Ansprache mit Tradition: Per Du oder per Si?
Wer zum ersten Mal eine WingTsun-Schule besucht, wundert sich: Erst wird das Du angeboten und dann werden die Ausbilder doch mit Si angesprochen. Was steckt dahinter?
KungFu-Familie: Alle hören gespannt dem SiFu, ihrem KungFu-Vater, zu.
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Die Silbe „Si“ ist ein spezieller Begriff, der als „Lehrer“ interpretiert werden kann. Dies geht auf die chinesische KungFu-Tradition zurück. Bereits 1000 v.Chr. galt für die Kampfkünste im Westen Chinas: Wird eine eigene KungFu-Familie oder ein KungFu-Clan gegründet, entsteht dadurch nicht nur ein Stil, sondern auch eine Struktur, in der es für den praktizierenden Schüler ebenfalls einen KungFu-Vater, einen älteren KungFu-Bruder usw. gibt. Das gilt bis heute und wird auch in der EWTO so angewendet.
Die wichtigsten Anreden
SiFu = „väterlicher Lehrer“ –
Anrede für den eigenen Lehrer, wenn dieser einen Sifu-Titel trägt
SiHing = „älterer KungFu-Bruder“
SiJe = „ältere KungFu-Schwester“
SiFu oder Sifu?
Sifu Giuseppe Schembri beim Unterrichten
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Schreibt man „SiFu“, so hat die Silbe „Fu“ die Bedeutung von „Vater“, d.h. man bezeichnet damit den eigenen väterlichen Lehrer, der der KungFu-Familie vorsteht. Schreibt man dagegen „Sifu“ mit einem kleinen „f“, bedeutet das, dass der Bezeichnete zwar Oberhaupt einer KungFu-Familie, er jedoch nicht der eigene Lehrer ist.
Da in den alten Zeiten die meisten KungFu-Praktizierenden Männer waren, wurden die Titel „SiFu“ und „Sifu“ auch dann angewandt, wenn der Familie eine Lehrerin vorstand.
SiHing ist der ältere KungFu-Bruder, SiJe ist die ältere KungFu-Schwester – Mitschüler, die früher als man selbst mit dem Lernen der Kampfkunst angefangen haben – unabhängig von der Graduierung. Das heißt auch, dass der/die ältere Mitschüler/in für den jüngeren Mitschüler immer SiHing bzw. SiJe bleibt, selbst wenn er/sie den Titel eines „Sifus“ erhalten würde.
Text: Dominique Brizin
Fotos: mg