WingTsun

Dunkle Tage auf Norderney

oder: „Vom Stand in den Sand!“ Unter diesem Motto fand vom 13. bis 19. Juli das jährliche Trainingslager der WingTsun-Schule Bremen auf der ostfriesischen Insel Norderney statt.

Eine Woche WingTsun-Training in den Dünen von Norderney bei Sonnenschein und Meeresluft – was für ein außergewöhnliches Ereignis mag man denken. Doch weit gefehlt: Bereits zum vierzehnten Mal in Folge fand im Sommer 2009 das jährliche Trainingslager der WingTsun-Schule Bremen auf der ostfriesischen Insel statt. Dreiundzwanzig WT-ler waren es in diesem Jahr, die sich voller Vorfreude um Sifu Otfried Glaser scharten und vom 13. bis 19. Juli Quartier auf dem Zeltplatz „Domäne Eiland“ auf Norderney bezogen. Und auch wenn ein Großteil der Besatzung bereits zu den „alten Norderneyhasen“ gehörte, wurde es natürlich doch ein unvergessliches Erlebnis. Aber der Reihe nach…

Auf dem Zeltplatz angekommen, war das Erste, was die Reisegruppe feststellen konnte, dass der Sifu den bereits im Vorfeld tobenden Kampf um das größte Zelt in jedem Fall gewonnen hatte. Er war schon am Vorabend mit Simo Anke angereist und so waren deren Zelt sowie das Gemeinschaftszelt und -pavillon, bereits in voller Pracht zu bewundern. Beim Anblick des Sifu-Zeltes war schnell klar: Selbst Unterkellerungspläne, wie sie – vertrauenswürdigen Quellen nach – Si-Suk Thielo, der übrigens außer dem Sifu als einziger bei allen 14 Camps dabei war, bereits geplant hatte, konnten daran nichts mehr ändern. Ein Triumph, den keiner dem Sifu missgönnte; denn welcher WT-ler kennt das nicht: Der eigene Spaß am Training steigt ja bekanntlich exponentiell mit der Laune des Sifus…
Vor dem ersten Training am Montagabend, fand ein „Briefing“ statt, in dem Sifu Otfried uns erklärte, dass heute ein heller Tag sei. Morgen würde dann ein dunkler Tag folgen. Wer bereits panisch in Erinnerungen an das sprichwörtlich „ins Wasser gefallene“ Trainingslager des letzten Jahres schwelgte, und reißende Bäche auf dem Zeltplatz vor seinem geistigen Auge vorbeiziehen sah, konnte aber beruhigt aufatmen: Der Wetterbericht hatte bis zum Freitag Sonnenschein vorausgesagt und hielt auch sein Versprechen.

Bei dieser Ansage handelte es sich vielmehr um eine trainingsinhaltsbezogene Kleiderwahlempfehlung von Sifu Otfried: auf dem Programm standen neben Fühltraining (helle Tage) auch Combat-Drills mit anschließendem Bodenkontakt (dunkle Tage), wo auch unempfindlichere dunkle T-Shirts zugelassen waren.
Und so konnte das Norderneyer Touristenpublikum die Bremer WT-ler zwei Mal täglich für jeweils etwa drei Stunden in den Dünen beim „Fühlen“, „Drillen“, „8ten-Schlagen“ und „Am-Boden-Wühlen“ beobachten. Letztere Tätigkeit wurde von den Teilnehmern zunächst mit unterschiedlichen Empfindungen bewertet. Während einige äußerten, die Mischung aus Schweiß, Sonnencreme und Sand würde in ihnen das Gefühl erzeugen, sich in ein paniertes Schnitzel verwandelt zu haben, sprachen andere von „babypopoglatter“ Haut, die sich als Folge des Peelingeffekts eingestellt hätte. Die Irritation über den ungewohnten Trainingsuntergrund hielt aber nur kurz an und schon bald wurden Gesichter und Körper ohne Rücksicht auf eventuelle Peeling- oder Paniereffekte in den Sand geworfen und gedrückt.

Die Zeit zwischen den Trainingseinheiten stand zur freien Verfügung. Wer nicht gerade für den Einkaufsdienst eingeteilt war, verkroch sich entweder in sein Zelt – um den verpassten Schlaf der letzten Nacht nachzuholen –, spielte Kubb (Wickingerschach), Krocket, Cross-Golf in den Dünen o.Ä., nahm ein erfrischendes Kaltgetränk im Biergarten des Zeltplatzkiosks ein oder ging zum (Sonnen)-Baden an den Strand.
Am Abend nach der zweiten täglichen Trainingseinheit erholte sich die Gruppe dann beim gemeinsamen Grillen von den Anstrengungen des Tages. Ab Mitternacht wechselte der Schauplatz des Geschehens dann aus Rücksicht auf WT-fremde Zeltplatzbewohner vom Zeltplatz in eine nahegelegene Dünenmulde. Dort versammelte sich der nicht zu erschöpfende Kern in einem Sitzkreis, philosophierte über Gott und die Welt im Allgemeinen und über WT im Speziellen. Dabei kamen neben nicht ganz ernst zu nehmenden neuen Spezialtechniken („Ketten-Djat“ – welcher dann durch „Ketten-Tok“ abzuwehren wäre…) und Spezialprinzipien („Borge die Kraft des Gegners und nutze sie gegen Dich…“) auch kreative Vorschläge für das diesjährige Motto des Trainingslagers heraus. Um den ersten Platz konkurrierten Kandidaten wie: „Feeling und Peeling!“, „Drillen und Chillen!“ oder „Wühlen und Fühlen!“. Am Ende setzte sich dann allerdings „Vom Stand in den Sand!“ gegen die starke Konkurrenz durch. Das Erfinden eines Mottos für das Trainingslager hat eine noch junge Tradition: Die zwei zurückliegenden Jahre standen unter den Mottos „Ruckeln und Hauen“ (2007) bzw. „Wellen und Kellen“ (2008).

Zu einem besonderen Ereignis wurde dann noch der Freitagabend. Dort stand angesichts zweier Geburtstage (Nils und Raoul) eine Feier an. Neben den WTlern feierten noch ca. 10 weitere Gäste mit, die zu Ehren des 30. Geburtstages ihres Freundes Nils nachgereist waren. Ein besonderes Geburtstagsgeschenk gab es dann noch von Mutter Natur: ein nicht ganz alltägliches Meeresleuchten.
Am Sonntag machte sich die ausgepowerte, aber zufriedene Gruppe daran die Zelte abzubauen und die Insel Norderney wieder zu verlassen. Dabei fiel den Teilnehmern auf, dass sich ihr Timinggefühl durch das Training der vergangenen Tage verbessert zu haben schien. Die Zelte waren just-in-time vor dem Abschiedsregenschauer abgebaut und verpackt und die Fähre aufs Festland wurde in allerletzter Sekunde erreicht. Teilnehmer Björn schwört sogar, die ablegende Fähre nur noch durch einen Sprung über mindestens fünf Meter erreicht zu haben…

Wie auch immer – eines war allen klar: „Wir sind nächstes Jahr auf jeden Fall wieder dabei!“, wenn es heißt: „Trainingslager der WingTsun-Schule Bremen auf Norderney!“ Und das 2010 bereits zum 15. Mal!

Text: Jan Engels
Fotos: WT-Schule Bremen