind beginnt jetzt daran zu zweifeln, dass die Kinder aufhören, wenn es sich wehrt? Dann sprechen Sie ihm Mut zu!

Bringt Ihr Kind den Einwand, dass es, wenn es sich wehrt, Ärger von den Lehrern bekommt? Oder dass die Lehrer gesagt haben, sie dürfen sich nicht wehren? Es ist unglaublich, aber wahr! In vielen Schulen ist es tatsächlich nicht erwünscht, dass Kinder sich in Notsituationen wehren.

Deshalb bereiten Sie Ihr Kind auch auf die mögliche Folge „Strafarbeit“ vor. Eigentlich wird es dazu nicht kommen, wenn Ihr Kind laut genug war und die umstehenden Lehrer es somit als Verteidiger erkennen konnten. Aber für den schlimmsten Fall fragen Sie Ihr Kind, ob es lieber eine Strafarbeit in Kauf nimmt oder sich die nächsten Jahre weiterhin täglich ärgern lassen möchte. Das wird die Entscheidung vermutlich erleichtern.

Zum Schluss machen Sie Ihrem Kind noch klar, dass Sie es nicht im Kids-WingTsun angemeldet haben, damit es sich nerven lässt.

Verständigen Sie nur in Ausnahmen die Lehrer, denn es ist am besten, wenn es Ihr Kind allein schafft. Eigene Erfolge sind immer am schönsten und stärken Ihr Kind für die Zukunft.

Sifu Peter Thietje gibt noch folgenden Buchtipp:

Helmut Eller: Die vier Temperamente
ISBN: 978-3-7725-1644-3
Verlag Freies Geistesleben

In diesem Buch findet man viele aufschlussreiche Informationen über die vier verschiedenen Temperamente bei Kindern. Über sich selbst und seine Lieben erfährt man auch so einiges, wenn man gut beobachten kann.

Text:  Amelie Schmidt
Fotos: Tino Hemmann - Fotolia.com
           Markus Gensichen