Sicherheit

Im Rausch der Gewalt (Teil 3)

Im vergangenen Teil 2 ging es um die Problematik des Alkohols. Im Fokus dieses Beitrages stehen nun illegale Drogen wie Kokain, Crack, Speed, Crystal, etc. Sie stehen oft im Zusammenhang mit Alkoholkonsum. In welcher Weise sie im Zusammenhang mit Gewalt stehen, will dieser Beitrag beleuchten.

Die Auswirkungen

Anders als beim reinen Alkoholkonsum können zusätzlich bestimmte illegale Drogen die Aggressionsbereitschaft erhöhen. Diesbezüglich war im ersten Teil dieser Beitragsreihe die Rede von unterschiedlichen Bereichen der Drogenkriminalität. Diese sollen anhand pharmakologisch bedingter Gewalt, Beschaffungskriminalität und der Gefügigmachung von Opfern näher beleuchtet werden. Damit will ich einen Einblick in die Bedeutung bestimmter illegaler Drogen für die Gewaltproblematik geben. Auf die gesundheitlichen Nebenwirkungen der genannten Drogen kann ich aus Platzgründen nicht eingehen.

Pharmakologisch bedingte Gewalt: Wie oben bereits erwähnt, folgen auf den Alkohol die entsprechenden Stimulanzien – Kokain, Crack (Cocainhydrochlorid) und Amphetamine wie Crystal. Nicht selten wird ein ganzer Giftcocktail konsumiert. Neben dem Alkohol und der Droge nimmt man in vielen Fällen unbekannte Streckstoffe zu sich (Paracetamol, Strychnin, Lidokain, Acetylsalicylsäure etc.).

Einer Schweizer Studie zufolge sind Alkohol und Kokain die Drogen, die Aggression am meisten steigern. Danach kommen Benzodiazepine; meist im Zusammenhang mit Opioiden. An nächster Stelle finden sich Sedativa mit einer tendenziell autoaggressiven Wirkung. Das Schlusslicht bilden Amphetamine (im Mischkonsum mit anderen Drogen) und eher selten Phecycledin (PCP).

Täter senken mit diesen Mitteln enorm ihre Hemmschwelle für Gewalt. Denn der Konsum solcher Drogen kann Stimmungen verursachen, die eine Gewaltbereitschaft extrem fördern: Überheblichkeit, Erregbarkeit, Wahrnehmungsstörungen, Reizbarkeit, vermindertes Schmerzempfinden, Enthemmung, Paranoia und starke Stimmungsschwankungen. Aggressionsmindernd hingegen sind Drogen wie Cannabis und Opiate. Drogen wie Heroin (Diacetylmorphin) oder LSD spielen hier ebenfalls eine untergeordnete Rolle. Allerdings ist ein Zusammenhang zwischen Reizbarkeit in Verbindung mit Entzugserscheinungen sowie zwischen psychischen Problemen und einer Zunahme der Gewaltbereitschaft vorstellbar.

Die pharmakologisch bedingte Gewalt trifft man sowohl in den heimischen vier Wänden wie auch samstagabends in Clubs an. Es gibt auch Cliquen von jungen Männern, die sich gezielt betäuben, um ihre Aggressionen auszuleben. Auch in Hooligankreisen wird dieser Mix konsumiert. Die Gegner sind mithilfe des Drogencocktails sehr aggressiv und relativ schmerzunempfindlich. In einer Notwehrsituation sollte man besonders auf die Organe wie Nieren und Leber zielen, um sie außer Gefecht zu setzen.

Ansonsten können solche Täter häufig auf den Schutz der Rechtsprechung zählen, die ihnen aufgrund des Drogenkonsums eine verminderte Zurechnungsfähigkeit bescheinigt und sie damit ein Stückweit aus der Verantwortung entlässt. Etwas anders ist es, wenn anstatt „nur“ Körperverletzung das Delikt des „Raubes“ oder eines größeren Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz vorliegt. Das finden wir vor allem im folgenden Aspekt.

