BlitzDefence

Schlägerdeutsch für Fortgeschrittene

Wer kennt das nicht: ein dummer Spruch, ein Wortwechsel und dann kommt es zur handgreiflichen Auseinandersetzung. Doch wenn einem das passiert, worauf sollte man achten? Wie verhalte ich mich, wenn ich blöd angemacht werde? (Wie) redet man mit Schlägern? Hier einige Denkanstöße.

Immer wieder werde ich von WT-Schülern angesprochen, wie man am besten mit dem Gegner kommuniziert. Viele haben wenige Ideen, was sie denn beim Blitzdefence-Rollenspiel dem Gegenüber sagen sollen bzw. in welche Sätze sie ihr Trigger-Wort (das Wort, bei dem wir zuschlagen) einbetten können. Mit dem Blick auf die Bücher von meinem Si-Fu (GM Kernspecht) verweise ich auf den Pauschalsatz „entscheidend ist nicht der Inhalt, sondern wie du es sagst bzw. was deine Körpersprache dabei signalisiert.“ Wie man etwas sagt, das nennt man paraverbale Ebene. Die Körpersprache ist die nonverbale Ebene. Hier sind wir schon bei der Kommunikationswissenschaft.

Vier Ohren hören mehr

Die Wissenschaft weiß, wie sie „Dummdeutsch“ erkennt und interpretiert. Hier gibt es das in der Kommunikationsforschung gängige Vier-Ohren-Modell von Friedemann Schulz von Thun. Demnach kann man den Satz „Was willst denn du hier, du Nase?“ auf viererlei Weisen verstehen: als Sachfrage (Schwerpunkt liegt auf „was“), als Appell (Schwerpunkt liegt auf „Hau ab“), als Beziehungsfrage (Schwerpunkt liegt auf „du“) oder als Selbstoffenbarungsebene (der Fragende offenbart sich damit als Schläger)

Denn nach dem Kommunikationsschema von Schulze-Thun handelt es sich vom Gegner nicht um eine Sach- oder Beziehungsfrage sondern eher um einen Mix aus Appell und Selbstoffenbarung. Als solche sollte sie von vornherein erkannt werden.

Um mit Nietzsche die Kommunikation zu demaskieren: Entscheidend ist nicht das, was der gegenüber sagt, sondern welche Gründe ausschlaggebend dafür sind, dass und wie er es sagt. Will heißen: Erkenne deinen Gegner.

Das mag eine kleine Hilfestellung sein, aber manchmal sind der Fantasielosigkeit keine Grenzen gesetzt. Deshalb will ich im Folgenden ein paar Denkanstöße geben.

Lass’ die WT-Kraftsätze sprechen

Wenn du schräg angesprochen wirst, stellt sich die Frage, ob es hier überhaupt um ein „Gespräch“ geht. Dem Schläger ist es im Prinzip egal, was du antwortest. Er will nur herausfinden, ob er bei dir „richtig“ ist, ob du ein Opfer bist. Täter suchen Opfer.

Das Frage-Antwortspiel sollte man tunlichst vermeiden. Wer beispielsweise auf die oben erwähnte Frage „Was willst denn du hier, du Nase?“ mit „ich bin hier nur zufällig“ antwortet, kann schnell auf das Glatteis geraten. Denn damit bestimmt der Gegner das Gespräch und du stehst ihm Rede und Antwort. Aber warum rechtfertigen? Was soll man schon darauf antworten, wenn man weiß, dass es gar nicht um diese Frage geht? Rechtfertigung ist ein Akt der Unterwerfung. Man erhofft sich damit vom Gegenüber Verständnis für das eigene Handeln.

