Training gegen Überfälle
In der letzten Zeit werde ich immer wieder auf die Vorfälle in der Sylvesternacht in Köln angesprochen. Die allgemeine Meinung ist: „Da kann man ja nix machen. Selbstverteidigung oder speziell WingTsun hilft da auch nicht mehr.“
Ich bin da ganz anderer Meinung. Ich werde in diesem Editorial das Thema einmal ausführlich erörtern.
In der EWTO haben wir mit BlitzDefence ein probates Mittel zur Selbstverteidigung im Falle des männlichen Ritualkampfes. Hier geschieht die Annäherung meist in Phasen:
- Blickkontakt
- Rhetorische Phase
- Zeigen/Schubsen
- wilde kurvige Angriffe (Heumacher)
- Treten auf den am Boden liegenden Gegner (entartete Phase)
Diese hat Prof. Keith R. Kernspecht schon vor Jahren beschrieben. Aber nicht nur beim männlichen Ritualkampf, auch bei Übergriffen auf Frauen sehen die Phasen in den meisten Fällen so oder ähnlich aus. Zumindest die ersten beiden Phasen kommen dort meist ebenfalls vor.
Dann geht es darum, in frauenspezifischen Situationen (Übergriffe von Männern) die Eskalationssituationen zu trainieren und zu unterbinden, nach dem Motto: „Grenzen ziehen, Grenzen bewachen, Grenzen verteidigen.“ (siehe Bericht von Sifu Sabine Mackrodt im Magazin „WingTsun-Welt“ Nr. 39 und Buch von Prof Keith R. Kernspecht und André Karkalis „Verteidige Dich3“).
Wenn sich aber jemand entschließt allein oder im Rudel über jemanden herzufallen, dann nennen wir das nicht mehr „Ritualkampf“ oder „Übergriff“, sondern „Überfall“.
Auf einen Überfall kann man sich schlecht bis gar nicht vorbereiten. Dennoch hat die EWTO spezielle Programme, mit denen die Schülerin bzw. der Schüler von Anfang an lernt, ihre/seine Chancen in solchen Situationen massiv zu steigern.
Hier geht es aber nicht um einzelne Techniken, sondern um Reaktionen. Der Mensch verfügt von vornherein über sogenannte Schreck-Reaktionen. Wenn jemand zum Beispiel einen hohen Schrank öffnet und ihm von oben etwas entgegenfällt, reißt er instinktiv die Arme über den Kopf. Warum sollte man solche Reaktionen nicht verwenden, um sich im Falle eines Überfalls zu schützen?
Es werden deshalb nicht einzelne Techniken eingeschliffen, sondern wir trainieren, dass z.B. beim Verlust des Gleichgewichts infolge eines Stoßes, wie man es sofort wieder erlangt, während man sich gleichzeitig schützt und dann den oder die Gegner blitzartig da angreift, wo es besonders viel Schaden anrichtet (Augen, Hals, Genitalien).
Dies wird zuerst mit speziellen Trainingsmethoden aus den EWTO-Programmen konditioniert. Für Fortgeschrittene kommen spezielle ChiSao-Übungen hinzu, die auch gegen mehrere Gegner geübt werden.
Es werden also keine Techniken, sondern schnelle Reaktionen und Fähigkeiten trainiert!
Wichtig ist:
- Ständig in Bewegung bleiben und den Bewegungsfluss aufrechterhalten. Ein
bewegtes Ziel wird schlechter getroffen. - Ständig vitale Punkte angreifen. Locker bleiben – auch unter Druck!
- Wer sich verkrampft, bleibt stehen.
- Balance behalten. Auch das muss geübt werden!
- Timing: sich schützen und dennoch wirksam Angriffe austeilen.
Der Rest ist Trainingsmethodik: zum Teil mit großen Schlagpolstern, mit Hilfe von einem oder mehreren Partnern, mit vielfältigen Übungen zum Thema.
Wer nun einwenden mag: „Aber gegen 50 Angreifer hat selbst der beste WingTsun-Kämpfer (außer er heißt Donnie Yen und spielt Yip Man im Film) keine Chance“, dann hat er Recht. Aber (!): Ich bin mir sicher, dass Frau (und Mann), wenn richtig und wirksam trainiert wurde, mit massiver Gegenwehr mehrere Gegner so verletzt,
- dass sie später von der Polizei wieder gefunden werden – da sie sich ärztlich behandeln lassen müssen.
- dass meist die anderen Gegner dann ihren Angriff einstellen, wie Berichte von Frauen nach der Köln-Nacht gezeigt haben: „Erst als ich mich massiv körperlich wehrte, hörten die Angreifer auf.“
Es ist außerdem erwiesen, dass Opfer, die sich körperlich gewehrt haben, einen Übergriff psychologisch besser verarbeiten können. Oft geben Opfer, die sich nicht körperlich wehrten, sich selbst die Schuld und leiden ein Leben lang an diesen Schuldgefühlen.
Euer GM Oliver König