Editorial

Gedanken zur Selbstverteidigung

Wir leben in einer gefährlichen Zeit. Auch wenn der Staat und die Polizei uns Sicherheit suggerieren, sind wir dennoch vor unerwarteten Situationen nicht geschützt. Niemand, selbst der Friedvollste unter uns, ist völlig davor geschützt, in eine Situation zu geraten, die sich zur körperlichen Auseinandersetzung zuspitzen kann.

Ablauf einer körperlichen Auseinandersetzung

Am Anfang steht immer ein Aggressor: eine Person, die irgendwie emotional geladen ist.

Kontaktaufnahme

Zuerst wird es zu einer Kontaktaufnahme zwischen dem Aggressor und dem Opfer kommen. Die Mindestkontaktaufnahme, die erfolgen kann, ist der Blickkontakt. Er kann durch eine unbewusste oder unbedachte Geste entstehen.

Angriff, Provokation oder Opfertest

Im schlimmsten Fall erfolgt ein sofortiger Angriff ohne Vorwarnung. Eine zweite Variante ist die Provokation und erfolgt meistens durch eine Frage – z.B.: „Was guckst du?“ Bei der dritten Variante, dem Opfertest, geht der Aggressor sehr geschickt vor und testet das vermeintliche Opfer, ob es als Opfer für ihn geeignet ist.

Sehr eindrücklich hat GM Prof. Keith R. Kernspecht dies in seinen Büchern dargelegt und es ist in Rollenspielen in unseren Anfangs-Schülergradprogrammen verankert. GM Kernspecht bezeichnet das Ganze als die fünf Phasen des Ritualkampfes:

  • Blickkontakt
  • Rhetorische Phase
  • Zeigen und Schubsen
  • Wilde Schläge, meist „Heumacher“
  • Treten des am Boden liegenden Gegners (entartete Phase)
     

Einige Formen der Gewalt

Angriff/Überfall

Hier handelt es sich um Angriffe auf Gesundheit und Leben. Hier hilft keine Deeskalation mehr. In dieser Situation muss man um sein Leben kämpfen.

Schlägereien

Bei Schlägereien geht meistens eine Provokation voraus, bei der man mit Deeskalationstechniken noch versuchen kann, die Situation zu beruhigen, bevor man sich verteidigen muss.

Vergewaltigung

Bei einer Vergewaltigung ist in der Regel ein mehr oder weniger ausgiebiger Opfertest vorausgegangen.
 

EWTO-Instrumente zur Selbstverteidigung

Gewaltprävention

Bei der Gewaltprävention lernt man, sich mit geeigneten Maßnahmen nicht in die Opferrolle zu begeben. Es geht darum, sich selbst zu kennen, außerdem Verhaltensweisen, Körpersprache und eine gewisse Achtsamkeit zu lernen.

Deeskalation

Bei der Deeskalation geht es darum, wie man Gewalt abwenden kann, ohne selbst gewalttätig zu werden. Wichtig ist es zu lernen, wie man eine Situation vermeidet, die zu einem Gewaltausbruch führen könnte.

Kampf

Dafür ist die Frage zu klären: „Wie kann man sich mit einfachen Mitteln und Techniken effektiv wehren, wenn die vorangegangenen Mittel nicht greifen?
 

EWTO-Schülergradprogramme

In unserem EWTO-WingTsun finden sich in den Schülergradprogrammen 1 und 2 die Werkzeuge, um in einer Selbstverteidigungssituation zu überleben. Wir haben darin die 4 Blitz-Angriffe, FrightReaction (ein Anti-Überfall-Programm, das die bei jedem Menschen schon vorhandenen Reaktionen nutzt), Techniken zur Befreiung aus den verschiedensten Situationen und Training für die Achtsamkeit. Stresstraining, Theorie wie etwa Notwehrrecht, Übungen zur Schlag- und Trittkraft in der Selbstverteidigungssituation, Szenario-Training (z.B. Verhalten bei mehreren Gegnern, gegen Waffen etc.) sind weitere Bestandteile.

Diese ersten beiden Schülergrade sind die Basis einer erfolgreichen Selbstverteidigung, jedoch nur, wenn man sie regelmäßig übt und an verschiedene Situationen anpasst. In den folgenden Schülergraden müssen die Selbstverteidigungsszenarien immer wieder trainiert und angepasst werden. Speziell hier werden auch Kettenfauststöße, Ellbogen- und Knietechniken zum Einsatz kommen. Zusätzlich zu den Techniken müssen natürlich Schlagkraft, Schlagkombinationen und der Antibodenkampf trainiert und geübt werden. Meiner Meinung nach ist außerdem ein gewisses Maß an Fitness unumgänglich, um in einer Gefahrensituation bestehen zu können. Technik allein reicht da nicht aus. Den Überlebenswillen zu stärken und Schlaghemmungen abzubauen sollten ebenfalls Bestandteile des Trainings sein. In den höheren Schülergradprogrammen werden diese Basics erweitert. Es wird dort unterrichtet, wie man sich gegen Waffen, gegen mehrere Gegner und in verschiedenen Gefahrensituationen (Boden) verteidigt.

Alles in unserem WingTsun ist auf das BlitzDefence-Programm aufgebaut und muss immer und immer wieder geübt und trainiert werden. Dies gilt auch für Fortgeschrittene, die sich oft nur noch auf die eigenen höheren Programme konzentrieren und die Wichtigkeit der Anfängerprogramme unterschätzen.

Euer GM
Thomas Schrön