SensoryAwareness – Bewusstes Spüren
Immer wieder werde ich gefragt: „Was macht ihr denn da in diesem Kursus?“ Und ich kann dann nur sagen: „Nichts. Das ist es ja gerade.“
Und eben das macht Leute auch unsicher. Ein Kursus, bei dem man nichts macht? Wo man sich nichts aufschreiben kann? Und das soll laut GM Kernspecht unsere Geheimwaffe sein?
Was möchte dieser Augenblick von mir?
SensoryAwareness – Achtsamkeit für den Augenblick
Nichts zu machen – zu spüren. Achtsam für den Augenblick, für sich und die Umwelt werden. Das kann hier gelingen. Ist eine Erfahrung, die sehr tief greifend wirken und gravierende Auswirkungen auf unser WingTsun haben kann.
Wie sich der Boden jetzt anfühlt?
SensoryAwareness und ich als Schüler
In den letzten fünf Jahren haben zwei Dinge mein WingTsun grundlegend verändert und beflügelt. Das eine war die Erweiterung unseres Bewegungsrepertoires durch GM Kernspecht mit der Einführung der ReakTsun-Programme. Hier wurden mit einem Schlag Fragen beantwortet, die ich mir noch nie bewusst vorher gestellt hatte. Plötzlich war das Vertrauen da, dass WingTsun funktioniert, dass es wirklich so effektiv und natürlich ist, wie es immer versprochen wird.
Und das andere war die Begegnung mit Sascha und SensoryAwareness. Nichts hat mich jemals so in meinem Kern berührt. Das hat zwar einen Augenblick gedauert, aber dann ist es nicht mehr weggegangen. Plötzlich war das Spüren im Jetzt ein Qualitätsmerkmal für meine Bewegungen, für mein Lernen. Eine Möglichkeit, mich zu überprüfen – jenseits von richtig oder falsch, jenseits von Wertung oder Vergleich. Eine Möglichkeit, mich zu beobachten, zu erfahren. Und daraus resultierend eine Abkehr von alten Mustern – auch und gerade von alten Bewegungsmustern. Das Tolle daran ist: Es gibt nicht wirklich ein Vorher oder Nachher. Es gibt nicht wirklich ein Trainieren oder Nichttrainieren. Es gibt nur das Spüren oder nicht. Ich trage die Verantwortung. Ich habe es in der Hand. Spüre ich oder spüre ich nicht? Meine Entscheidung. Immer wieder aufs Neue. Meine Trainingsgeschwindigkeit hat sich verlangsamt. Sonst könnte ich nicht spüren. Langsames Training ermöglichte mir, die Hektik, die Angst und auch Zweifel gehen zu lassen. Und wenn ich spüre, dann entschwindet auch das Ego. Es geht mit dem Partner nicht mehr um gewinnen oder verlieren, treffen oder getroffen werden, besser oder schlechter sein. Es geht darum zu erkennen, was jetzt ist. Achtsam zu sein – für mich, für mein Gegenüber, für die Situation.
Wenn es gelingt, dann macht sich bei mir das Gefühl breit, dass SiFu offenbar immer in diesem Zustand ist, wenn er im ChiSao ist. Wer hätte gedacht, dass es möglich ist, dies nachzuempfinden, ohne er zu sein. Danke für diese Einsichten.
Wie sich die Atmung jetzt anfühlt?
SensoryAwareness und ich als Lehrer
Ich weiß nicht, ob du es kennst. Du stehst als Lehrer im Unterricht und erklärst etwas. Machst es vor, demonstrierst. Kleidest deine Bewegungen in Worte. Bist begeistert von der zwingenden Logik deiner Erklärung und deines Handelns. Bist mitgerissen von der Klarheit unserer Kampfkunst, ihrer Prinzipien und Mottos und vollends überzeugt, dass WingTsun die logischste und konsequenteste Sache der Welt ist.
Und wenn du deinen Blick hebst und in die Augen deiner Zuhörer, Zuschauer, Schüler schaust, was siehst du dann? Bei einem ganz geringen Teil geteilte Begeisterung. Bei den anderen überwiegt Unverständnis und manchmal auch Langeweile oder Abgelenktheit. Du nimmst das unbewusst war, bist irritiert und denkst: „Sie haben da etwas nicht verstanden. Und du erklärst genauer und zeigst es noch einmal. Aber am Ende, wenn die Schüler trainieren sollen, stellst du fest, dass sie nicht viel von dem verstanden haben, was du erklärt hast.
