Editorial

Welche Bücher ich retten würde!

Vor mir liegen geschätzte fünf Kubikmeter Bücher auf dem Boden und mich erreicht die Frage, ob ich das Juli-Editorial übernehme. Ihr wisst, ich wechsele mich mit Andreas, Giuseppe und Oliver mit dem Schreiben ab und diesen Monat bin ich dran.

Nun haben Natalie und ich aber 2014 Simo als Geburtstagsgeschenk für 2015 (!) versprochen, die Bücher endlich vom Boden wegzuräumen; denn Simo hatte gedroht, sie nach Farbe und Größe auf meine Regale auf mehreren Etagen zu verteilen, und damit wären sie auf ewig unauffindbar.

Nun wäre „unauffindbar“ für die meisten meiner gefühlt geschätzten 5.000 Kampfkunstbücher nicht wirklich ein Verlust. Die meisten sind nur Wiederholungen und Variationen älterer und besserer Bücher. Jedes Mal, wenn ich beim Aufräumen bin – also alle zwei Jahre, wenn meine Neuzugänge von Amazon das Staubsaugen unmöglich und Simo sauer machen – erwäge ich, mich von 80 % zu trennen. Aber von welchen? Ich bin jemand, der noch nie ein Buch weggegeben hat – und mag es noch so blöd sein. Ich habe sogar extra ein Regal für die beklopptesten Kampfkunstbücher, denn dort sammle ich auch solche! Ich gebe sogar Büchern über Methoden, um Gegner auf Entfernung und ohne jede Berührung umzuhauen, ein Regal, obwohl es der haarsträubendste Blödsinn ist.

Ich könnte das Problem aber auch anders angehen:
Bräche ein Feuer aus oder ich hätte aus irgendwelchen Gründen nur fünf Minuten Zeit, so viele Bücher, wie ich tragen kann, hinauszuschleppen, welche würde ich wählen?

Tun wir einmal so, als wären alle meine Bücher Einzelstücke und nie wieder aufzutreiben.
Die Reihenfolge der Bücher, die ich jetzt einsammle, wird nur durch die Regale bestimmt, an denen ich vorbeigehe:

Aus meiner Strategie-Abteilung greife ich mir Sunzi „Die Kunst des Krieges“. Ich habe davon verschiedene Übersetzungen in verschiedenen Sprachen.

Nicht weit weg davon, bietet sich mir das „Buch der 5 Ringe” von Miyamoto Musashi an. Ich nehme das erste auf Englisch.

Eine Menge weiterer Strategie-Bücher wollen auch gerettet werden, aber ich muss weiter …,
… denn ich sehe ein paar Meter weiter fünf rote Must-have Wälzer, „Chinese Classics“, im Original und übersetzt ins Englische von James Legge.

Bruce Lees „Tao of Jeet Kune Do” kann ich natürlich nicht dem Feuer überlassen.

Im Vorbeigehen greife ich mir „Bruce Lee between Wing Chun und Jeet Kune Do“ meines Lehrers Jesse Glover, dem ersten Schüler Bruce Lees.

Psycho-Training im WingTsun, Taiji und Budo-Sport“ meines Mentors Prof. Horst Tiwald ist ebenfalls ein Meilenstein meiner eigenen Entwicklung.

Vom Sinn der Sinne“ von Erwin Straus (1935) ist eines der Bücher, die ich mit meinem Mentor las.

Vom Zweikampf“ – Strategie, Taktik, Physiologie, Psychologie und Geschichte der waffenlosen Selbstverteidigung: Das Buch, mit dem ich unser WingTsun in über 50 Länder einführte.

Das „Wing Tsun Kuen“ meines SiFus, ein Meisterwerk. Das erste große und prächtige KungFu-Buch weltweit.

Und ein paar Buchmeter weiter: die drei Werke meines ersten Kampfkunst-Idols, Masutatsu Oyama, deren Format und Aufmachung Sifu Leung Tings  „Wing Tsun Kuen“ übernahm, nachdem mein SiFu diese drei Bände bei mir zu Hause sah.

Aus verschiedenen Gründen wähle ich davon „Advanced Karate”.

Ein Grund, der damit zu tun hat, ist mein Karate-Sensei Jon Bluming, sein Buch „The History of Jon Bluming“ ist ein schonungsloser Augenzeugenbericht darüber, was vom Karate, Judo und Aikido in Japan der 1950er und 1960er Jahren zu halten ist.

Mit Oyama und Bluming hat auch dieses eine Kempo-Buch zu tun, das mir erst Jahre später in die Hände fiel, nachdem ich diesen „formlosen” Stil in den späten 1960er Jahren von einem belgischen (?) Studenten auf dem Campus der Kieler Uni gelernt hatte: „The Essence of Kung Fu – TaiKi Ken“ von Kenichi Sawai.

Escrima“, geschrieben von meinem Freund Bill Newman, ist nicht nur ein Buch, sondern ein gemeinsamer Lebensweg.

The History & Art of Personal Combat“ von Arthur Wise ist eine Quelle von Erkenntnissen und muss in Sicherheit gebracht werden.

Martial Musings“, vom großen Könner innerer chinesischer Stile und des Schreibens, Robert W. Smith, ist es auch eine Verbindung zu Kaicho Bluming und verstorbenen chinesischen inneren Meistern, von dessen/deren Schülern ich lernen durfte.

Da ich ja inneres WT übe, kann ich ziemlich viel Gewicht auf meine Struktur laden.
Ich nehme also nicht nur mein wichtigstes Buch „Kurs-Buch: Inneres WingTsun“ mit und

Die Evolution des iWT“ – Band 1, das nicht fehlen darf, da es den Weg des inneren WT dokumentiert: Es zeigt, wo alles herkommt, die Gedanken und die Bewegungen, die Konzepte und Ideen – welche davon verworfen wurden und welche die Leitideen bleiben werden, …
sondern ich lade mir auch noch die gesammelten, gebundenen Ausgaben der „WingTsun-Welt“ ab Nr. 1 auf die Schultern: Unsere EWTO-Geschichte.

 

 

Nun aber schnell raus aus dem Haus!


Euer SiFu/Sigung
Keith R. Kernspecht