BlitzDefence

Nicht gezögert zu Helfen, wenn es in meiner Macht stand.

Zum Thema Zivilcourage habe ich positive sowie negative Erfahrungen gesammelt. Eine Erfahrung, die ich machte, kann ich nicht einmal einordnen. Ich saß in meinem Auto und wartete auf einen Freund, der noch schnell etwas holen wollte. Ich denke, es war schon nach Mitternacht und ich wartete mit Sicherheit schon fünf Minuten, als zwei Mädchen an meinem Auto vorbei liefen. Sie redeten und schienen ziemlich aufgeregt zu sein. Ein Haus weiter blieben sie stehen und beredeten noch etwas.

Nach der kurzen Unterhaltung stellte sich eines der Mädchen an die Hauswand neben der Tür und die andere klingelte. Kurz darauf ging die Tür auf und ein Mann kam raus.

Danach passierte alles so schnell. Ich traute meinen Augen nicht, aber das Mädchen, das gerade noch an die Wand gelehnt war, stürzte sich auf den Mann und schlug auf ihn ein. Es ging nicht lange und der Mann hatte sich gefangen und wehrte sich. Er packte sie an den Haaren und schlug ihr mit der Faust ins Gesicht. Sie fiel zu Boden und bekam noch einen Tritt in die Magengegend. Jetzt erst schaltete mein Gehirn und ich sprang aus dem Auto und rannte auf die zwei zu. Die Freundin lief weg, als sie mich sah. Der Mann bemerkte mich nicht und hörte auch nicht auf zu schlagen. Ich stürzte mich auf ihn und wir beide fielen um. Ich versuchte, ihn zu beruhigen. Er machte keine Anstalten, mich zu schlagen und sich irgendwie zu befreien. In dem Moment stürzte das Mädchen auf uns und versuchte mit allen möglichen Mitteln, den Mann zu schlagen. Der Mann wehrte sich und ich lag genau zwischen zwei Menschen, die sich offensichtlich umbringen wollten.

Ich versuchte, die beiden zu trennen und gleichzeitig mich zu schützen, was nicht immer so gut gelang, denn ich bekam einen Kratzer ins Gesicht und fing an zu bluten.

Inzwischen standen wir drei wieder und ich wusste nicht, was ich machen sollte. Ich weiß nicht wieso, aber irgendwann packte ich das Mädchen und fiel mit ihr auf den Boden. Währenddessen fing ich noch einen Tritt in die Rippen ab, der eigentlich für sie bestimmt war. Ich kontrollierte sie und zu meinem Glück hörte der Mann auf und meinte, ich soll sie wegschaffen, sonst würde er sie umbringen. Dann ging er wieder ins Haus. Das Mädchen schrie herum und war total hysterisch, aber wenigstens schlug sie nicht mehr um sich. Schließlich beruhigte sie sich und bemerkte, dass ihre Freundin nicht mehr anwesend war. Ich nahm sie mit ins Auto und bemerkte, wie schlimm sie aussah. Ihre Lippe war aufgeplatzt und ihr Auge geschwollen und sie hatte noch andere Blessuren. Ich fuhr ein paar Straßen weiter und „verarztete" sie. In ein Krankenhaus wollte sie nicht, also fuhr ich sie nach Hause. Sie bedankte sich und fragte nach meinem Namen. Ich war zwar neugierig, um was es da ging, unterließ es aber nachzufragen.

Einige Monate später bekam ich die Antwort in Form einer Vorladung als Zeuge vor Gericht. Das Mädchen war 15 Jahre alt und war die „Freundin" dieses Mannes, der 25 Jahre zählte. Als sie sich weigerte, mit ihm zu schlafen, wurde sie anscheinend von ihm vergewaltigt. Sie erzählte alles ihrer Freundin und die beiden beschlossen, den Mann so richtig zu verprügeln. (Tolle Freundin, die gleich weggerannt ist). Ist ja jetzt auch egal. Auf jeden Fall wurde ich von Freunden dieses Mannes vor dem Gerichtsgebäude noch bedroht, ich sollte ja nichts falsches sagen, sonst würden sie mich finden. Trotzdem sagte ich die Wahrheit. Der Mann bekam einige Jahre wegen Vergewaltigung und Körperverletzung und ich sah seine Freunde nie wieder.

Auch nach dem Erlebnis habe ich nicht gezögert zu helfen, wenn es in meiner Macht stand. Leider machen das echt nicht viele Menschen. Einmal sah ich tatsächlich wie Hunderte von Menschen dabei zusahen, wie ein Mädchen von mehreren „angefasst" wurde, und als ihr Freund oder Mann was dagegen sagte, er noch Schläge kassierte. Ich sprach mehrere Menschen an, aber keiner wollte helfen und alleine mit einem Freund hätte ich ebenfalls keine Chance gegen die Überzahl gehabt. Gott sei Dank hörten die Jungs nach einigen Schlägen auf und rannten davon.

Erkan 6. SG

 

Man passt sich der Situation an und versucht nicht, die Situation passend zu machen.

