Im Rausch der Gewalt (Teil 1)
Es ist eine Forderung der Natur, dass der Mensch mitunter betäubt werde, ohne zu schlafen; daher der Genuss im Tabakrauchen, Branntweintrinken, Opiaten.
Johann Wolfgang von Goethe, Maximen und Reflexionen
Der Begriff "Droge" leitet sich vom niederländischen "Droog“ ab, das „trocken“ heißt. Gemeint sind damit bestimmte getrocknete Pflanzen, wie sie in den holländischen Kolonien angebaut wurden.
Drogen (wie Alkohol und Mohn) gibt es nachweislich seit 6000 Jahren; vielleicht sogar schön länger. Es sind Substanzen, die Stimmungen, Gefühle und Wahrnehmungen beeinflussen und zu Abhängigkeit führen können. Der Übergang von Drogen zu Genussmitteln ist fließend, wie man unschwer am Zucker oder Kaffee erkennen kann. Das starke Bedürfnis, Drogen regelmäßig zu konsumieren, wird als Sucht bezeichnet. Sucht stammt nicht von „suchen“ ab. Auch, wenn der/ die auf der Suche nach etwas ist, das sie/er im eigenen (nüchternen) Alltag nicht zu finden glaubt. Der Begriff stammt vom Mittelhochdeutschen suichen. Das bedeutet „siechen.“ Im Englischen kennt man „sick“.
Drogengesellschaft
Die Drogenkultur besitzt in unserer Welt einen festen Platz; in einer Grauzone zwischen legalen „soften“ und illegalen „harten“ Drogen. Es gibt kaum Unterhaltungsmusiker, die „clean“ sind. Viele ältere Menschen sind heimlich Tablettenabhängig. Alkohol ist gesellschaftlich hoch anerkannt. Nikotin hingegen wird mit der neuesten Gesetzgebung zunehmend zurückgedrängt. Illegale Drogen wie Heroin, Kokain oder Crystal sind nach wie vor leicht erhältlich. Man muss lediglich einen Berliner Stadtpark wie die Neuköllner Hasenheide oder in Mitte den Weinbergpark aufsuchen. Dort stehen mehr Dealer herum, als Jogger unterwegs sind. Die Polizei weiß das, ist aber machtlos gegen sie. In anderen Städten ist das auch nicht viel anders. Wer an Stoff herankommen will, weiß in der Regel, wo er ihn bekommen kann. Die Gesellschaft ist bezüglich der Drogenpolitik gespalten. Die einen sind für die Freigabe „weicher Drogen“ wie Marihuana, die anderen propagieren härtere Strafen für den Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Doch in Griff hat man das Problem nicht. Denn seit Jahren kursieren zahlreiche peppige Flyer für Jugendliche, wie sie am besten mit illegalen Drogen (z.B. „Partydrogen“) umgehen. Damit soll zumindest von offizieller Seite her Schadensbegrenzung geleistet werden. Man versucht es mit Aufklärung und verweist auf etwaige gesundheitliche Folgen sowie auf Drogenkriminalität.
Dabei sind nicht alle (legalen) Drogen per se „schlecht“. Der Umgang mit ihnen ist nur fragwürdig. Dazu gehört insbesondere die Verquickung von Drogenkonsum und Gewalt. Immerhin standen im Jahre 2006 bei 168.535 im gesamten Bundesgebiet aufgeklärten Fällen von Gewaltkriminalität die Täter in 48.974 Fällen (ca. 30%) unter Alkoholeinfluss. Über die tatsächliche Zahl, wie viele (nicht aufgeklärte und nicht gemeldete) Übergriffe unter Drogeneinfluss stattfanden, kann man nur spekulieren.
