WingTsun

Alles andere als Oedt

„WAS willst Du machen?“ „WT!“ „Was bitte?“ „WT – WingTsun“ „Was ist das denn?“ „Hmm …“

Was ist es denn nun genau? Diese Frage stellte ich mir auch, als ich mich vor etwas mehr als einem halben Jahr entschied, WT auszuprobieren. Irgendwie hatte ich schon einmal etwas gehört und auch in den Medien über WT gelesen, aber eigentlich begab ich mich völlig jungfräulich an das „Abenteuer“ WingTsun.

Todesmutig meldete ich mich zu einem zwölf Trainingseinheiten umfassenden Schnupperkursus in der WT-Schule Grefrath-Oedt an und je näher die erste Stunde rückte, desto mehr merkte ich wie meine Nervosität stieg. Gut, die letzten Jahre hatte ich nur mäßig bis gar keinen Sport getrieben, aber viele Jahre war ich ein ganz passabler Marathonläufer. Aber Kampfkunst? Ich und Kampfkunst. Schwer vorstellbar. Und was mich da wohl für „Ninjas“ erwarten mögen?

Tendenziell ging mein Mut schon eher so in die Richtung: „Na ja, vielleicht geht ja noch mein Auto kaputt und ich kann nicht zur ersten Stunde kommen.“ „So teuer ist dieser Schnupperkursus nun auch nicht gewesen, wenn ich gar nicht hingehe…“

Letztlich habe ich mich dann doch getraut und ich muss sagen, ich habe es nie bereut.
Mit gehörigen Bauchschmerzen parkte ich meinen Wagen vor der WT-Schule, stockte noch einmal ganz kurz (ja, ich gebe es zu) und betrat schließlich die Schule.
Mich empfing eine total angenehme Atmosphäre, richtig nette Leute und all meine Zweifel und Ängste waren wie weggeblasen.

Ein so gar nicht ninjamäßig aussehender Typ kam auf mich zu, begrüßte mich freundlich und stellte sich mir als Sihing Volker Pellen vor. „Si-… was? Na ja, ich werde es schon noch verstehen.“

Was mir besonders gut gefiel, war die Tatsache, dass ich/wir Neuen nicht isoliert, sondern in das normale Trainingsprogramm eingegliedert wurden.
Ehe ich mich versah, stand ich auch schon in einer etwas seltsam anmutenden Position: IRAS. Der WT-Stand. „Aha!“

Mich erinnerte das Ganze mehr an meine ersten Schneepflugversuche in den Achtzigerjahren auf dem Feldberg im Schwarzwald. Da schmerzten meine untrainierten Beine übrigens genauso wie jetzt nach kürzester Zeit im IRAS. Nun sollte ich mit meinen Armen auch noch komische Verrenkungen machen. Volker, ähm, Si-Hing erklärte mir, dass es sich dabei um die ersten Sätze der Siu-Nim-Tau handelte.

„Soso, Siu-Nim-Tau. Nur weiter so mit diesem Fachchinesisch. Ich verstehe ja jetzt schon nichts mehr.“

In Windeseile war meine erste Trainingsstunde beendet und für mich stand fest, dass ich wiederkomme – auf jeden Fall.

Klar, alles war neu gewesen. Das meiste hatte ich sowieso nicht verstanden. Ich hatte mich geschmeidig wie ein Roboter bewegt und ich hatte mich so wohl gefühlt wie auf dem Tanzparkett, was ich übrigens auch nicht beherrsche. Aber irgendetwas in mir fühlte sich angezogen vom WT. Ich konnte aber (noch) nicht sagen, was es war.

Mit schwerem Kopf vom Konzentrieren ließ ich den Abend auf der Couch ausklingen und wurde trotzdem nicht müde, meiner Freundin von den gemachten Erfahrungen zu erzählen.

Die nächsten Wochen und Monate „kämpfte“ ich mich durch einen Wust aus Bong-Sao, Tan-Sao und „Was-weiß-ich-nicht-für-Saos“, stöhnte häufig über meine wunderbare Steifheit und fragte mich mehr als einmal, warum mein linker Arm jetzt dies machen soll, obwohl mein rechter Arm etwas völlig anderes machen sollte. Und mein Kopf wollte das Ganze so ganz und gar nicht umsetzen. „Wirklich rosige Aussichten, wundervoll!“

Aber, oh Wunder, mit den verstreichenden Wochen regelmäßigen Trainings begann sich so manches Gelernte, zu einer Art System zusammenzufügen. Ich begann zu verstehen, warum ich jetzt dies machen sollte und jenes nicht und umgekehrt. Die anfängliche Unsicherheit begann zu schwinden und immer häufiger bemerkte ich eine gewisse Vorfreude auf die nächste Trainingseinheit.

Und ehe ich mich versah, meinte unser Si-Hing, uns reif genug für den 1. SG zu sehen. „Uns? Wenn er sich da mal nicht vertut.“ Nervös wie bei einem unangemeldeten Erdkundetest in der 5. Klasse des Gymnasiums erschienen wir zur Prüfung. Und was soll ich sagen? Es hat gar nicht weh getan – und wir haben alle bestanden. Ich würde lügen, wenn ich nicht stolz wie Oskar nach Hause gekommen wäre. Jetzt war ich schon ein ganz klitzekleines Bisschen unbesiegbar!

Zwar stehe ich erst relativ am Anfang – habe gerade den 3. SG erhalten. Aber für mich kann ich sagen, dass es die absolut richtige Entscheidung war, mit WT zu beginnen. Und – Oedt war es noch nie!!

„Hoppla, schon 19.00 Uhr. Ich muss los! Si-Hing und die Cham-Kiu warten.“
Geht doch!

Text + Fotos: Michael Schorn