Opferschutz und häusliche Gewalt – Teil 3
Es sollte inzwischen allgemein bekannt sein, dass die meisten Gewaltdelikte nicht auf der Straße, sondern in den heimischen vier Wänden stattfinden. Die Zahl der sexualisierten Gewaltfälle ist sehr hoch. Nicht nur die Häufigkeit der Fälle erschreckt, sondern manchmal auch der Umgang der Justiz mit Sexualstraftätern.
Die Kinder- und Opferhilfe „Augen auf“ e.V. berichtet von milden Urteilen, die ein weiterer Schlag ins Gesicht für die Opfer sind. So erhielt z.B. ein Mann aus Weilheim im Sommer 2000 wegen Missbrauchs an mehreren Kindern 19 Monate zur Bewährung, damit er seine Pensionsansprüche nicht verliert. Ein 25-jähriger Vergewaltiger, der ein 13-jähriges Mädchen geschwängert hatte, kam im März 2001 nur mit einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren davon. Im Mai 2001 erhielt ein 40-jähriger Notarzt wegen einer Vergewaltigung an einer durch Medikamente betäubten 28-jährigen Studentin 18 Monate zur Bewährung, so der Verein „Augen auf“.
Auch wenn diese Urteile demotivierend auf die juristische Auseinandersetzung wirken, so gibt es zumindest im Falle häuslicher Gewalt eine Reihe von behördlichen Maßnahmen, die vorläufigen Schutz versprechen und der betroffenen Frau (oder auch dem betroffenen Kind) Luft verschaffen, sich an professionelle Hilfe zu wenden.
Es gibt bundesweit Fraueneinrichtungen und zudem geschulte Polizistinnen bzw. gemischte Teams bei der Polizei, die sich der Opfer sexueller Gewalt annehmen und sie betreuen.
Nach der Bund-Länder-Arbeitsgruppe („Rahmenbedingungen für polizeiliche/gerichtliche Schutzmaßnahmen bei häuslicher Gewalt“ vom 18.06.2002) stehen den betroffenen Frauen eine Reihe Maßnahmen zur Verfügung, die die Polizei zu ihrem Schutz unternehmen kann. Sie sind durchdacht und sollten gegebenenfalls eingefordert werden, falls die Behörden nicht konsequent genug reagieren.
Sobald die Polizei in Verdachtsmomenten häuslicher Gewalt verständigt wird bzw. es Hinweise darauf gibt, muss sie ein Strafverfahren einleiten. Dabei ist es unerheblich, ob die betroffene Frau (oder auch das betroffene Kind) Anzeige erstattet oder nicht. Entscheidend ist ein Anfangsverdacht, den die Polizei im Falle einer Gefahrenbeseitigung (auch in nicht gravierend erscheinenden Situationen) vor Ort äußert. Sie ist zudem zur Beweissicherung und Dokumentation verpflichtet. Das schließt z.B. eine behutsame Befragung der Kinder und Nachbarn mit ein.
Mit der Novellierung des Gewaltschutzgesetzes aus dem Jahre 2002 (siehe auch die WTW-Online-Artikel über Stalking) soll der polizeiliche Wohnungsverweis berücksichtigen, dass die betroffene Frau aufgrund ihrer psychischen Situation nicht immer in der Lage ist, juristische und persönliche Konsequenzen aus ihrer Situation zu ziehen. Der Zeitfaktor spielt hier eine große Rolle, um Abstand und Ruhe vom gewalttätigen Mann zu bekommen. Erst in einem zweiten Schritt kann der Kontakt mit dem Frauennotruf bzw. eine Beratung erfolgen. Das Gericht hat im Rahmen des Gewaltschutzgesetzes die Möglichkeit, mit einem Wohnungs- bzw. Platzverweis eine zivilrechtliche Schutzanordnung zu treffen. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe schreibt hierzu: „Schutzanordnungen müssen den vielfältigen Gefährdungs- und Bedrohungssituationen der jeweiligen Frau in ausreichendem Maße Rechnung tragen. So sind insbesondere die verschiedenen Orte und Gelegenheiten, an denen sich die Frau außerhalb der Wohnung aufhält (z.B. Arbeitsplatz, Kindergarten, Einkauf, Freizeit), zu berücksichtigen und ggf. in die Kontakt- und Näherungsverbote einzubeziehen.“ Das muss von der Polizei regelmäßig überprüft werden.
In diesem Zusammenhang ist mir in Berlin die Arbeit einer polizeilichen Arbeitsgruppe bekannt, die bei betroffenen Frauen auch einmal (unauffällig) bei ihrem Arbeitsplatz vorbeischaut.
Weiterhin sieht die Neufassung des §1361b Abs. 2 BGB vor, dass der verletzten oder bedrohten Person „in der Regel“ die gesamte Wohnung zur alleinigen Benutzung zu überlassen ist, so die Arbeitsgruppe. Entscheidend ist aber die selbstbestimmte Auswahl der Betroffenen von Schutzangeboten.
Dabei müssen finanzielle Schäden im Vorfeld minimiert werden. Im Falle eines Frauenhausaufenthalts können Leistungen des Bundessozialhilfegesetzes auf den Plan gerufen werden. „Auch wenn diese Kosten einen angemessenen Umfang überschreiten, müssen sie nach geltendem Recht so lange übernommen werden, wie der Hilfesuchenden eine Senkung nicht möglich oder zuzumuten ist.“, so die Arbeitsgruppe.
Sind Kinder betroffen, so greifen die Schutznormen des Kindschaftsrechts. „Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl eines Kindes durch eine solche missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge gefährdet, so hat das Familiengericht die zur Abwehr der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen (§ 1666 BGB)“ schreibt die Arbeitsgruppe. Das gilt auch für psychische Gewalt, wenn z.B. das Kind die väterliche Gewalt an der Mutter miterleben muss.
Die behördlichen Maßnahmen im Falle von Kindern ähneln ansonsten denen bei betroffenen Frauen. Näheres soll in einem der nächsten WTW-Artikel beleuchtet werden.
Fazit
Es stehen eine Reihe behördlicher Maßnahmen zur Verfügung, um häusliche Gewaltsituationen zu entschärfen. Das Wissen darüber kann den Schritt dazu erleichtern, aus gewalttätigen Beziehungen auszusteigen.
Auch eine WT-Schule hat Möglichkeiten, Hilfestellungen gegen häusliche Gewalt zu geben. Ich rate deshalb jeder WT-Schule, mit dem lokalen Frauenhaus in Kontakt zu treten und nach Möglichkeit Angebote für Selbstbehauptungskurse zu machen.
Diese sollten in (personeller) Zusammenarbeit mit der Einrichtung stattfinden und gut vor- und nachbereitet werden.
Wer in diesem Zusammenhang bzw. über Gewalt an Mädchen und Frauen mehr erfahren möchte, der/dem rate ich zu den entsprechenden Seminaren von Sabine Mackrodt und Emmanuel Keller (BlitzDefence-Frauen-Ausbilder/innen-Seminare).
Der Autor ist kein Jurist. Alle o.g. Angaben erfolgen ohne juristische Gewähr.
Text: Oliver C. Pfannenstiel (3. TG)