Drogenkriminalität
Dieser Begriff ist unter Fachleuten umstritten. Man versucht ihn mit unterschiedlichen Erklärungen zu fassen zu bekommen: Kriminalität schafft Drogenkonsum, Drogenkonsum erzeugt Kriminalität, beides taucht gleichzeitig auf, beides besitzt eine gemeinsame Ursache, etc. Nach einer Studie von P.J. Goldstein (‘The drugs/violence nexus: a tripartite conceptual framework’) „führen Drogen aufgrund einer Kombination des psychopharmakologisch bedingten, des wirtschaftlich bedingten und des systembedingten Modells zu Gewalt. Auch wenn dieser Ansatz nicht alle möglichen Zusammenhänge zwischen Drogen und Kriminalität abdeckt, bietet er doch einen hilfreichen konzeptuellen Rahmen für die Analyse der Drogenkriminalität“, so die Europäische Beratungsstelle für Drogen und Drogensucht. Demnach lässt sich die „Drogenkriminalität“ in vier Bereiche unterteilen, die sich nicht immer glasklar voneinander trennen lassen:
- Psychopharmakologisch bedingte Straftaten: Straftaten, die unter dem Einfluss psychoaktiver Substanzen infolge eines akuten oder chronischen Konsums begangen werden.
- Straftaten aus wirtschaftlichen Zwängen: Straftaten, mit denen Geld (oder Drogen) für den Drogenkonsum beschafft werden.
- Systembedingte Straftaten: Straftaten, die im Rahmen illegaler Drogenmärkte begangen werden und die mit dem Drogenhandel und dem Konsum von Drogen im Zusammenhang stehen.
- Verstöße gegen Drogengesetze: Straftaten, die gegen die Drogengesetzgebung (und andere damit zusammenhängende Gesetze) verstoßen.
In dieser Beitragsreihe geht es zentral um den ersten Bereich: psychopharmakologisch bedingte Straftaten. Dieser besagt, dass der „akute“ und „chronische“ Konsum von Drogen Aggression und Gewalt zur Folge haben kann.
Auswirkungen können beispielsweise sein: „Erregbarkeit, Reizbarkeit, Angst / Paranoia, Enthemmung, extreme Stimmungsschwankungen, Wahrnehmungsstörungen und eine Beeinträchtigung des Urteilsvermögens, die alle kriminelles Verhalten auslösen können. Es ist auch wichtig, in diese Kategorie Straftaten aufzunehmen, die auf den Drogenkonsum des Opfers zurückzuführen sind. Derartige Straftaten bleiben häufig unbeachtet, da sie nicht immer angezeigt werden.“, so die oben genannte EU-Beratungsstelle. Das will heißen, dass es auch um Gewalt gegen beispielsweise alkoholisierte Menschen geht oder diese durch Drogen erst gefügig gemacht werden.
Gewalt als chemisches Problem?
Man darf sich bei dem Thema Drogenkriminalität nicht zu sehr an den Substanzen an sich orientieren, wie sie genau wirken, welche Gehirnregionen sie stimulieren und wie Verhalten mit Chemie gekoppelt sein könnte.
Denn wer es ganz genau wissen will, wie bzw. ob Gewalt durch bestimmte Substanzen hervorgerufen wird, dem/der kann keine klare Antwort gegeben werden. Zu vielfältig sind die Zusammenhänge von Drogen und Gewalt. Denn ginge es dabei nur um ein rein chemisches Problem, das lediglich nur mit einem Gegenmittel bewältigt werden könnte, könnten wir es mit relativ wenig Aufwand lösen. Anstatt Selbstverteidigung wie WingTsun zu erlernen und zu unterrichten, würden wir dann mit entsprechenden Pillen sowie Blasrohren mit Gegenmittel-Pfeilen hantieren.
Demnach geht es um einen Mix aus Drogen, individuellen Eigenschaften und Umgebungsfaktoren (z.B. Kultur, Elternhaus, Schule, Arbeit), die auf mögliche Ursachen des Problems hindeuten. In diesem Sinne will sich der nächste Teil mit Alkohol und Gewalt aus unterschiedlichen Blickrichtungen auseinandersetzen.
// Sifu Oliver C. Pfannenstiel, 4. TG
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