WingTsun

30 Jahre EWTO

Dai-Sifu Thomas Schrön kennt beinahe jeder WT-ler. Und das nicht nur, weil er einer der Ausbilder an der EWTO-Trainerakademie ist. Er gehört auch zum EWTO-Urgestein. Vor Kurzem feierte Sifu Thomas sein 30-jähriges EWTO-Jubiläum. Der ideale Anlass, mit ihm über alte Zeiten zu plaudern.

WTW:
Sifu Thomas, warum wolltest du ausgerechnet WingTsun machen, war das damals – Ende der Siebziger des vergangenen Jahrhunderts (!) nicht sehr exotisch?

Sifu Thomas:
Klar, WingTsun war fast unbekannt. Obwohl das Saarland eine Ausnahme bildete. Es war und ist sozusagen eine Hochburg des WingTsun. Ich war damals 15 Jahre alt und von Kampfsport begeistert. Wie viele meiner Altersgenossen war ich ein großer Fan von Bruce Lee. Ich kannte natürlich jeden seiner Filme. Irgendwann erzählte mir jemand, dass es in Zweibrücken einen Stil geben sollte, der die Grundlagen von Bruce Lees Kampftechnik vermittelt. Das machte mich hellhörig und neugierig. In Zweibrücken unterrichtete damals Sifu Thomas Mannes.

WTW:
Hattest Du zu diesem Zeitpunkt bereits Kampfsporterfahrung?

Sifu Thomas:
Ich habe nur ein paar Monate Judo trainiert. Aber das hat mir nicht gefallen. Ansonsten hatte ich noch keine Kampfkunst/-sportart praktisch trainiert. Ich war begeisterter Fußballspieler. Zehn Jahre lang spielte ich im Mittelfeld.

WTW:
Und das Fußballspielen hat dir dann nicht mehr gefallen?

Sifu Thomas:

Als ich mit WT anfing, hatte ich nur noch das im Kopf.

WTW:
Fandest du eigentlich den WT-Vorkampfstand, IRAS, nicht seltsam, als Du zum ersten Mal beim Training warst?

Sifu Thomas:
Doch, und wie! Ich musste lachen. Das geht wohl jedem so, oder? Aber Sifu Thomas hat mich ganz schnell eines Besseren mit einem Inch-Punch belehrt. Das geht wohl auch jedem so!

WTW:
Du wohntest in Zweibrücken?

Sifu Thomas:
Ja, da bin ich geboren.

WTW:
Wie verlief deine weitere WT-Karriere?

Sifu Thomas:
Training, Training, Training. Immer das erste große Ziel vor Augen: die ultimative Prüfung – der 6. Schülergrad. Das war damals ein Meilenstein. Sie war berüchtigt als „Klopperprüfung“. Jeder hatte Angst davor. Mein Freund Hans-Peter Edel und ich fuhren extra nach Pforzheim zu einem Lehrgang mit Si-Fu. Lief auch alles prima, bis ich meine „Spezialfußtrittabwehr“ anwendete. Die war ganz und gar nicht, was Si-Fu sehen wollte, die war nicht WT-konform. So fiel ich leider durch die Prüfung.

WTW:

War das schlimm?

Sifu Thomas:
Ja sicher, für mich brach eine Welt zusammen. Ich hatte mich doch intensiv vorbereitet. Hatte auch alles geklappt – bis auf die Fußtrittabwehr.

WTW:
Was war das Besondere am 6. SG?

Sifu Thomas:
Danach durfte man Chi-Sao lernen.

WTW:
Wie ging es dann weiter?

Sifu Thomas:

Die Prüfung habe ich nach einiger Zeit wiederholt und ich setzte meine Ausbildung fort. Bald danach übernahm Hans-Peter Edel die Schule in Zweibrücken. Sifu Thomas Mannes ging nach Saarbrücken zurück. Hans-Peter war zwei Schülergrade weiter als ich. Wir trainierten dann gemeinsam, bis ich den 12. Schülergrad hatte. Die Prüfung auf den 12. Schülergrad war auch etwas ganz Besonderes. Damals gab es einen speziellen ganztägigen Termin auf Schloss Langenzell nur für diese Prüfung. Ich weiß noch, dass u.a. Giuseppe Schembri, Oliver König und Frank Schäfer daran teilnahmen. Jeder Prüfling musste sich von der Eingangstür des großen Trainingsraumes bis zur Tür des Ballsaales (ca. 12 m) durch die Reihen seiner angreifenden Kollegen kämpfen. Das waren so 15 bis 20 Mann. Alle durften angreifen, wie sie wollten.
Am Ende des Tages waren alle durchgefallen bis auf einen: Frank Schäfer, der hatte den Juniorbonus. Er war 14 Jahre alt.
Die nächste außergewöhnliche Prüfung war die TG-Prüfung. Die dauerte sogar zwei Tage. Si-Fu hatte da ein neues Spielzeug: seine Videokamera. Die Filme gibt es heute noch. Bei der 25-Jahr-Feier spielte er Ausschnitte vor.

WTW:
Was war das größte Highlight Deiner bisherigen WT-Laufbahn?

Sifu Thomas:
Das größtes Highlight war die Prüfung auf den 5. Praktikergrad. Es war im Jahr der Hongkongreise (1997) anlässlich Großmeister Leung Tings 50. Geburtstages, an der ich leider nicht teilnehmen konnte. Meine Freunde, wie Hans-Peter Edel, bekamen den 5. PG. Mir fiel die Kinnlade herunter, als Hans-Peter mir das erzählte. Gleich nach seiner Rückkehr rief ich Si-Fu an und bat um einen Prüfungstermin. Den bekam ich dann auch. Er dauerte vier Tage und er hat sich alles angesehen. Auch meine Unterrichtsführung. Danach ernannte er mich zu einem Meister des WingTsun.

WTW:
Du warst ganz plötzlich da als hochgraduierter Ausbilder an der Trainerakademie. Kaum einer kannte dich. Wie kam das?

Sifu Thomas:
Ich hatte WT nie hauptberuflich ausgeübt und arbeitete hauptberuflich als Ingenieur für Elektrotechnik. 15 Jahre lang arbeitete ich bei großen Konzernen. Als ich dann von Si-Fu das Angebot bekam, Lehrer an der Trainerakademie zu werden, verwirklichte ich meinen Traum, WingTsun zu meinem Hauptberuf zu machen. Das ziehe ich die nächsten 30-40 Jahre durch.

WTW:
Wie würdest du 30 Jahre WT in einem Satz zusammenfassen?

Sifu Thomas:

Veränderung aufgrund von Veränderung der Veränderung – das ist WingTsun.

WTW:
Was war das beeindruckendste WT-Erlebnis?

Sifu Thomas:
Mit Hilfe meiner Pauschalschüler lief ich einen Marathon. Hajo Lang unternahm die ersten Schritte mit mir im Wald. Ein Jahr lang bereiteten wir uns vor. Jeden Tag liefen wir (Hajo Lang, Sascha Hohl, Jimmy Hartwig, Heino Wallenwein, Thomas Dietrich u.a.) vor dem WT-Training eine Stunde lang. Krönender Abschluss dieser Zeit war die erfolgreiche Teilnahme am NLP-Marathon in Mannheim.  

WTW:
Was wünscht du dir für die Zukunft?

Sifu Thomas:
Ich freue mich auf 30 weitere Jahre in der EWTO.