Täterprofile – Der Stalker Wenn Geschenke und Schmeicheleien bedrohlich werden …
Stalking bedeutet „heranpirschen". Stalker sind Jäger. Wenn sie Lunte gerochen haben, nehmen sie die Verfolgung auf. Typische Stalking-Handlungen sind: Telefonterror, Briefe, SMS, Kontaktaufnahme über Dritte, Herumtreiben in der Nähe, Zusendung von Geschenken, Auflauern, Verfolgen, Wohnungseinbruch, Erkundungen des Tagesablaufs bzw. aller Gewohnheiten der Betroffenen bis hin zu körperlichen Bedrohung. Erst wenn der Terror seinen Höhepunkt erreicht, wird Stalking als Straftatbestand erkannt. Vorher können Geschenke und permanente Liebesbekundungen von der Polizei nicht wirklich ernst genommen werden.
Erkenne deinen Gegner – befreie dich von seiner Kraft
Stalker sind meistens keine Unbekannten: der Expartner, der Arbeitskollege, der Nachbar oder ein Bekannter aus dem engen Umfeld. Auch Prominente sind betroffen. Stalking-Verhalten haben die meisten von uns schon (oft in harmloserer Form) mitbekommen. Laut Statistik haben mindestens zehn Prozent diese Erfahrung selbst gemacht. Das ständige Nachstellen des Expartners sind leider alltägliche Angelegenheiten, die als „irgendwie normal" gesehen werden. Meistens sind die Wurzeln für Stalking in der Beziehung zu dem betreffenden Menschen zu finden.
Im Jahr 2004 gab es in Wien eine Konferenz zu „Stalking". Dort wurde zwischen Rache-, instrumentellem Stalking und Stalking infolge von häuslicher Gewalt unterschieden. In dieser Hinsicht ist die von Pat Mullen und seinen KollegInnen vom australischen Victorian Institute for Forensic Psychiatry entwickelte Typologie interessant. Sie unterscheiden fünf Stalker-Typen:
Der zurückgewiesene Stalker
Größte Gruppe (50%)
Meist Ex-Partner
Oft Motivations-Mix aus Wut und Wiederannäherung
Glauben, dass das Opfer sie provoziert
Auch Rachegefühle infolge narzisstischer Kränkung
Der beziehungssuchende Stalker
Fehlwahrnehmung von Beziehung
Ignorieren/Uminterpretieren von Feedback des Opfers
Idealisieren des Opfers, „Verehrertypen"
Oft isolierter Lebensstil des Täters
Opfer kann als Partner/Freund/ Elternfigur gewünscht werden
Unempfindlich gegenüber Abwehr
Der attackierende Stalker
Täter fast immer männlich
Stalking ist Vorstufe zur Gewalttat (Ausspähen, Macht-Phantasien, Üben)
Häufig sexuelle Gewalttat
Opfer bemerken Stalking nicht
Täter manchmal Defizit bei sozialem Beziehungsnetzwerk (Einzelgängertypen)
Der rachsüchtige Stalker
Das Opfer steht für Unrecht, das dem Täter vermeintlich angetan wurde
Täter wollen Ohnmacht in Macht wandeln
Opfer soll Angst und Verzweiflung spüren
Täter fühlen sich berechtigt, zu stalken; sehen sich selbst als „Opfer", das Vergeltung übt
Der erotomane, morbide, krankhafte Stalker
Meist psychopathische Persönlichkeit, häufig paranoide Störung
Motivation: Kontrolle/Dominanz
Opfer als „Jagdobjekt"
Subtile Stalking-Techniken
Nach einer Darmstädter Studie, bei der 551 Opfer und 98 Täter untersucht wurden, stellte sich heraus, dass die Verfolgten durchschnittlich 28 Monate litten. 40 Prozent der Stalker sind Wiederholungstäter. Die meisten Stalker haben ihr Elternhaus als kühl und distanziert wahrgenommen. In seinen Beziehungen stellt er sich als Kontrollmensch heraus. Er hat Angst, dass die Beziehung auseinandergeht. Er setzt Machtmittel ein, um die Beziehung zu erhalten.
