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Nachruf auf Kaicho Jon Bluming

Einen Tag vor der Beisetzung meines Schülers Uwe Kopplin, 8. MG WingTsun, erreichte uns die traurige Nachricht vom Tod Kaicho Jon Blumings. Er verstarb am 17.12.2018 im Alter von 85 Jahren.
Mit Kaicho Jon Bluming verliert die Kampfkunstwelt einen ihrer größten Lehrer und Kämpfer.

Jon Bluming war einer der herausragendsten unter all den bemerkenswerten Meistern, denen ich im Laufe meiner seit 60 Jahren dauernden Reise durch die Welt der Kampfkünste begegnete und von denen ich lernen durfte. Er war mein großes Vorbild als Kampfkünstler und an seinen Überzeugungen orientierte ich mich, als ich WingTsun, Escrima und Bruce Lees Nicht-klassisches KungFu in den 1970ern nach Europa und Deutschland brachte. Ich bin sehr stolz, ihn meinen „Sensei“ nennen zu dürfen.

Jon Bluming wurde 1933 in Amsterdam geboren. In den harten Zeiten während des zweiten Weltkriegs musste er schon bald lernen, sich auf der Straße durchzusetzen. Nicht von ungefähr lautet deswegen der Untertitel seiner Biographie „From Street Kid to 10th Dan Oyama-Karate“. Bereits mit 13 Jahren hatte er begonnen, Boxen zu trainieren und mit 17 bewarb er sich bei den Marines der Niederländischen Armee. Das überaus strenge Auswahlverfahren bestand er neben nur einem einzigen weiteren Kameraden aus über 2500 Bewerbern. 1950 wurde Bluming als Teil der UN-Streitkräfte in den Koreakrieg geschickt. Dort kam er in Berührung mit den asiatischen Kampfkünsten, für die er sich sofort begeisterte. Schließlich hatte er so etwas in seiner Heimat bis dahin nicht gesehen.

Dreimal wurde Bluming während des Krieges verwundet. Während eines Genesungsaufenthaltes in Tokio besuchte er viele Kampfkunstschulen, u.a. das weltberühmte Kodokan, das 1882 von Kano Jigoro, dem Begründer des Judo gegründet worden war. Dort wohnte er 1953 einer Demonstration von Kyuzo Mifune bei, dem wohl bekanntesten Judoka nach Kano, die ihn sehr beeindruckte.

Nach seiner Rückkehr in die Niederlande nahm Jon Bluming das Judo-Training unter Gerhard F. M. „Opa“ Schutte, der 1950 die Niederländische Amateurjudo-Vereinigung (NAJA) gegründet hatte. Diese fusionierte später mit anderen Judoverbänden zum Niederländischen Judobund.

Nach dreijährigem Training bestand Bluming die Prüfung zum 1. Dan. 1955 erhielt er den 2. Dan. 1957 wurde er zum Trainer der niederländischen Judo-Nationalmannschaft ernannt. Im gleichen Jahr wurde er von Tokyo Hirano zum 3. Dan ernannt, nachdem er innerhalb von 26 Minuten mit gebrochenem Zeh 75 Judoka vom 4. Kyu bis zum 4. Dan besiegte.
 

1959 zog Jon Bluming nach Japan, um sich ganz den Kampfkünsten zu widmen. In Tokyo lebte und trainierte er u.a. mit Donn F. Draeger, einem der Pioniere der japanischen Kampfkünste in den USA und Autor zahlreicher Budo-Klassiker. Im gleichen Jahr erfolgte seine Aufnahme in die berühmte Kenshusei, eine Spezialklasse für die 25 besten Mitglieder des Judo-Instituts unter Leitung von Kyuzo Mifune.

Bluming erweiterte schließlich seine Budo-Studien und gelangte so zum Kyokushin-Karate unter dem legendären Mas Oyama, dessen Meisterschüler er wurde. Er war maßgeblich am Aufbau der International Karate Organization (IKO) beteiligt und der erste Nicht-Japaner, der Karate im Ursprungsland unterrichten durfte.
1965 erhielt Bluming von Oyama als erster Ausländer den 6. Dan Kyokushin-Karate.
1989 wurde ihm der 9. Dan zuerkannt und 1994 nach dem Tod von Mas Oyama ernannte ihn Kenji Kurosaki zum 10. Dan.
Jon Bluming war einer der höchstgraduierten und anerkanntesten Judo- und Karateka weltweit.

Bluming brachte das Kyokushinkai nach Europa, gründete 1962 die Nederlandse Karate Associatie (NKA), 1968 die Europäische Karate Organisation (EKO) und 1996 nach dem Ausscheiden aus der IKO die International Budo Kaikan (IBK).

Für Jon Bluming hatte die Anwendbarkeit im realistischen Kampf während seines lebenslangen Studiums der Budo-Künste stets oberste Priorität. Überlieferte Traditionen als alleiniges Qualitätssiegel waren für ihn nie genug. Alles musste im echten Kampf überprüft werden.
So ist es kein Wunder, dass Jon Bluming als „Vater der Mixed Martial Arts“ gilt. In einem Interview sagte er einmal: „Was ich lehre, ist weder Kodokan-Judo noch Kyokushin-Kai-Karate, sondern eine Mischung aus einem Drittel Karate und Thai-Boxen, einem Drittel Wurftechniken – ich lehre sieben verschiedene Würfe – und einem Drittel Grundlagenarbeit. Das ist insgesamt der volle Kreis der unbewaffneten Kämpfe.“
Der Erfolg gab Bluming Recht: Zu seinen international bekanntesten Schülern gehören u.a. Olympiasieger Willem Ruska, Sambo-Weltmeister Chris Dolman und K1-Champion Semmy Schilt.

Jon Bluming war bereits zu seinen Lebzeiten eine Legende. Er machte sich um die japanischen Kampfkünste verdient, wie nur ganz wenige und genießt auch in Japan höchsten Respekt. Bluming stellte bereits Mitte des letzten Jahrhunderts die Weichen für die Entwicklung der Kampfkünste im 21. Jahrhundert und beeinflusste somit Generationen der besten Kampfkünstler unserer Zeit.
Durch sein Wirken hat er sich unsterblich gemacht.

OSU, Kaicho Jon Bluming!

K. R. Kernspecht

PS:
Allen, die mehr erfahren wollen über das Leben dieser außergewöhnlichen Kampfkunst-Legende empfehle ich seine Autobiographie: „The History of Jon Bluming – From Street Kid to 10th Dan Oyama-Karate“.
 

Foto: mg