Sicherheit

Missbrauch: Wie schütze ich mein Kind?

In der Sendung BRISANT vom 22.10.2008 stellte Martin Greif, Ausbilder an der WingTsun-Akademie in Hannover, Kids-WingTsun vor. Dazu erschien der folgende Beitrag.

Ein Erwachsener spricht ein Kind auf dem Spielplatz an. Ein Mann lockt ein Kind in sein Auto. Als Lockmittel fungieren beispielsweise erdachte Notsituationen oder Süßigkeiten. Viele Eltern reden mit ihren Sprösslingen über derartige Situationen und glauben, ihr Kind würde da nie mitgehen. Eine Übung zeigt: Darüber zu reden, reicht bei weitem nicht aus!

„Hey Kleine, komm mal her. Ich habe zwei Katzenbabys und die Mutter ist weggelaufen. Kannst du mir zeigen, wo der nächste Tierarzt ist?“ Die Ideen, Kinder zum Mitkommen zu bewegen, sind vielfältig.

Es dauert nur ein paar Sekunden. Alina bleibt nicht einmal genug Zeit, um zu schreien, schon hat der Mann sie ins Auto gezerrt. Doch die Zehnjährige hat Glück. Sie kennt den Mann. Das Ganze ist nur eine Übung. „Beim nächsten Mal denk bitte an Folgendes, wenn dich jemand aus dem Auto anspricht: Nicht mit dem Mann reden! Zwei Schritte rückwärts gehen, damit er dich nicht greifen kann und dann ganz schnell weit wegrennen“, erklärt Martin Greif. Er ist Trainer an der WingTsun-Akademie in Hannover.

Die Kinder stark machen

WingTsun ist eigentlich eine chinesische Kampftechnik. Doch dafür sind die Kinder oft noch zu klein. Im Alter zwischen fünf und zehn Jahren wird ihnen erst einmal Selbstbewusstsein beigebracht. Die Kinder sollen lernen, zu sagen, was sie wollen. Sie sollen lernen, im Fall des Falles laut um Hilfe zu schreien. Auch ein paar kleine Tricks, wie sie sich selbst verteidigen können, werden ihnen beigebracht. „Stellen Sie sich vor, wie ein siebenjähriges Mädchen von einem erwachsenen Mann gepackt wird. Das hat so viel Angst in dem Moment, dass es überhaupt nicht mehr weiß, was es machen soll“, sagt Martin Greif. Deshalb sei es enorm wichtig, vorher präventiv zu arbeiten und die Kinder mit regelmäßigen Übungen auf die Situation vorzubereiten.

Die Verlockung ist groß

Immer wieder versucht der Ausbilder, die Kinder irgendwie in sein Auto zu locken. Alle wissen eigentlich ganz genau, dass sie auf gar keinen Fall einsteigen dürfen. Der achtjährige Georgius ist seit einem halben Jahr in der Schule. Die Übung hat er schon zwei Mal mitgemacht. Und trotzdem passiert es. Auf die Aussage hin, seine Mutter hätte sich die Beine gebrochen und er solle mit ins Krankenhaus fahren, steigt er ein. Er ist so verunsichert, dass er erst auf dem Rücksitz merkt, was er falsch gemacht hat. Bei David klappt es schon besser. Im Auto sitzend spricht Martin Greif den Sechsjährigen an. David steigt nicht ein, vergisst aber dennoch wegzulaufen. „Er hätte gleich im Vorfeld so weit zurückgehen müssen, dass er nicht in die Reichweite meiner Arme kommt, dass ich ihn gar nicht greifen kann“, erklärt Martin Greif. „Nur ist das für ein kleines Kind eben schwer. Es wird ihm etwas angeboten – in dem Fall war es ein ganz tolles Computerspiel, das Neueste, was auf dem Markt ist – natürlich ist jeder Junge in einem Zwiespalt.“

Der Schreck sitzt tief

Die Trainingsmethode der WingTsun-Akademie wurde zusammen mit Psychologen und der Polizei entwickelt. Indem die Kinder erschrecken, sollen sie lernen, später mit unerwarteten Situationen besser umgehen zu können. „Ich halte die Belastungen für die Kinder in diesem Alter zwar für relativ hoch – sie erschrecken darüber, etwas falsch gemacht zu haben und werden in das Auto hineingezerrt – aber bezogen auf das Trainingsziel für zumutbar“, sagt Kinderpsychologe Gerd Kuznik.

Ein Jahr Übung nötig

Auch Alina ist ein paar Mal im Auto gelandet, bevor sie gelernt hat, wie es richtig geht. Jetzt ruft sie: „Hilfe, Feuer!“ Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Leute darauf schneller reagieren als beispielsweise auf Rufe nach der Polizei. Alinas Vater ist stolz auf seine Tochter. Vier Jahre Training geben nicht nur ihm Sicherheit. „Früher war ich schüchtern und jetzt nicht mehr. Ich bin selbstbewusster und besser in der Schule geworden“, sagt Alina.

Die Erfahrung zeigt, dass Kinder erst nach etwa einem Jahr üben verstehen, dass sie bei allen Fremden vorsichtig sein sollen – ganz egal, was sie von ihnen wissen wollen oder ihnen anbieten.