Beschaffungskriminalität: Hier geht es um die Kriminalität im und um das Drogenmilieu. Sie steht in erster Linie mit der Drogenbeschaffung und der Kontrolle des Marktes im Zusammenhang. Dabei geht es vor allem um die Gewalt als Kontrollstrategie des „eigenen“ Reviers.

Als „Außenstehende/r“ bekommt man diese Strukturen höchstens am letzten Ende der Verkaufskette mit: Wenn sich Straßendealer z.B. in Parks und auf Kinderspielplätzen herumtreiben oder Junkies Einbrüche oder Überfälle begehen.

Was Letztere betrifft, so begehen nicht alle Konsumenten, die von teuren Drogen abhängig sind, Straftaten aus wirtschaftlichen Gründen. Vielmehr versuchen sie, ihren Konsum an ihre finanziellen Mittel und am Drogenpreis auszurichten. Sie wollen ihr reguläres Einkommen (Sozialleistungen, Erwerbstätigkeit, Verpfänden von Eigentum) erhöhen oder Ausgaben vermeiden, die z. B. Wohnung, Kleider oder Essen einschließen. Das soll heißen: Nicht jeder Drogenabhängige ist kriminell. Aber er steht mit einem kriminellen Milieu in Verbindung, in dem Gewalt eine wichtige Rolle spielt. Hier gilt das Recht des Skrupelloseren. Die Gruppe der „Big Bosse“ der Drogendealer ist soziologisch nur wenig erforscht. Sie wollen lieber im Hintergrund bleiben. Nur durch das übliche Protzgehabe mit teuren Autos fallen sie auf. Ein klassisches Klischee ist der junge Dealer, der offiziell von Harz 4 lebt und einen S-Klasse-Cabriolet oder einen BMW fährt. Auch wenn sich dieses Bild nicht verallgemeinern lässt, so trifft man es (zumindest in Berlin) an.

Die „kleinen Dealer“ hingegen handeln relativ offen mit ihren „Waren“. In Berlin trifft man sie in kleinen Gruppen unter anderem in den U-Bahnen oder in öffentlichen Parks. Die Drogen tragen sie nicht direkt am Körper, sondern sie befinden sich in unmittelbarer Nähe. In der Hauptsache fallen Dealer weniger wegen Gewalttätigkeit sondern mehr wegen des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz auf. In letzter Zeit gab es einige U-Bahnrazzien, bei denen die Dealer letztendlich wegen der geringen Mengen laufen gelassen wurden. Doch die Strategie der Razzien scheint nicht aufzugehen, um das Problem mit dem Dealen in Griff zu bekommen. Da es über viele Jahre immer dieselben Orte (Bahnhof Zoo, Kottbusser Tor, U-Bahn-Linie 7 und 8, Hasenheide, Weinbergpark, etc.) sind, an denen Heroin, Crack und andere illegale Drogen verkauft werden, liegt es nahe, dass sich die Polizei manchmal in Erinnerung rufen und die Szene im Blick behalten will, anstatt sie an andere Orte zu vertreiben. Ich bin der Meinung, dass es in anderen Städten ähnlich ist und jeder aufmerksame Mensch mitbekommt, wo sich die jeweilige Drogenszene befindet. Subtiler hingegen ist der Aspekt, Menschen mit Drogen zu manipulieren bzw. gefügig zu machen.

