EWTO

Billard und Selbstständigkeit

Seitdem es sich in meinem Bekanntenkreis herumgesprochen hat, dass ich im Januar 2012 meine eigene EWTO-Schule eröffne, werde ich mit Fragen nur so bombardiert: Was muss man so alles beachten? Was ist der Schlüssel zum Erfolg? Bist Du ausreichend qualifiziert? Hast Du Unterstützung?

Kürzlich in meiner Stammkneipe bei einer Partie Billard:

„E – W – … Was?!”
EWTO– Europäische WingTsun Organisation! Das ist der größte professionelle Kampfkunstverband Europas, der neben der chinesischen Kampfkunst WingTsun auch ein Selbstbehauptungskonzept für Kinder – das so genannte Kids-WingTsun–, ein Selbstverteidigungsprogramm namens BlitzDefence auf Grundlage des WingTsun, Frauenselbstbehauptung, Gewaltprävention, ChiKung und Escrima anbietet.

„Das kannst du alles?!”
Nein, noch nicht alle Bereiche. Ich unterrichte derzeit in erster Linie WingTsun, Kids-WingTsun und BlitzDefence: also effektive Kampfkunst, Selbstbehauptung und Gefahrenerkennung für Kinder und realistische Selbstverteidigung.

„Kann das jeder so machen? Muss man dafür nicht irgendetwas nachweisen?”
Klar! Man muss zunächst einmal selbst als Schüler über Jahre WingTsun gelernt haben. Wenn man ein entsprechendes Niveau erreicht hat, kann man an Ausbilderschulungen teilnehmen und muss diese erfolgreich bestehen. Für jede spezielle Sparte gibt es auch spezielle Ausbildungsprogramme, die der zukünftige Lehrer selbstverständlich erst einmal selbst lernen muss, um sie dann an seine Schüler weitergeben zu können. Natürlich setzt das Unterrichten auch besondere pädagogische Fähigkeiten voraus, die nicht jeder von Natur aus hat. Vieles ist aber erlernbar. Die EWTO hat dafür speziell das Leadership-Programm entwickelt. Dadurch bekommen Ausbilder und Schulleiter zusätzlich eine Menge Wissen über Unterrichtsgestaltung, Didaktik, persönliches Management und vieles mehr vermittelt. Speziell als Schulleiter bekommt man viel Know-how darüber, wie man am besten seine Schule führt.

„Und woran erkennt man einen guten Lehrer?”
Das muss jeder selbst herausfinden. Am besten besuchst Du ein Probetraining und schaust, ob Du mit dem Lehrer zurechtkommst. Menschen sind unterschiedlich und nicht jeder kommt mit jedem aus. Ich für meinen Teil habe schon vor dem Unterrichten, viel mit verschiedenen Menschen zu tun gehabt – in erster Linie mit Kindern. Wichtig ist für mich auf jeden Fall, dass der Spaß nicht zu kurz kommt! Ein guter Lehrer muss Menschen begeistern können!

„Und was braucht man sonst noch so, um eine eigene Schule zu eröffnen?”
Als Erstes braucht man eine gehörige Portion Mut und Leidenschaft, um den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Aber das gilt ja generell fürs Selbstständigmachen. Man sollte fürs WingTsun-Unterrichten gern mit verschiedenen Menschen arbeiten und Spaß am Lehren haben. Außerdem sollte man selbst Ahnung von dem haben, was man den Menschen beibringt. Man muss sich im Klaren darüber sein, dass man täglich mit WingTsun zu tun haben wird und das Ganze mit der eigenen Schule zu mehr als „nur” einem Hobby wird. Man könnte also sagen, dass man vor allem mental dazu bereit sein muss. In erster Linie ist das eine Sache der eigenen Einstellung.
Nun, damit ist es aber natürlich noch nicht getan. Man sollte schon ein kleines Polster an Rücklagen haben, um im Falle eines finanziellen Engpasses nicht sofort einzubrechen. Außerdem muss man sich ja auch erst einmal in die Köpfe der Menschen bringen, d.h. für sich werben. Man muss präsent sein und sein Angebot vernünftig präsentieren können. Nicht jeder ist dazu in der Lage. Man sollte sich deshalb selbst einschätzen, inwieweit einem das überhaupt liegt.

