EWTO

Wenn der Vater mit dem Sohne

Richard Hecks aus der EWTO-WingTsun-Schule Bocholt: Zitate wie Winston Churchills „No sports!“ waren genau auf meiner Linie. Fiel in einer Gesprächsrunde das Wort Sport, wusste ich: Das ist nicht mein Thema.
Interessanterweise war das Gegenteil der Fall, wenn das Wort Kampfsport fiel. Sofort richteten sich meine Nackenhaare auf und mein Gesprächspartner konnte sich meiner vollen Aufmerksamkeit bewusst sein. Das war insbesondere deshalb seltsam, weil mein großes Hobby Gitarre spielen war.

Als Richard Hecks 1951 in einem kleinen Dorf namens Ramsdorf geboren, gab es für mich keinerlei Gelegenheit zum Kampfsport – außer Raufereien auf dem Schulhof. Das änderte sich schlagartig, als ich mein Studium der Betriebswirtschaft in Essen aufnahm: Anmeldungen beim Judo, Karate und Taekwondo gleichzeitig. Einige Mitschüler fragten, ob ich unter Verfolgungswahn leide. Das tat ich keineswegs.

Beim Judo fiel ich oft auf den Kopf, was zu Kopfschmerzen und Aufgabe dieser Sportart führte. Karate machte ich gern, aber Taekwondo war die Show. Die Jungs hatten im Gegensatz zum Karate schwarze Streifen an der Hosennaht. Neben den tollen Sprungtechniken begeisterte mich dies besonders. Nie wieder in meinem Leben habe ich so geschwitzt beim Sport.

Bocholter WingTsun-Gruppe – Richard li. und Christian als Kind
 

Dann kam das Jahr 1976 mit einer Anzeige im „Karate Journal“: WingTsun-Lehrgang in Kiel! Das war doch die Kampfkunst, die Bruce Lee gelernt hatte. Da musste ich hin. In Kiel war meine erste Begegnung  mit Großmeister Kernspecht, der gleich einen bleibenden Eindruck hinterließ und später dann mein SiFu wurde.
1985 ging es endlich zum Lehrgang nach Duisburg mit anschließender Anmeldung in der WingTsun-Schule in Essen bei Andreas Tomczak. 1986 wurde ich mit dem 4. Schülergrad Ausbilder in der ersten Bocholter WingTsun-Schule in den Kellerräumen meines Wohnhauses.

Schon als kleiner Junge war mein Sohn Christian sehr an unseren Übungen interessiert. 1991, im Alter von 11 Jahren, war es dann soweit: Vater und Sohn fuhren regelmäßig einmal die Woche zusammen zur WingTsun-Schule in Essen.

Durch meine berufliche Inanspruchnahme als Steuerberater musste meine aktive Betätigung eingestellt werden.

Christian Hecks

Christian setzte später seine Ausbildung neben seiner Haupttätigkeit als Fahrschullehrer in der WingTsun-Schule in Wesel bis zum 12. Schülergrad fort. Schließlich trat die Weseler WingTsun-Schule aus der EWTO aus und es stellte sich die Frage, wie es weitergehen sollte. Da fiel der entscheidende Satz:
Papa, kann man eigentlich eine Fahrschule und eine WingTsun-Schule gleichzeitig betreiben?
 

Klar, kann man!“, sagte ich, der Steuerberater. Nach intensivem Privatunterricht und Erreichen des 1. Lehrergrades brauchten wir nur noch eine Lizenz bei der EWTO zu beantragen. Gesagt, getan. Die Planungen liefen an. Bis, ja, bis das Schreiben der EWTO kam: „In Bocholt gibt es bereits eine Lizenz. Für eine zweite reicht die Einwohnerzahl nicht.

Geht nicht, gibt’s nicht!“, sagten wir uns. Wie aber vorgehen? Kontakte wären nicht schlecht – also Anmeldung in Kiel zum Ausbilderlehrgang und mal schauen, was passiert. Schaffe Gelegenheiten und sei zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Was dann passiert, kann man nicht planen.

In der abschließenden Prüfung des Ausbilderlehrgangs saßen wir in unserer Gruppe und DaiSifu Groß stellte einem Prüfling die Frage: „Was machen wir so in der EWTO?“. Die Antwort: „Da fragen Sie den Richtigen, ich habe keine Ahnung.“ Betretenes Schweigen und leichtes Entsetzen beim Prüfer. Ich dachte: „Sag mal was!“, und es platzte aus mir heraus: „WingTsun ist schon eine geile Sache.“ Alle schauen zu mir: „Noch ’n Verrückter.“ „Ich war schon 1976 auf einem der ersten WT-Lehrgänge in Kiel“, fuhr ich fort. DaiSifu Groß stand auf, gab mir die Hand und sagte: „Hallo Sihing.“ Eine wunderbare Geste.
Mutig fuhr ich fort: „Hast du vielleicht nachher noch etwas Zeit für uns. Es geht um eine Lizenz für Bocholt.“ Erstaunte Gesichter bei den anderen Prüflingen: „Was kommt wohl noch?“ „Klar habe ich nachher noch etwas Zeit für euch. Aber wie war das damals in Kiel?“ „Voll toll! SiuNimTau wegen der Vielzahl der Teilnehmer von einem Schüler auf der Fensterbank vorgemacht. SiFu korrigierte die Fingerhaltung im ersten Satz um wenige Zentimeter bei mir…“ Betretenes Schweigen und leichtes Entsetzen – diesmal bei den Prüflingen. Aber zum Schluss gab es doch die Unterschrift vom Prüfer.