Gefügigmachen: mittels dieser Drogen. Dass dieser Aspekt inzwischen eine hervorgehobene offizielle Erwähnung findet, ist relativ jung in der Auseinandersetzung um Drogenkriminalität. Zwar gab schon immer die Strategie von Tätern, insbesondere bei Frauen K.O.-Tropfen einzusetzen, um sie sexuell gefügig zu machen. Mit Hilfe psychoaktiver Substanzen soll das Opfer handlungsunfähig werden. Aber dieser Einsatz von illegalen Drogen gegen Opfer hat wohl in den letzten Jahren zugenommen. Deshalb ist es (insbesondere für Frauen) ratsam, sich nicht auf jeden Drink einladen zu lassen bzw. das Getränk nicht aus der Hand des unbekannten Verehrers zu nehmen. Ebenso sollte man misstrauisch sein, wenn jemand eine Frau (z.B.) aus einem Club trägt, die ohnmächtig / abwesend wirkt. Am besten ist es, einen Notarzt zu rufen bzw. zusammen mit Zeugen ermitteln, ob es ein „falscher“ Begleiter ist.

Um Gefügigmachung durch Abhängigkeit geht es im Bereich der Prostitution. Hier ist fast die Hälfte aller Prostituierten drogenabhängig (vielleicht ist die Dunkelziffer sogar höher). In der Regel hat es biografische Gründe (sexuelle Gewalterfahrungen zu Hause), dass 14- bis 16-jährige Mädchen in die Drogenszene abrutschen und dann zur Geldbeschaffung auf den Strich gehen. Für diese Frauen ist es sehr schwer, aus dem Milieu auszusteigen. Denn ihre Abhängigkeit wird von den Dealern (Zuhältern) ausgenutzt. Und trotz vielfacher Behandlungsansätze erfahren sie nur wenig professionelle Unterstützung von außen, um ihre Belastungen und traumatischen Erlebnisse zu bewältigen. Sprich: In den vergangenen Jahren wurden vielerorts Mittel für entsprechende Einrichtungen gestrichen.

Fazit

Bei den so genannten psychopharmakologisch bedingten Straftaten vermischt sich der Konsum von Alkohol und illegalen Drogen. In diesem Sinne ist Alkohol bei Gewalttaten meistens ohnehin im Spiel. Wir sollten als WT-Lernende und Lehrende davon ausgehen, dass unsere Gegner meistens unter Drogeneinfluss stehen.

Doch in welchem genauen Wechselverhältnis diese Drogen mit Gewalt stehen, darüber streiten sich die Experten. Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EBDD) schreibt hierzu:

„Für den Zusammenhang zwischen Drogen und Kriminalität wurde eine Reihe von Erklärungsmodellen vorgeschlagen: Kriminalität verursacht Drogenkonsum; Drogenkonsum verursacht Kriminalität; Drogenkonsum und Kriminalität korrelieren dadurch, dass sie gleichzeitig auftreten; Drogenkonsum und Kriminalität werden durch eine Reihe anderer Variablen hervorgerufen und haben eine gemeinsame Ursache. In der Praxis ist jedes dieser Modelle in manchen Fällen zutreffend und lässt sich auf bestimmte Untergruppen der Gruppe der Drogen konsumierenden Straftäter oder auf bestimmte Arten von Drogendelikten anwenden. Es darf nicht vergessen werden, dass der Zusammenhang zwischen Drogen und Kriminalität dynamisch sein kann und sich auch bei ein und derselben Person im Laufe der Zeit verändern kann.“

Dabei gibt es keinen klaren Nachweis, welche Substanz genau kriminogene Eigenschaften besitzt. Ich gehe davon aus, dass bei den Tätern stets ein kriminelles bzw. gewaltbereites Potenzial vorhanden ist, das mit Hilfe der Drogen abgerufen wird. Denn die Gleichung Drogenkonsum = Gewaltbereitschaft ist zu simpel. sie ist wissenschaftlich nicht haltbar.

Klar sollte es hingegen sein, dass man stark betäubte Gegner nicht unterschätzen sollte. Die Nähe zum Drogenmilieu muss man auch nicht suchen. Ebenso wenig ratsam ist es, von Fremden aus der Hand einen Drink anzunehmen. Und vor allem sollten wir daran denken, dass unser Gegner, statistisch gesehen, meistens unter Drogen wie z. B. Alkohol steht. 

// Sifu Oliver C. Pfannenstiel, 4. TG