WingTsun

Ich bin wieder da!

05.11.2010 – Nach über 10 Jahren wieder Privatunterricht bei SiFu!
Nach mehr als acht Jahren des Ausstiegs habe ich nun wieder neu zum WingTsun gefunden! Ich hatte mich zum Teil verleiten und abwerben lassen. Ja, und Neugier war auch dabei, die Neugier, mich bei anderen umzuschauen.

So bin ich eigene Wege gegangen, die mit dem WingTsun der EWTO nichts mehr zu tun hatten. Unter anderem habe ich mich im Bereich des energetischen Heilens entwickelt und Erfahrungen gesammelt.

Aber dann hielt ich die Trennung vom WT nicht mehr aus: Ich schrieb SiFu einen langen Brief, dass ich zurück wolle, und ich beschrieb ihm alles, was so passiert war, im Einzelnen. Dabei ging es auch um das Aufarbeiten der eigenen Vergangenheit und besonders um die Gründe, weshalb ich die EWTO verlassen hatte.
Daraufhin schlug SiFu mir vor, bei ihm einige Stunden Unterricht zu nehmen und erst dann wieder einzusteigen. Wir fanden auch einen geeigneten Termin, der es mir erlaubte, mich etwas vorzubereiten.
Da mein letzter Unterricht mit SiFu etwa zehn Jahre zurücklag, wollte ich mich so vorbereiten, wie ich es damals tat. Ich fing an, die Formen zu üben, und wie früher viel für meine Kondition zu tun. „Okay“, dachte ich, „wenn es losgeht, nach so langer Zeit, soll es auch nach was aussehen.“ Wenn es dann heißt: „Mach‘ mal die Form!“, wollte ich nicht wie ein totaler Anfänger dastehen.
Aber es kam ganz anders! Ich wurde erst einmal so herzlich begrüßt und in den Arm genommen, dass es mir die Sprache verschlug. Ich hatte ein kleines „Bestechungsgeschenk“ mit, das ich dann erst einmal überreichte, und SiFus Dank erntete.

Wir redeten kurz, und es ging irgendwie sofort los. SiFu demonstrierte mir mit einem Schüler, was er sehen wollte. Aber was war das?
Es sah ganz anders aus als das, was ich kannte. Da war keine große Wendung mehr, kein fester Bong- oder TanSao, der in der Luft stand und in Winkelgraden gemessen wurde. Es war alles viel weicher und flüssiger – und wesentlich schneller. Ja, und dann hatte ich zunächst das Vergnügen, die Wand, die Ecken und die Treppe aus allen möglichen Positionen kennen zu lernen… SiFu forderte mich immer wieder auf, ihn mit aller Kraft anzugreifen, aber er blieb unerreichbar.
SiFu erklärte mir nun, was sich geändert hatte, und ich kapierte sehr schnell, warum sich da etwas ändern „musste“!
SiFu musste die WingTsun-Prinzipien neu anwenden; denn die Gefahrensituation auf unseren Straßen veränderte sich: Mehrere Angreifer, Tritt zum Kopf, wenn man am Boden ist, Messer…
Was sagt das Motto? „Wir müssen uns der Veränderung des Gegners anpassen, indem wir uns mit ihr verändern!“
SiFu sagte, er habe nicht WT verändert, er habe nur die Bewegungen angepasst. Wenn er sich gegen einen Marsmenschen mit drei Armen und drei Beinen verteidigen müsste, würde SiFu dieselben Prinzipien anwenden, aber die Bewegungen würden anders aussehen. Das Wichtige im WT sind aber nicht die sichtbaren Bewegungen, sondern die unsichtbaren Prinzipien. Die lernte er von seinem SiFu und sie ändern sich nie!
Wer SiFu kennt, der weiß, dass er alles, was herumliegt, als Hilfsmittel nimmt. So machte ich die Bekanntschaft mit seinem Schrubber, dem Brett, dem Messer, das da lag, einem Bügel. „Ja, und natürlich mit Deinen Händen, SiFu!“
Die ganze Abwehr, die keine ist, und der Angriff, den man nicht mehr kommen sieht, alles geht heute um so vieles schneller, lässt dem Angreifer kaum die Möglichkeit, seinen Angriff neu auszurichten und ist somit den alten Lösungen bei weitem überlegen.
Für mich neu: Die Art der Gleichzeitigkeit oder mehr als nur Gleichzeitigkeit, da nicht nur die Arme sich gleichzeitiger (!) bewegen, sondern der Körper sich dabei auch irgendwie in sich verschiebt und nicht nur in einem Stück wendet.
So entstehen für mich neue Gedanken. Die alten Worte und Begriffe, die wir schon lange benutzen, haben neue, weiter reichendere Bedeutungen erlangt. Was dann richtig „spaßig“ wurde, als wir den DjamSao in diesem Sinne benutzten. Das Aufladen der Hände hat mich schon sehr begeistert!

Als dann die Zeit um war, war ich etwas enttäuscht, dass es so schnell ging. Ich hätte noch lange so weiter machen können. Na ja, ich freue mich schon aufs nächste Mal.

SiFu lud mich dann in sein Stamm-Café ein und wir unterhielten uns noch sehr ausgiebig darüber, was sich im WingTsun der neuen Zeit anpassen musste; dass die Theorie und Prinzipien, die SiFu von seinem Meister Leung Ting lernte, unantastbar sind wie die Formen; was in den acht Jahren alles passierte; was die alten Bekannten machen; was ich im Einzelnen machte.
SiFu  kam im Jahre 2.000, nachdem er den 10. Großmeistergrad erhalten hatte, durch eigenes Tun, Forschen und Infragestellen auf neue Ideen. 
Er machte sich von einengenden Stilfragen frei. Heute,  11 Jahre später gibt es für ihn nur die Wissenschaft des Kämpfens, und er kennt keine Stile, nur zwei Bewegungsarten: Stoßen und Ziehen. Unerreichbar sein für die Angriffe des anderen und die eigenen Angriffe unausweichlich sein für dessen Abwehren. Das Ganze mit müheloser Lässigkeit. Nur darum geht es SiFu heute.

Ja, ich bin wieder da! War wohl nie wirklich weg!

SiFu, danke für Alles!

Text: Manfred Hinrichs
Fotos: privat