Editorial

Die Freude am WingTsun

Anfang des Jahres hatte ich eine durch Verletzung entstandene Nervenentzündung, die mich länger pausieren ließ. Körperlich ging fast nichts mehr. Viel Ruhe und Geduld waren gefragt. Gottseidank war ich bis zur großen 40-Jahr-Feier wieder schmerzfrei und dies dank der großen Hilfe von Sifu Samuel Lutz.

Sifu Lutz ist Neurophysiotherapeut und stellte mich wieder her, indem er mir Übungen zeigte, um meinen Körper wieder fit zu bekommen – vielen Dank!
 

Freude als Motivator

Meine nach fast 40 Jahren ungebrochene Freude am WingTsun hat mir wesentlich geholfen, wieder auf den Damm zu kommen. Ich wollte unbedingt baldmöglichst wieder unterrichten und selbst trainieren können. Durch die Schmerzen lernte ich, was mir gut tat und wie ich üben konnte, so dass es mir danach nicht wieder schlechter ging. Ich fand Wege des Ausführens von Bewegungen und später des Unterrichtens, die sehr sachte ausgeführt werden wollten und so funktionierte es.
 

Freude und Übereifer

Ein großer Teil meiner Freude ist das Unterrichten und der direkte Kontakt mit dem Schüler. Ich will, dass der Schüler mich spürt und dadurch lernt. Ebenso will ich den Schüler spüren, um ihm besser helfen zu können, wie er etwas ändern kann, damit es besser funktioniert.
Als Schüler ist man im Direktkontakt mit dem Lehrer oft sehr enthusiastisch und will alles super gut machen. Wenn ein Lehrer – wie ich selbst – gern mit dem Schüler persönlich übt und ihn auch an sich ausprobieren lässt, ist man dabei körperlich exponiert. Sprich, wenn der Schüler nicht die nötige Kontrolle hat, kann dies zu Verletzungen für beide Seiten führen.

Meine zwei langwierigsten Verletzungen im WingTsun stammten aus solchen Situationen. Der Unterricht ist kein Notfall-Szenario. Der Lehrer kann zwar in der Übung der Angreifer sein, doch nicht der Gegner. Entsprechend niedrig dosiert muss die Reaktion des Schülers ausfallen.

Merke: Falsch ausgeführte Bewegungen werden durch Einsatz von viel Kraft und Schwung nicht richtiger, doch sie bergen eine große Verletzungsgefahr für dein Gegenüber.

So machst du es richtig: Führe die Bewegung mit niedriger Intensität aus und lasse dich vom Lehrer ggf. im Ablauf optimieren.
 

Freude am Erspüren der Bewegung

Durch die Verletzung vom Anfang des Jahres ist es mir noch klarer geworden, dass langsames Üben einen viel weiterbringt. Man kann sich so besser spüren und ist im Jetzt. Man lernt insgesamt schneller, hat Zeit, sich zu beobachten. In den Formen und beim ChiSao z.B. merkt man besser, wie das Gleichgewicht ist oder wann es verloren geht – vielleicht nur ganz wenig, doch man spürt es schon. Es wird einem mehr bewusst, was im Körper vorgeht. Man kann, bei dieser Art zu trainieren, weniger vertuschen, sich nicht über seine Fehler hinwegtäuschen. Im Gegenteil: Diese klare Rückmeldung hilft, die Bewegung zu optimieren.
 

Freude in der Zusammenarbeit

Wie man miteinander trainiert, ist maßgeblich wichtig für den Erfolg beider Übenden. Es ist ein Zusammenarbeiten, nicht ein Gegeneinanderarbeiten. Lasst euch Zeit, die Anteile der Bewegung zu entdecken – mit Hilfe des Partners. Der Erfolg wird euch recht geben und es macht so auch mehr Spaß. Sprecht ab, was und wie ihr etwas üben wollt. Dann gibt es keine Enttäuschungen und keine Unfälle.
Selbst erlebe ich diese Zusammenarbeit in SiFus (GM Kernspecht) Unterricht. Es eröffnen sich dadurch bei mir immer neue Perspektiven. Er bringt mich auf neue Ideen und Erkenntnisse. Ich schaue alles anders an.
Und durch meine Freunde am eigenen Lernen, am fortwährenden Arbeiten an mir selbst, kommen sehr viele Erkenntnisse übers WingTsun. Diese teile ich später mit meinen Schülern. Nur so kann ich sie vollends verarbeiten und weiterentwickeln.
 

Freude daran, etwas „falsch“ zu machen

Ich merke oft, dass Schüler Angst haben, es „falsch“ zu machen. Doch: Was ist falsch oder was ist richtig? Aus meiner Sicht braucht es das sogenannte Falsche, um das Richtige zu erkennen. Es ist nur wichtig, das „Zuviel“ oder das „Zuwenig“ zu erkennen, um sich weiterzuentwickeln. Und dies wiederum geht nur durch unentwegtes Ausprobieren.
Freude ist für mich das fortwährende Üben und immer wieder Üben, das Bestreben, mich in allem, was ich tue, mich zu verbessern.
Egal, welche Schüler- oder Lehrerstufen ich unterrichte, mein Anspruch ist immer, mich selbst zu verbessern und alles auf meine Stufe zu bringen. Dadurch habe ich immer Freude am Unterrichten, und ich kann den Schüler dort abholen, wo er gerade steht.
 

Ich wünsche euch allen einen schönen Sommer und freue mich, euch nach der Sommerpause wiederzusehen.

Euer GM Giuseppe Schembri