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Gedanken über Gesundheit

Ist nicht jeder seines Glückes – allerdings zu oft auch seines Unglückes – Schmied?

Ist nicht in allererster Linie jeder selbst verantwortlich für den Zustand, in dem er sich befindet, und auch für seinen Beitrag zum Zustand der Menschen in seinem Umkreis – Familie, Freunde – und seiner weiteren Zugehörigkeit – Menschheit, Planet?

Aus meiner Sicht existiert „Pech“ nicht und auch „Glück“ ist kein Zufall. Natürlich gibt es unpersönliche Einflüsse, gibt es Schicksal, das dem einen scheinbar gnädig ist und ungnädig einem anderen. Das blinde „Schicksal“, wie es von vielen bezeichnet wird, ist allerdings immer nur so blind, wie der, den es trifft.

 

Was ist nun Gesundheit?

Erfolg und Gesundheit sind für mich Ausdruck eines im umfassenden Sinne gesunden Lebens, die Realisierung der eigenen Identität und des durch sie definierten Potentials innerhalb eines Netzwerks verflochtener Systeme, die sich gegenseitig beeinflussen.

Ich denke, Gesundheit ist die Fähigkeit, in sich und nach außen bedeutungsvolle, harmonische Prozesse herzustellen und aufrecht zu erhalten und gleichzeitig disharmonische Prozesse zu verhindern bzw. aufzulösen. Anders formuliert, beinhaltet also Gesundheit die Begabung, einen größeren Zusammenhang zu erhalten und sich in einen übergeordneten einfügen zu können, ohne das eigene oder das übergeordnete dynamische Gleichgewicht zu stören und ohne die eigene Identität preiszugeben.

Schließlich bedeutet Gesundheit auch die Fähigkeit eines Organismus, sich fortzupflanzen oder auf irgendeine Art seine Substanz in die Zukunft zu projizieren.

Gesunde Systeme grenzen sich voneinander ab und durchdringen sich gleichzeitig, jedoch immer nach der Regel, dass die eigene Entwicklung das Ganze bereichert und stärkt, anstatt es zu gefährden. Nur der Krebs löst sich aus dem Gesamtzusammenhang und verfolgt seine eigene sinnlose Absicht: Ohne Bezug auf seine Herkunft ist sein einziges Ziel Vermehrung – Vermehrung und nicht Wachstum, denn Wachstum bedeutet ja auch, schrittweise höhere Organisationsstufen des Lebendigen zu erreichen: Ein Same geht auf, treibt Blätter, einen kleinen Stamm, Äste, es entsteht ein Baum, der Früchte und Samen trägt, schließlich ein Wald, den Tiere bevölkern und so weiter. Das ist Wachstum. Der Krebs aber breitet sich aus. Weil er niemandem dient als sich selbst: die Trennung aus dem Gesamtzusammenhang. Diese Trennung kann nur zum Tode führen, denn wenn der Krebs sich ungehindert ausbreitet, stirbt der Organismus und mit ihm der Krebs.

Das ist nur möglich, wenn das Immunsystem gestört ist, das im gesunden Organismus unaufhörlich darüber wacht, dass die sich dauernd entwickelnden Krebszellen im Anfangsstadium schon vernichtet werden.

Natürlich hängt es auch davon ab, welche Art von Nahrung wir uns zu führen. Wir nehmen drei Arten von Nahrung zu uns, die wir dann auch „verdauen“ müssen:

1. Luft, Sauerstoff, Lebenskraft

2. Essen, Trinken

3. Aufmerksamkeit, Eindrücke

Bewusst oder automatisch entscheiden wir uns tagtäglich in kleinen und großen Dingen, unsere eigene Lebensenergie oder die Lebensenergie unserer Mitmenschen zu stärken oder zu schwächen. Wir verbreiten unsere Freude oder unseren Missmut, unsere Stärke oder unsere Schwäche. Wir teilen täglich Leben sowie Tod aus. Wenn wir also – geleitet von Konventionen, Existenzangst oder falschen Konzepten – uns zu Handlungen drängen lassen, die unserer innersten Natur zuwiderlaufen, wird das unsere Vitalität dämpfen, dann fühlt sich das Herz beim Handeln nicht wohl. Die Ausstrahlung der in dieser Art gedämpften Vitalität wird den gleichen Effekt auf andere Mitmenschen haben, die uns dann, sollten sie sich gesunde Instinkte erhalten haben, weniger gern sehen wollen.

Zum Schluss: Ich denke, dass wahrer Erfolg immer Gesundheit unterstützt. Es ist eine dem Leben innewohnende Qualität, die ausdrückt, wie unversehrt und ganz das Leben ist. In dem Maße, wie wir es schaffen, dieser Ganzheit in unserer Existenz nahe zu kommen, werden unsere Aktivitäten immer mehr grundsätzlich aufbauenden Charakter annehmen.

Der zerrissene Mensch dagegen infiziert alles, was er tut, mit seiner eigenen, nicht überwundenen Destruktivität.
Die Lebensaufgabe ist also zuallererst, ganz zu werden.

Text: Sifu Alfred Johannes Neudorfer
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