Gewalt gegen Kinder – Teil 2
Spektakulär-traurige Fälle
Zwischen Januar und Juni 2007 gingen insgesamt fünf spektakulär-traurige Fälle von acht Kindstötungen (meistens Babys) durch die Medien.
In Schwerin fand man am 21.11.07 ein von ihren Eltern vernachlässigtes Mädchen verhungert und verdurstet auf. Das Jugendamt soll von einer Vernachlässigung gewusst haben.
In Darry, Schleswig-Holstein, hat eine psychisch labile Mutter am 6.12.07 ihre fünf drei- bis neunjährigen Söhne erstickt. Der Vater behauptet, er hätte schon vor Monaten an den zuständigen sozialpsychiatrischen Dienst erfolglos eine Aufnahme gesendet, bei der die Mutter von Dämonen spricht. Ihre Kinder wären von ihnen besessen. Ebenfalls am 6.12. sind in Berlin eine 24-jährige drogensüchtige Mutter zusammen mit ihrer sechs Monate alten Tochter tot aufgefunden worden. Angeblich betreuten die Behörden beide „engmaschig“.
In Plauen ist kurz darauf zutage gekommen, dass eine 28-jährige Mutter ihre drei Töchter, die jeweils im Babyalter waren, in den vergangenen Jahren unbemerkt umbringen konnte. Auch sie stand in einer sozialen Krisensituation.
Es gab also in allen oben genannten Fällen erste Anzeichen, denen man hätte nachgehen können. Leider haben weder das Umfeld noch die zuständigen Behörden sie ernst genug gedeutet bzw. konsequent verfolgt.
Politische Reaktionen
Die Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen stellte bereits im November 2006 nach dem Tod des kleinen Kevin ein Frühwarnsystem für gefährdete Kinder vor. Darin forderte sie eine bessere Zusammenarbeit zwischen Jugend- und Gesundheitsamt. Im Juli präsentierte die Bundesministerin das „Nationale Zentrum Frühe Hilfe zum Schutz vernachlässigter Kinder.“ Seine Aufgabe ist es, Angebote des Gesundheitswesens mit denen der Kinder- und Jugendhilfe zu vernetzen.
Kritiker hingegen behaupten, dass in der Vergangenheit zahlreiche Kinder- und Jugendprojekte gekürzt worden seien. Somit wurde man lediglich mit öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen Schadensbegrenzung betreiben. Aber mögliche Ursachen würden ignoriert werden. Nun wollen die Bundesländer Kinder mit neuen Gesetzen besser vor Gewalt und Vernachlässigung durch ihre Eltern schützen. Eine zentrale Rolle kommt hierbei den Vorsorgeuntersuchungen zu, die vor der Geburt die soziale und psychische Verfassung der Eltern mit unter die Lupe nehmen sollen. In manchen Bundesländern wie in Bremen oder im Saarland ist ein solches Gesetz schon auf den Weg gebracht worden. Das zuständige Gesundheitsamt wird alarmiert, wenn regelmäßige Untersuchungen beim Kinderarzt ausbleiben bzw. Kindermediziner und Hebammen gravierende Fälle von Misshandlung oder Vernachlässigung melden. Insgesamt soll eine lückenlose Kontrollmöglichkeit seitens des Staates zumindest bis zum 6. Lebensjahr geschaffen werden.
Zahlen und Ursachen
Angesichts der Zahlen von Kindesmisshandlung erscheinen Maßnahmen als längst überfällig. Dem Tagesspiegel vom 7.12.07 zufolge existierten alleine in Berlin 563 Delikte im Jahre 2006 (Vergleich: Hamburg: 50 Delikte, bundesweit: 3131 Delikte). Es waren bundesweit die meisten Fälle von Kindesmisshandlung. Das sind 90 mehr als im Jahr zuvor.
Dabei gibt es in Berlin seit 23 Jahren das bundesweit einzigartige Fachkommissariat für Kinderschutz. Dort beschäftigen sich heute 17 Mitarbeiter mit Taten, bei denen Kinder oder alte Menschen vernachlässigt, misshandelt oder gar zu Tode gequält werden. Nach Angabe der Berliner Zeitung vom 04.05.2007 häufen sich die Fälle gegenüber früher, bei denen Kinder von überforderten Eltern solange geschüttelt werden, dass sie Schäden davontragen. Auch ist das Anzeigeverhalten in der Bevölkerung gestiegen, ohne dass es dabei ungerechtfertigte Denunziationen gab, so die Leiterin und Kriminalhauptkommissarin Gina Graichen gegenüber der Berliner Zeitung.
In Berlin seien die familienbelastenden Faktoren bundesweit am höchsten, so der Tagesspiegel. Dazu gehören laut einer Sprecherin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes: „Alleinerziehen, bildungsferne Sozialisation, Migrationshintergrund, psychische Krankheiten oder Alkoholabhängigkeit.“
Doch wann solche Faktoren Anlass dafür geben könnten, dass Kinder vernachlässigt oder misshandelt werden, soll unter anderem im nächsten Artikel besprochen werden.
// Sifu Oliver C. Pfannenstiel, 4. TG
Der Autor ist kein Jurist. Alle o. g. Angaben erfolgen ohne juristische Gewähr.
Fotos: Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes unter www.polizei-beratung.de
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