Sicherheit

Schlecht geschützter Verkehr

Du sitzt auf dem Nachhauseweg im Bus und es steigen unangenehme Fahrgäste ein. Sie belästigen Dich mit nervtötend lauter Handymusik und pöbeln andere an.

Wer in Berlin nachts regelmäßig mit dem öffentlichen Nahverkehr unterwegs ist, fühlt sich schnell belästigt. Zwar ist in Berlin gegenüber 2007 die Zahl der Übergriffe in Bussen und Bahnen nicht deutlich angestiegen, aber dafür hat sie sich um 40 Prozent bei den Sachbeschädigungen erhöht und Angriffe gegenüber Personen werden immer brutaler.

Nach den Kontrolleuren sind Busfahrer die Mitarbeitergruppe, die am ehesten Übergriffen ausgesetzt ist. Bis Oktober 2008 zählte die Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) 91 Vorfälle, die die Busfahrer betrafen. Dabei wurden 35 von ihnen schwer verletzt. Die Anlässe hierfür sind meistens nichtig.

Fälle wie die folgenden sind typisch für die Aggressivität, mit der insbesondere Jugendliche auftreten: So filmte ein 16-Jähriger im vergangenen Oktober seinen 14-jährigen Kumpel, wie er nach einer Anpöbelei dem 49-jährigen Nachtbusfahrer ins Gesicht schlug. Da rund ein Drittel der Berliner Busse inzwischen mit Videokameras ausgestattet sind (bei den Straßenbahnen sind es ein Viertel und bei den U-Bahnen 35 Prozent), konnten die beiden Täter wenig später von der Polizei als „Bekannte“ identifiziert werden. Doch muss die BVG  aus Datenschutzgründen die Filme stets nach 24 Stunden löschen. Daher bleibt nicht viel Zeit für eine Anzeige bzw. eine Auswertung der Bänder.

Ein anderes Beispiel von einem Samstagabend im November zeigt ein ebenfalls typisches Bild, wie Busfahrten im unangenehmen Fall erlebt werden. Eine Gruppe von fünf Jugendlichen beschmierte das Oberdeck eines Busses mit Farbstiften. Als der Busfahrer sie durch Lautsprecher aufforderte, das zu unterlassen, schlug einer der Randalierer dem 50-Jährigen ins Gesicht und flüchtete zusammen mit der Gruppe.

Nicht nur das Personal wird angepöbelt und tätlich angegriffen. Auch als Fahrgast wird man zu nächtlichen Zeiten – insbesondere am Wochenende – mit geballter Alkoholisiertheit und Aggression mancher Heranwachsender in Bus- und Bahnlinien konfrontiert. Da es am billigsten ist, sich dort zu verabreden, bevor man in die Disko geht, wandeln sich nächtens manche Linien zu fahrenden Kneipen, in denen geraucht und geschluckt wird – und das unter den Augen von Wachschützern; denn auf die schlecht bezahlte Security kann man sich im öffentlichen Nahverkehr nicht immer verlassen.

Bei der BVG sind aktuell etwa 60 Wachschützer einer privaten Firma für insgesamt zwei Mill. Euro pro Jahr im Einsatz. Sie selbst erhalten einen skandalösen Lohn von bis zu 4,60 Euro pro Stunde. Wer hält dafür schon seinen Kopf hin? Allzu schnell sind Waffen im Spiel: Messer oder Teleskopstöcke. Ich selbst habe schon mehrfach miterlebt, wie die Wachschützer dezent weggesehen haben, wenn Jugendliche in Bus und Bahn herumpöbelten, sich sogar entfernten. Seitens der Busfahrer ist auch nicht immer die nötige Übersicht zu erwarten. Die Polizei wird von ihnen nur in seltenen, „schwerwiegenden“ Fällen gerufen.

Um das Sicherheitsgefühl der Fahrgäste zu erhöhen, soll zukünftig die Anzahl der Security-Mitarbeiter verdoppelt werden, wenn das Land mehr Geld hierfür bereitstellt. Doch heißt das zwangsläufig mehr Sicherheit selbst? Oftmals sind die Wachschützer nicht gut ausgebildet. Zwar werden Security und Fahrern Gewaltpräventionskurse angeboten. Doch erschöpfen diese sich meistens in den üblichen Standardkommunikationsfloskeln und sind nicht von ausreichender Dauer.

In Städten wie beispielsweise in Bremen ist das anders. Dort gab/gibt es Kooperationen mit der örtlichen WT-Schule. In Berlin hingegen gab es bisher keine Kooperation der BVG mit WT-Schulen. Insbesondere Kostengründe für die Fortbildung werden hier als Gründe angeführt. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Situation ändert und die EWTO-Gewaltprävention auch hier zum Tragen kommen kann; denn letztendlich sollte das gesamte Personal und insbesondere der Wachschutz gut ausgebildet werden, um im öffentlichen Nahverkehr für mehr Sicherheit zu sorgen. Die EWTO-Gewaltprävention beinhaltet hierfür ein durchdachtes Konzept. Ein regelmäßiger WT-Unterricht für Wachpersonal sollte obligatorisch sein, um im Ernstfall effektiv Nothilfe leisten zu können.

Am besten wäre es natürlich, wenn sich jede/r selbst um die eigene und die Sicherheit anderer kümmert. Nichts gibt Dir mehr Sicherheit als Du selbst!

 

Text: Sifu Oliver C. Pfannenstiel, 4. TG