Jetzt sollte es sich bezahlt machen, dass ich im Betriebswirtschaftsstudium nicht umsonst den Schwerpunkt Wirtschaftsrecht gewählt hatte. Man konnte nämlich die Richtlinien auch so auslegen, dass bei Überschreiten einer gewissen Einwohnerzahl eine zweite Lizenz möglich wäre. DaiSifu Groß versprach, dass wir Nachricht bekommen würden. Der Rest lag jetzt nicht mehr bei uns.

Kurze Zeit später klingelte bei Christian im Auto das Telefon. DaiSifu Groß rief an mit den erlösenden Worten: „Eure zweite Lizenz geht klar.“ Na bitte, wie oben im Text geschrieben: Geht nicht gibt’s nicht.

Bocholter Kids-WingTsun-Erinnerungsfotos
 

Eine Halle anzumieten, ist einfach. Die Schüler kommen dann von selbst – wohl kaum. Was tun? Eine meiner Töchter ist Lehrerin und schilderte Ereignisse bei der Pausenaufsicht. „Wie wäre es, wenn wir in der ganzen Schule für alle Klassen im Sportunterricht Kids-WingTsun vorführen würden?“ Meine Tochter war begeistert von der Idee und wir meldeten uns zum Fachtrainerlehrgang für Kids-WingTsun bei DaiSifu Peter Thietje an. Wir wussten, Erfolg hat man nur mit Qualität und dem richtigen Konzept – also nicht einfach nur Erwachsenen-WT auf die Kinder anwenden. Der Lehrgang zeigte uns, wie es richtig gemacht wird. Begeistert probierten wir das Gelernte dann in den verschiedenen Klassen aus. Die Kinder bekamen Zettel mit nach Hause, wann Kids-WingTsun von uns angeboten wird und außerdem ein Erinnerungsfoto.
In der ersten Stunde waren bereits 15 Kinder anwesend. Das konnte sich doch sehen lassen!

Bewährtes soll man fortsetzen: Frauen-Selbstverteidigung war für meine drei Töchter ein Thema. Also fuhren wir zum Fachtrainerlehrgang bei Sifu Sabine Mackrodt in Kassel: Selbstbehauptung, forsches Auftreten, laute Ansprache. Christian und ich beim Rollenspiel – eigentlich gar nicht unser Ding. Was sich Frauen so unter Selbstverteidigung vorstellen.
Es funktionierte. Da wären wir als Männer nie darauf gekommen. Aber meine Töchter waren begeistert von dem Konzept. Es folgten Internet Werbung, Twitter, Facebook, Zeitungswerbung.

 

Der erste Abend in der Halle: Es erschien eine Frau – ein sensationeller Erfolg. Naja, dann eben eine Stunde Privatunterricht. Sie versprach hinterher, beim nächsten Mal zwei Freundinnen mitzubringen. Sie kamen zur folgenden Unterrichtsstunde tatsächlich zu dritt, außerdem meine Töchter – mehr als nichts. Und die Entwicklung verlief dann positiv. Etwas Geduld war allerdings erforderlich. Wichtig war: Es macht(e) uns richtig Spaß, mit dem Konzept von Sifu Sabine Makrodt zu unterrichten.

Die Frage war, wie bekommen wir mehr Schüler. Eine Idee, die wir auch mit unserem SiFu GM Kernspecht besprochen hatten, war die Verbindung von Fahrschule und WingTsun-Schule. Für Fahrschüler war das Thema Gewaltprävention interessant – besonders für von der Fahrschule unterrichtete Busfahrer ein großes Thema. Also auf zum Fachtrainerlehrgang EWTO-Gewaltprävention bei DaiSifu Roy Schirdewahn. Anschließend erhielten alle Fahrschüler folgenden Flyer:

Unser Flyer
 

Das Konzept ging auf, die Schülerzahlen stiegen.

Erfreulicherweise mangelte es meinem Sohn und mir niemals an Ideen. Ich hatte mit meiner Nouveau Flamenco Band Luna Blanca in der Vergangenheit viele Erfolge, so zum Beispiel die Auszeichnung als Bestes World Music Album 2012 in New Orleans für das Album: El Dorado.

Christian fragte mich, ob ich nicht einen WingTsun-Song produzieren könne. Der Titel war schnell gefunden: Wing Tsun Tune. Die Musik sollte elegant und leicht sein, um die Eleganz des WingTsun einmal in den Vordergrund zu stellen. Das dazu angefertigte Video enthielt Material der EWTO und so fragten wir unseren SiFu GM Kernspecht um Genehmigung. Er schrieb in seiner unnachahmlichen Art zurück: „Gefällt mir gut! Kannste zeigen. SiFu

 

Als Titelbild kam für mich nur das Logo mit den zwei Kämpfern aus früher WT-Zeit in Frage.
Wie vermeidet man nun einen eventuellen Copyright-Streit? Man stelle die Szene nach…
… und so sind wir auf dem Titelbild als Schatten – links Christian und rechts ich.

 

 

Link zum Video: www.youtube.com/watch?v=flS1GOGDzls

 

Was kommt noch? Wie sieht die zukünftige Entwicklung aus?
Nun, wir folgen weiterhin dem schon im Jahre 1912 von dem Wirtschaftswissenschaftler Joseph Schumpeter entwickelten „Bild des dynamischen, innovativen Unternehmers, der im Kampf steht mit den Langweilern ohne Ideen, die vom Neuen zerquetscht werden. Das ist der Prozess der schöpferischen Zerstörung. Alte Doktrinen werden durch neue ersetzt…“ Da drängt sich im WingTsun doch ein Vergleich nahezu auf. Und so werden der Vater mit dem Sohne – nach ersten, sehr positiven Erfahrungen – sich intensiv mit Innerem WingTsun beschäftigen.
 

Text und Fotos: Christian und Richard Hecks