„Wie macht man denn effektiv Werbung und wie präsentiert man sich richtig?”
Da stehe ich ja zum Glück nicht allein da. Es gibt Werbemittel von der EWTO, die standardisiert sind und nur in der gewünschten Menge und mit den eigenen Daten gedruckt werden müssen. Man erzielt damit einen Werbeeffekt, den man als Einzelner so nicht oder nur mit einem erheblichen finanziellen und zeitlichen Aufwand erzielen könnte. Überall in Deutschland wird mit den gleichen Materialien geworben. Meine Kollegen in Nord- oder Süddeutschland werben quasi für mich mit. Und ich für sie. Außerdem kommt man aufgrund der standardisierten EWTO-Werbung relativ günstig an professionelle und effektive Werbung. Das gilt sowohl für Flyer als auch für den Internetauftritt, für Plakate, Bekleidung etc.
Hat man sich das ganze Material besorgt, muss man dafür sorgen, dass es unter die Leute gebracht wird. Ich habe mich bei Schulen, Kindergärten und anderen Sozialeinrichtungen vorgestellt und gefragt, ob ich meine Werbung dort auslegen darf. Ich stelle natürlich immer mein Programm dabei vor, damit die Leute auch erfahren, dass es eine gute Sache ist, die ich anbiete.
Oftmals ist es möglich, in anderen Bereichen für sich zu werben: Meine Flyer liegen zum Beispiel auch beim Frisör, in Fahrschulen, Modegeschäften, bei Ärzten, beim Bäcker, in der Druckerei etc. aus. Im Gegenzug lege ich deren Flyer bei mir aus. Grundsätzlich gilt: Immer Augen und Ohren offen halten, um zu erfahren, was in der Stadt ansteht und ob man dort nicht irgendwie mitmachen kann – also Vorführungen geben, als Sponsor eintreten, sich mit einem Informationsstand präsentieren … Man muss einfach ständig präsent sein und sich immer wieder ins Gedächtnis der Menschen bringen.
Kurz und gut: Man sollte Spaß an dem haben, was man macht. Man muss freundlich sein, mit Menschen umzugehen wissen und ein gewisses Maß an unternehmerischen und didaktischen Fähigkeiten besitzen. Das war’s schon fast …

„Und wie müssen die Räumlichkeiten aussehen?”
Einladend, ordentlich, sauber, freundlich, zweckmäßig. Es sollte ein Mindestmaß an Equipment – z.B. Schlag- und Trittpolster, Wandsäcke – vorhanden sein. So viel, dass man damit ordentlich trainieren kann. Wie viel man hat und was man braucht, hängt natürlich auch immer etwas von den eigenen didaktischen Fähigkeiten ab. Nicht nur im WT ist weniger manchmal mehr.

„Was hast Du für Räume?“
Meine Räumlichkeiten umfassen 130 Quadratmeter. Ich habe einen großen Trainingsraum mit Umkleidekabinen, Büro und sanitären Einrichtungen.

„Hast du eigentlich auch was ‚Vernünftiges’ gelernt?”

Ja, natürlich. Ich habe Abitur gemacht und sofort danach mein Studium an einer Universität aufgenommen. Für den Aufbau meiner Schule habe ich mir allerdings jetzt eine Auszeit genommen. Ich werde das Studium aber mit Sicherheit fortsetzen.

„Hast du keine Angst, dass das schiefgeht?”
Nein, Angst ist fehl am Platze. Wer von vornherein Angst hat, sollte es gleich lassen. Das wirkt sich zu sehr auf die Arbeit aus. Oft ist es doch so, dass wenn man das Gefühl hat, etwas nicht zu schaffen, man tatsächlich scheitert. Mein Motto ist: Das Geheimnis zum Erfolg ist der Glaube an sich selbst.
Ich stelle mir das Ganze ähnlich wie hier beim Billard vor: Setze ich mein Können gezielt ein, wird meine Aktion von entsprechendem Erfolg gekrönt sein: Kugel (Schüler) anvisieren und mit dem Queue (Werbung und Können) ins Loch (Schule) befördern.

„Na, dann wünsche ich Dir viel Erfolg dabei! Du bist dran, Julian!“

Text: Julian D. Kramm
Fotos: Max Lewe