Zentral geht es beim Stalking um Macht und Ohnmacht. Karin Spacek vom 24-Stunden-Frauennotruf meint hierzu: „Für die Täter stellten Machtausübung und Kontrolle jene zentralen Elemente in der Beziehung dar, durch die sie eine Stärkung ihres Selbstwertes erfahren haben. Die Trennung bedeutet in solchen Fällen Macht- und Kontrollverlust und Schwächung des Selbstwertgefühls. Deshalb lässt sich Psychoterror auch nicht durch ein klärendes Gespräch abstellen. Jede weitere Abweisung birgt das Risiko in sich, dass die Vernichtungsgefühle und Kontrollbedürfnisse beim Täter verstärkt werden. In extremen Fällen kommt es dann nicht nur zu körperlichen Angriffen, sondern kann sogar in der Ermordung des Opfers enden." (Konferenzbericht „Stalking", Wien 2004)
Viele Stalking-Betroffene wissen nicht, dass sie mit ihren Reaktionen dem Stalker neue Nahrung geben. Eine negative Beachtung ist dem Stalker lieber, als gar nicht wahrgenommen zu werden. Stalker suchen eine „Beziehung" zu ihrem Opfer. Das kann sehr einseitig aussehen. Was der Stalker als „Liaison" definiert, kann vom unverbindlichen Anlächeln bis hin zu Angstreaktionen der Angebetenen reichen: „Solange sie noch etwas für mich empfindet … auch wenn sie Angst vor mir hat – schließlich bedeutet das ja, dass sie noch Empfindungen für mich hat –, solange habe ich noch Einfluss auf den Menschen, der für mich einfach überlebenswichtig ist." (zitiert aus John Douglas, „Mörder aus Besessenheit")
Erkenne dich selbst – befreie dich von deiner Kraft
Stalking ist ein Handlungsergebnis zweier Personen: Betroffene/r und Täter. Beide bilden ein System wie Schlüssel und Schloss. Der Stalker fährt aufgrund „passender" Signale mit seinen Angriffen fort. Stalking resultiert aus einer Opfer-Täter-Beziehung. Es ist ein Kreislauf, den es zu durchbrechen gilt. Dazu gehört die Selbstwahrnehmung der eigenen Opfersignale bzw. der eigenen Ohnmacht, die den Stalker anzieht.
Verhandele nicht mit deinem Gegner! Die Kommunikation mit dem Stalker muss direkt mit ihm und in unmissverständlicher Sprache mit klaren Forderungen ablaufen. Das setzt eine gleichberechtigte Gesprächsebene und eine selbstbewusste Erscheinung voraus. Rechtfertigungen, Entschuldigungen oder längeres Verhandeln seitens der Betroffenen können als Opferverhalten gedeutet werden und nach hinten losgehen. Über ein „Nein" sollte nicht verhandelt werden!
In den BlitzDefence-Rollenspielen ist der geeignete Raum, unmissverständliche Botschaften auszusprechen und langfristig Selbstbewusstsein aufzubauen. Im Stalkingfall ist es dringend anzuraten, sich sowohl als Täter als auch als Betroffene/r in professionelle Hilfe (Frauennotruf, Weißer Ring, Stalking-Beratungsstelle) zu begeben. Rechtliche Möglichkeiten gibt es mit dem Gewaltschutzgesetz.
Die Darmstädter Psychologen Voß und Hoffmann kommen in ihrer Stalker-Studie zum Ergebnis: „In knapp zwei Drittel der Fälle gaben die Stalker in Folge der Anzeige ihr Verhalten auf. Allerdings ist bei derartigen Maßnahmen auch immer zur Vorsicht zu raten, da bei bestimmten Rahmenbedingungen eine Eskalation des Falles in Folge einer offensiven Intervention auftreten kann." Mehr dazu auch im Artikel Teil 3 Gerichtsurteile und BlitzDefence „Du entkommst mir nicht" (WTW Februar 05).
Wer im Rahmen der EWTO mehr über Frauenselbstverteidigung erfahren will, dem/der rate ich zu den entsprechenden Ausbilder/innenseminaren von Sabine Mackrodt und Emanuel Kellert sowie dem Buch „Verteidige Dich! – Selbstverteidigung für Frauen".
Text: Oliver C. Pfannenstiel, 3. TG