EWTO

Konflikte schon im Vorfeld verhindern

Einmal in der Woche gibt Stefan Schmaltz in den Husumer Werkstätten einen Selbstbehauptungskurs. Durch Sprache, Gestik und Körperhaltung lernen die Schüler, Selbstbewusstsein auszustrahlen. Einer von ihnen ist der blinde Tobias.

Husum/pri. Ein wenig fühlt man sich an Zatoichi erinnert, wenn Tobias Dose mit seinem Wing-Tsun-Lehrer Stefan Schmalz trainiert. Denn genau wie der Filmheld aus Japan ist Tobias blind. „Neben einer beruflichen Qualifikation ist uns auch die Förderung der Gesamtpersönlichkeit sehr wichtig“, erläutert Dagny Lohr, die Tobias’ Maßnahme in den Husumer Werkstätten für Menschen mit Behinderung (WfB) begleitet. „Eigentlich bieten wir keine Selbstverteidigungskurse an, aber in Tobias’ Fall haben wir eine Ausnahme gemacht.“
Und das hat seinen Grund: Tobias hat manchmal Probleme mit rüden Mitmenschen. Verständlicherweise hat er keine große Lust davon zu erzählen, denn niemand berichtet gerne von der eigenen Hilflosigkeit. „Solche Typen suchen Opfer, keine Gegner“, meint Stefan Schmaltz zu den Übergriffen und erläutert die Ausrichtung seines Unterrichts. Einmal pro Woche gibt er in den Husumer Werkstätten einen Selbstbehauptungskurs. Hier erlernen die Teilnehmer durch Sprache, Gestik und Körperhaltung, Selbstbewusstsein auszustrahlen. Richtig eingesetzt, können Konflikte so bereits im Vorfeld verhindert werden.
Doch an Selbstbewusstsein mangelt es Tobias Dose nicht. Auch weiß er, dass man körperlichen Auseinandersetzungen am besten aus dem Weg geht. Aber als Blinder ist er in beiden Punkten klar im Nachteil. Wer sich in stockdunkler Nacht an seiner Bettkante bereits den einen oder anderen blauen Fleck geholt hat, der weiß, dass majestätisches Ausschreiten unter solchen Umständen meist zu weiteren Blessuren führt. Auch das Sprichwort „Gefahr erkannt, Gefahr gebannt“ lässt sich ohne Augenlicht schlecht umsetzen.
„Im Wesentlichen geht es darum, Tobias ein besseres Körpergefühl zu vermitteln, und da ist WingTsun ideal. Denn wesentliche Elemente dieses Kung-Fu-Stils sind Standfestigkeit und Balance. Durch seine Behinderung ist Tobias recht steif, da hat es ein Angreifer leicht, ihn umzureißen“, umschreibt Stefan Schmalz das Problem. „Die praktischen Übungen, Tricks und Kniffe sollen ihm lediglich ein Gefühl dafür vermitteln, dass er auch als Blinder nicht völlig hilflos ist. Mehr ist in den zehn geplanten Unterrichtseinheiten auch nicht zu schaffen“.
Tobias, der sich in den Werkstätten sehr wohl fühlt und mit seiner Umgebung gut zurecht kommt, würde sich freuen, in Zukunft eines der vielen anderen Angebote wahrnehmen zu können.
„Ich würde gerne schwimmen“, gesteht er.