An wem liegt es? An den Schülern? Alle doof? Oder etwa an dir? Unfähiger Lehrer? Oder könnte es an etwas ganz anderem liegen?
Nachdem ich als Lehrer mit SensoryAwareness und damit mit mir in Verbindung kam, stellte ich fest, dass ein Lehrer eine komische Gestalt ist. Er versucht, Leuten etwas beizubringen. Und wer zum Beispiel Kinder unterrichtet, stellt gern einmal fest, dass es ein Spannungsfeld gibt, zwischen dem, was der Lehrer unterrichten möchte, und dem, was die Schüler lernen wollen. Hier erfahren wir einen Grundkonflikt. Aus der Pädagogik oder auch anderen Feldern gibt es viele Methoden, mit denen man versucht, diesem Spannungsfeld Herr zu werden.
SensoryAwareness hat mich eines gelehrt: Stelle Fragen. Stelle dir selbst Fragen. Es geht dabei gar nicht so sehr um die Antwort, weil bereits die Fragestellung etwas bewirkt – nämlich, dass es möglich ist zu spüren.
Frage: „Wie fühlt sich das an?“ Es gibt keine richtige oder falsche Antwort darauf. Die Antwort ist für jeden anders. Die Antwort lautet im Grunde immer: „So.“ Und ich sehe, die Menschen sind bei sich.
So stellte ich erschrocken fest, dass ich jahrelang versucht hatte, den Leuten Antworten beizubringen. „Das ist doch nicht schlimm“, denkst du jetzt. Vielleicht nicht schlimm, aber zumindest mühsam. Und in Bezug auf Selbstverteidigung bestimmt ineffizient: Bringe ich den Leuten doch meine Antworten bei und das, obwohl sie doch eigene Antworten brauchen. Die, so muss ich mir am Ende eingestehen, kann ich ihnen aber nicht beibringen. Die können sie nur selbst finden.
Was ist also meine Aufgabe als Lehrer?
Richtig! Den Schülern zu helfen, ihre Antworten zu finden.
Wie mache ich das?
In dem ich Fragen stelle; denn ich stellte fest, dass ich mir in meinem eigenen Training immer Fragen stelle und auf der Suche nach Antworten bin.
Warum unterrichte ich dann meine Schüler anders?
Ich gestaltete einen Unterricht so, dass ich nur Fragen stellte. Die Schüler fanden Antworten für sich, schauten mich dabei glücklich an, bewegten sich befreiter, weil so, wie sie es wollten. Wenn ich vorbeikam, stellten sie keine Fragen, sondern sagten Sätze wie: „Für mich fühlt sich das gut an, wenn ich das so und so mache.“ Ich lasse sie es dann an mir ausprobieren und kann sagen: „Das fühlt sich auch für mich gut an.“ Der Schüler ist zufrieden. Ich bin zufrieden. Und die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schüler seine Bewegung im Ernstfall macht, scheint mir höher, als dass er meine Bewegung macht, die ich versucht habe, ihm beizubringen. Was für eine Erkenntnis. Leicht und mühelos. Ge- und erlebtes WingTsun.
Ich möchte nicht mehr, dass meine Schüler etwas nachmachen. Ich möchte, dass sie etwas erleben, experimentieren und spüren, wenn etwas für sie gut funktioniert. Dann ist es ihre Bewegung – nicht meine. Dann brauchen sie sich auch nichts zu merken, müssen nichts aufzuschreiben.
Es geschieht. Wie? So wie es ist. Wann? Genau dann, wenn es passiert.
Dann ist es natürlich und, wie SiFu immer wieder fordert, von jeglicher Form befreit.
Dann sind wir WingTsun. Und WingTsun ist wir.
Text: Frank Aichlseder
Fotos: Jürgen Pottiez
Termin | Uhrzeit | Ort |
16./17. März 2013 | 11.00 bis 16.00 Uhr | EWTO-Schule Overath |
27./28. April 2013 | 11.00 bis 16.00 Uhr | EWTO-Schule Norderstedt |
04./05. Mai 2013 | 11.00 bis 16.00 Uhr | EWTO-Schule Stockach |
08./09. Juni 2013 | 11.00 bis 16.00 Uhr | EWTO-Schule St. Blasien |
Anmeldung bitte schriftlich an:
EWTO
Kennwort: SensoryAwareness
Postfach 110322
69072 Heidelberg
oder per Fax: +49 6221 7262650