Darum: Befreie dich von deiner Kraft. Handele überlegt und bleibe bei dir. Befreie dich von der gegnerischen Kraft (2. WT-Kraftsatz): Besser ist es, gar nicht auf dumme Fragen einzugehen und mit klaren bestimmten Worten das zu äußern, was man selbst will. Denn warum soll man sich vom Gegenüber ein „Gespräch“ aufzwingen lassen? Richte die gegnerische Kraft gegen ihn (3. WT-Kraftsatz): Nimm’ seine Anmache zum Anlass und vermittele durch das, was du sagst und deine Lautstärke den umstehenden (potenziellen) Zeugen, wer „gut“ und wer“ böse“ ist. Das kann später vor Gericht hilfreich sein. Es erhöht auch die Chance, dass sich Leute einmischen. Denn ein Grund, warum viele wegsehen, mag neben der Angst vor Gewalt auch die Unübersichtlichkeit der Situation sein. Denn sobald man sich als Außenstehender in den Bedrohten hineinversetzen kann, ist es wahrscheinlicher, Anteil zu nehmen bzw. sich in irgendeiner Form einzumischen. Füge deine eigene Kraft hinzu (4. WT-Kraftsatz): Wenn du merkst, dass sich der Gegner sich von dir abwendet und z.B. versucht, andere zu belästigen, könntest du beispielsweise laut mit der Polizei drohen oder andere miteinbeziehen.

Das alles klingt nahe liegend und einfach. Aber wer nicht tagtäglich schon aus berufsgründen dazu gezwungen ist, unterschiedliche Rollen durchzuspielen (Sozialarbeiter/innen, Polizei, Lehrer/innen, etc.), der oder dem fällt es schwer, sich diese Sprache anzueignen. Hierfür bietet das Blitzdefence-Rollenspiel den Rahmen.

Fantasievoll zurückbellen

Wie gesagt, will ich niemanden Standardantworten liefern. Denn jede Situation mit allen Beteiligten sowie deren Befindlichkeiten unterscheidet sich. Hilfreich ist es aber, im Blitzdefence gerade diese Rollen zu üben, die einem nicht besonders liegen. Stille Wässerchen sollten mal richtig laut und aggressiv sein können, aufbrausende Gemüter sollten sich an der deeskalierenden Sprache versuchen. Vielseitigkeit ist gefragt. Je nachdem, was einem das Gefühl sagt, sollten mehrere Rollen „gespielt“ werden können, um damit dem Gegner im Vorfeld den Wind aus den Segeln zu nehmen. Erlaubt ist fast alles: Verwirrung, Appelle, Ablenkungsmanöver und sogar Zugeständnisse, wenn man dabei mit entsprechendem Selbstbewusstsein auftritt.

Natürlich sind die oben genannten para- und nonverbalen Ebenen Bestandteil der Kommunikation. Denn Sprache sollte stets als Einheit u.a. von Aufmerksamkeit, Ausstrahlung, Körperlichkeit, Befindlichkeit, Inhalt, Absicht, Lautstärke und Artikulation gesehen werden. Wie übt man das?

Um eine klare, laute Sprache zu üben, benutze ich im Unterricht Gehörschutz (sieht aus wie ein Kopfhörer – nur hört man nichts) und schalte zudem laute Musik ein. Dadurch werden vor allem leise Schüler gezwungen, laut zu sein. Der/die Übungspartner/in muss jeweils ein kurzes Feedback geben, wie glaubwürdig die ganze „Vorstellung“ dargestellt wird. Das ist wie in einem Sprachlabor, nur dass der Kopfhörer keiner ist und die Sprache, die man lernt, auf kurze, klare Sätze reduziert wird. Dann kann man die entsprechenden Triggerworte einbauen und das ganze in das Üben der Blitzdefence-Programme integrieren. Üben sollten vor allem „konträre“ Partner/innen, die sich gegenseitig ergänzen. Erlaubt sind die vulgärsten Beschimpfungen und lautstarke Provokationen. Man sollte sich mit „Dummdeutsch“ beschäftigen wie mit einer fremden Sprache. Sie muss ja nicht in den  Sprachgebrauch aufgenommen werden. Aber man will andere verstehen und auch selbst verstanden werden… Letztendlich darf der Blick von außen (Ausbilder/in) nicht fehlen. Und der wird sagen: üben, üben, üben…!

Sifu Oliver C. Pfannenstiel

 

Lesetipps:

GM Kernspecht: Blitzdefence

GM Kernspecht & A. Karkalis: Verteidige Dich3

Friedemann Schulz von Thun: Miteinander reden