Ich denke das Hauptproblem vieler Leute ist Angst, auch vor den eventuellen rechtlichen Konsequenzen.

Nehmen wir mal die Situation einer Frau gegen einen kräftigen Typen. In solchen Situationen entsteht mit Sicherheit bei den/dem unbeteiligten Passanten genau dieselbe „Lähmung", die man als mögliches Opfer erfährt, wenn man nicht seinen Adrenalinspiegel unter Kontrolle bringt (lernen wir ja in den BlitzDefence-Programmen, reden und sich bewegen) – der potentielle Helfer ist dann handlungs-und bewegungungsunfähig.

Wenn man sich selbst körperlich/technisch nicht für fähig hält, in solchen Situationen einzuschreiten, was hält einen dann davon ab, per Mobiltelefon (hat ja fast jeder) Hilfe herbeizuholen? Noch besser, man spricht unverzüglich andere Leute an und einigt sich, um dem Übeltäter gemeinsam entgegen zu gehen, während ein anderer schon die Polizei informiert! Gibt es keine anderen Leute, die man zur Unterstützung fragen kann, dann sollte man sich vorstellen, dass das Opfer entweder die eigene Tochter, eigene Frau etc. ist – das steigert meistens den Mut. Man braucht ja nicht unbewaffnet dem Täter entgegenzutreten, alles was gerade zu Verfügung steht, könnte man benutzen: Gartenstuhl, Straßenpfosten, die eigene Jacke, Kugelschreiber, Schlüsselbund, Gürtel etc. Allerdings sollte man aber immer damit rechnen, dass der Täter mindestens ein Messer hat (mit dem er auch das Opfer einschüchterte)!

Alleine der Umstand, dass der Täter seine Tat nicht ungestört durchführen kann, wird ihn aus dem Konzept bringen. In aller Regel wird vom Opfer abgelassen, um sich entweder auf die Flucht zu begeben, oder dem Störenfried (Helfer) eine auf's Dach zu geben – damit muß man rechnen! Ich würde helfen so oder so, was aber nicht bedeutet, dass ich dem Größenwahnsinn verfallen bin und mit maßloser Selbstüberschätzung den Helden spielen will – wie ich schon geschrieben habe, es gibt viele Möglichkeiten – man passt sich der Situation an (WT-Prinzip) und versucht nicht, die Situation passend zu machen.

Bernd

 

„Notfallplan" im Kopf zurechtgelegt

die von euch hier beschriebenen Fälle sind interessant und bewegen. Daher denke ich, es ist nicht verkehrt, sich zehn Minuten Zeit zu nehmen, um darüber nachzudenken. Warum helfen Menschen einander häufig nicht? Die Antwort ist – wie ihr geschrieben habt – einfach: aus Angst. Angst, dass einem ein Nachteil entsteht (z.B. gesundheitlich). Über das Begehen einer Straftat durch die unterlassene Hilfeleistung wird – da bin ich mir sicher – in so einem Moment nicht nachgedacht. Ich habe einmal eine Situation erlebt (ich war damals ca. 16), in der ich auf einem Jahrmarktsfest einem anderen Jugendlichen zu Hilfe gekommen bin, der von drei anderen Jugendlichen geschubst und bedroht wurde. Ich hatte Glück, da ich stärker gebaut war als die anderen und schon in etwa wusste, was Kettenfauststöße sind. Das gab mir Mut und hat meine Angst beiseite geschoben (die hatte ich nämlich damals vor der Konfrontation). Der andere war mir danach sehr dankbar. Glücklicherweise bin ich niemals mehr in eine solche Situation gekommen und vielleicht hätte ich mich damals auch anders verhalten, hätte ich nicht geglaubt, der Lage gewachsen zu sein.

Leider nehmen sich viele Menschen – nachdem sie solche Mitteilungen in den Zeitungen und Zeitschriften gelesen haben – nicht die Zeit, um diese mit der Familie und/oder Freunden zu diskutieren (auch ich nicht). Wie einfach ist es, sich eventuell sogar Verhaltensregeln für solche Situationen zurechtzulegen (ähnlich wie ein „Notfallplan bei Feuer"). Ich bin mir sicher, dass dadurch die Zahl der „Helfer" bei solchen Geschehnissen zunehmen würde, da die Zeit wegfällt, in der man seine Gedanken ordnet. Vielleicht hilft aber allein schon eure Veröffentlichung und euer Aufruf sich dazu zu äußern, Aufklärung (m.E. Polizeiarbeit) zu leisten. Bei mir habt Ihr es zumindest erreicht. Ich habe mir für solch einen Fall einen „Notfallplan" in meinen Kopf zurechtgelegt und hoffe, dass ich fähig bin, diesen in einer – wenn möglich bitte nie – eintretenden Krisensituation anzuwenden. Auch werde ich das Thema beim nächsten WT-Training ansprechen, um mehr Leute zu sensibilisieren und andere Meinungen zu hören.

David, 12. SG