Escrima

Kettenhemdbau leicht gemacht – was Studenten so in ihrer Freizeit tun

Wie man bereits im letzten Monat im Bericht über die EWTO-Schule Hannover List/Groß Buchholz sehen konnte, hatte ein Ritter zur Eröffnung seine Aufwartung gemacht.
Was dort nicht zu lesen war: Sein Kettenhemd entstand in langer, manchmal recht mühsamer Eigenarbeit. Im folgenden Interview sollen die Beweggründe für dieses Handarbeitsprojekt aufgezeigt werden und außerdem die Möglichkeit, wie man sich „leicht“, für wenig Geld ein eigenes, kleidsames Kettenhemd kreieren kann. Kai hat sich bei Ritter Dominik einmal danach erkundigt.

Kai: Nun, nachdem wir alle beim Tag der offenen Tür das Endprodukt sehen konnten, tauchten immer wieder Fragen zu seiner Entstehung auf. Wie kamst du eigentlich auf die, mit Verlaub, verrückte Idee, Dir ein eigenes Kettenhemd bauen zu wollen?

Dominik: Ich habe auf Mittelaltermärkten, z.B. dem Sehusafest in Seesen, immer wieder Recken in Kettenhemden gesehen und dachte mir, dass ein eigenes Kettenhemd schon etwas hätte. Jedoch war es mir erheblich zu teuer, eins fertig zu kaufen. Die Preise für unbedenkliche Ware (nicht aus Indien), liegen in etwa bei 600 bis 1000 Euro. Und so war es bis zur Idee, mir selbst ein Kettenhemd anzufertigen, nur ein kleiner Schritt, als ich zuhause eine Rolle Draht in die Finger bekam und mich damit beschäftigte.

Hast du dafür eine spezielle Anleitung benutzt oder hast du einfach drauflos gearbeitet?

Ich fand nach kurzer Internetrecherche die Seite www.kettenhemd.net, auf der sich eine wirklich exzellente Anleitung mit Bildern befindet. Die Seite ist für Leute, die vorhaben sich ein Kettenhemd selbst zusammenzubiegen, ein echt guter Tipp!

Wie lange hast du für die Herstellung deines Kettenhemdes etwa gebraucht?

Insgesamt ungefähr vier Monate. Zwischendurch musste ich zwei Monate pausieren, weil es mit den Händen nach anderthalb Monaten, die daran durchgearbeitet habe, echt nicht mehr ging.

Wie viele Stunden hast du in das Projekt investiert?

Ich habe pro Woche ungefähr fünf Stunden an sechs Tagen in der Woche an dem Bau gegessen.

Wurde dir nicht dabei langweilig? Wo hast du die ganze Zeit hergenommen?
Die Zeit habe ich mir dafür einfach genommen. Anstatt mich mit Computerspielen zu beschäftigen, ließ ich einfach einmal meine handwerklichen Fähigkeiten spielen. Nebenbei habe ich allerdings sehr viele Filme geschaut oder besser gehört. Die Extended-Version von der „Der Herr der Ringe“ kenne ich seitdem mehr oder weniger auswendig.

Herr der Ringe ist ja ein sehr passender Film. Du hast eingangs gesagt, dass dir ein gekauftes Kettenhemd zu teuer war. Wie viel musstest du denn an Materialkosten für dein Hemd aufbringen?

Ich habe 25 kg geglühten Eisendraht mit 1,8 mm Durchmesser gekauft. Der ist aber bisher nicht komplett aufgebraucht. Der Materialpreis lag bei 55 Euro.

Wie hast du denn die Ringe aus dem Eisendraht hinbekommen?

Die Ringe habe ich mittels einer selbstkonstruierten Drehmaschine, einer freundlichen Person, die sie drehte, einem Paar Schutzhandschuhen und einer normalen Bohrmaschine hergestellt. Damit habe ich die Ringe aufgedreht und hinterher mit einer Drahtschneideschere – sehr zu empfehlen, wenn man in eine solche Massenproduktion gehen will, da im Vergleich zu einem Seitenschneider vier Ringe auf einmal mit geraden Kanten geschnitten werden können –geschnitten.
Danach habe ich die Ringe grob zusammengebogen. Als Nächstes dann jeweils vier Ringe gleichzeitig zusammengebogen und dann diese vier Ringe mit einem weiteren Ring zu einer so genannten Quinte zusammengefügt. Nachdem man genügend Quinten hat, verbindet man diese wieder miteinander und erhält so ein immer größeres Stück „Stoff“. Für das genaue Schnittmuster möchte ich nochmals auf die Seite obengenannte Internetseite verweisen.

Du sagtest, du hast 25 kg Draht gekauft. Wie schwer ist dein Kettenhemd eigentlich im fertigen Zustand?

Es wiegt 18 kg und besteht aus ca. 24 000 Ringen. Wenn ich die komplette Ausrüstung trage, kommen noch 6 kg für die Kettenhaube dazu und das Gewicht des Gambesons und des Schwertes.

Wozu nutzt du dein Kettenhemd und wie schützt du es vor Rost?

Ich lagere das Kettenhemd in einer Glasvitrine auf einer Schaufensterpuppe, wobei es immer gut geölt sein muss. Wenn ich es auf mittelalterlichen Märkten trage oder bei WingTsun-Schuleröffnungen guter Freunde, dann transportiere ich es in einer gut geölten Wolldecke. Durch das Tragen entrostet es sich aber auch selbst.

Hast du einmal ausprobiert, ob es dich wirklich vor Schlägen bzw. Hieben schützt?

Mit einem entsprechenden Gambeson (ca. 1 kg) unter dem Kettenhemd schützt es vor Schnitten und absorbiert in einem gewissen Rahmen auch die Aufprallenergie der Schwerthiebe, so dass lediglich ein blauer Fleck entsteht.

Was ist ein Gambeson?

Das ist ein gestepptes, wattiertes Gewand, das unter der Ritterrüstung getragen wurde, um vor Quetschungen und Hautabschürfungen zu schützen. Experimente der Association for Renaissance Martial Arts haben übrigens belegt, dass das Gambeson vor Schwerthieben guten Schutz bietet, aber nicht vor Stichen.

Mottenlöcher bekommt das Kettenhemd doch sicherlich nicht, oder?

Die nicht, allerdings kommt es vor, dass nach dem Tragen einige Ringe fehlen. Meistens unter den Achseln durch die Bewegung. Also müssen gelegentlich einige Ringe nachgearbeitet werden, um die Löcher zu stopfen.

Hast du schon ein nächstes Projekt?

Ja,  mein nächstes Projekt sind Kettenhandschuhe. Da möchte ich die Kettenglieder einfach auf Lederhandschuhe aufbringen. Sind übrigens schon in Arbeit.

Danke, dass Du meine Fragen beantwortet hast und weiterhin viel Spaß als Herr der Ringe.

Text: Interviewer: Kai Kalbreier 1. TG Escrima, 2 TG WT
         Herr der Ringe: Dominik Nentwich, 5. SG Escrima
Fotos: WT-Schule Hannover List-Großbuchholz/hm