Machen wir uns frei von der Vorstellung, schon einen eigenen Willen zu besitzen
1. Auf der ersten, der körperlichen WingTsun-Ebene entspricht der Wille der Kraft, die wir etwa bei einem Fauststoß oder einem Fak-Sao einsetzen. Also einer Kraft, die der einer sich entspannenden (Stahl-)Feder entspricht.
2. Auf der zweiten Ebene, wo es sich darum handelt, das äußere Leben zu meistern, geschäftlichen Erfolg zu haben usw., gilt es, seinen Willen durch-zusetzen und seine Pläne zu verwirklichen. Dazu bietet die WingTsun-Strategie wirksame Taktiken.
3. Hier geht es mir aber um die dritte, die Ebene des inneren Kampfes mit sich selbst, die dafür entscheidend ist, wie wir die Welt wahrnehmen, ob wir deprimiert oder glücklich sind. Auf dieser inneren Ebene müssen wir die Mechanik des Willens zunächst untersuchen. Das was man gemeinhin Willen nennt, ist oft nichts als Anziehungskraft. Eine Kraft also, die nicht von uns, sondern von dem Objekt unseres Begehrens ausgeht.
Wieder einmal zeigt der Volksmund, dass er altes esoterisches (inneres) Wissen um die wahren Zusammenhänge besitzt, wenn er einen Menschen attraktiv, d.h. anziehend, nennt. Tatsächlich richtet sich nicht unser Wille auf den begehrten Partner, den wir wollen, sondern ganz im Gegenteil geht eine Kraft von ihm aus und zieht uns an.
Im Umkehrschluss werden wir von der anderen Personen abgestoßen, aber wir interpretieren diese, von der anderen Person ausgehende, Kraft, in der Weise, dass wir denken, wir wollten mit ihr nichts zu tun haben.
Wir Menschen neigen dazu, uns Eigenschaften (wie z.B. einen Willen) zuzuschreiben, über die wir (noch) nicht verfügen, zumindest nicht im Kollektiv.
Wir sind außenbestimmt, aber bilden uns ein, ständig wach und bewusst zu sein, eine einzige permanente Persönlichkeit zu sein, die Freiheit der Entscheidung zu haben, über unsere Handlungen Kontrolle zu besitzen und unsere Emotionen sicher im Griff zu haben.
Viele Menschen würden zusammenbrechen, wenn sie das wüssten, was Gehirnforscher längst erkannt haben, dass wir nämlich z.B. keinen freien Willen haben, Entscheidungen zu treffen, sondern gerade mal ein Vetorecht, wenn wir denn innerhalb von 0,2 Sekunden davon Gebrauch machen.
Aber zeigen wir denn nicht Willen, wenn jemand etwas von uns verlangt, und wir mit dem Fuß aufstampfen und „Nein!“ sagen? Ich muss Euch ent-täuschen, das heißt, Euch von einer Illusion befreien, denn in diesem Falle handelt es sich nicht um wirklichen Willen, sondern nur um eine (Trotz-)Reaktion auf das äußere Verhalten und Verlangen des anderen.
Der 1. Übungsschritt
Aber tatsächlich ist das Nicht-Wollen der erste Schritt zum wirklichen Willen. Denn selbst Nein-Sagen ist für viele nicht einfach.
Der 2. Übungsschritt
Auf unserer höchsten, der dritten Ebene, wo es um die Entwicklung zum bewussten Menschen geht, ist der erste Schritt der negative Wille, das Nein-Sagen zu Dingen, die wir eigentlich begehren. Wir müssen die Kraft haben, z.B. die begehrenswerte Frau des Nachbarn nicht zu wollen. Wir müssen uns selbst „Nein“ sagen.
Der 3. Übungsschritt
Noch schwieriger ist der positive Wille zu üben. Eine Übungsmethode wäre das zu wollen, wogegen man eigentlich einen Widerwillen hat.
Überspitzt könnte das bedeuten, freiwillig ein dreckiges Klo zu reinigen. Es geht nicht darum, es zu mögen oder sich dazu bringen, es gern zu tun. Aber wenn Ihr es schafft, Euren Widerwillen zu beseitigen, dann werdet Ihr zu Eurem Erstaunen erkennen, dass Euch nicht nur nicht übel wird (was der Fall wäre, wenn wir es z.B. erzwungen machten), sondern dass Ihr aus diesem gewonnenen (!) inneren Kampf wertvolle Energie gewinnt.
Man kann auch mit leichteren Übungen beginnen: Musik hören, die man eigentlich verabscheut oder Kleider öffentlich zu tragen, in denen man eigentlich nicht gesehen werden möchte.
Wenn Euch weitere Ideen dazu einfallen, bitte ich Euch sie mit mir zu teilen ...