Escrima

Magische Schwerter

Prof. Dr. Helmut Föll, Professor für Materialwissenschaften an der Christian-Albrechts-Universität Kiel, betrachtet Schwerter als Paradigma für die Metallurgie alter Kulturen.

Was ist ein Schwert?

Ein Schwert (oder Säbel, Degen, Scimitar, Tulwar, Shamshir, Yatagan, Katana, Wakizashi, ...) ist eine Waffe mit einem einzigen Verwendungszweck: Menschen gewalttätig umzubringen oder zu verletzen.

Für ein Schwert gibt es sonst keine weitere direkte Verwendung. Jedermann sollte sich immer sehr klar darüber sein.

Mann (gelegentlich auch Frau) kann und konnte reale Schwerter aber auch indirekt nutzen:

* Als Rangabzeichen (Offiziere haben zum Teil heute noch ein Schwert).

* Als Klassenausweis (Zeigt an, wer satisfaktionsfähig ist, und wer nicht).

* Als Statussymbol (Selbst als Offizier konnte man ein teures oder ein gewöhnliches Schwert mit sich herumtragen).

* Als Staatssymbol („Reichsschwert", wie auch Szepter, Krone, Reichsapfel, etc.), mit dessen Besitz auch Legitimität verbunden war.).

* Als ein Art „historisches Kunstwerk" das frühere nationale Größe oder ähnliches symbolisiert (z.B. in Japan).

* Als Geschenk (von König zu König, oder bis vor kurzem im Osten noch als eine Art Pokalersatz ).

* Als Werkzeug für den „Ritterschlag" (macht die Queen das noch?).

Schwerter sind aber mehr als nur Werkzeuge oder Symbole wie oben beschrieben. Sie sind insbesondere auch:

1. Ein Faszinosum für fast alle Männer im Altersbereich 2-80 Jahre. Überall auf der Welt. Warum? Wer weiß. Freud hätte sicher was in Richtung Phallussymbol gemurmelt; Ritter, Piraten, Musketiere oder Samurai sind in Büchern, Erzählungen und Filmen als Rollenmodelle für Jungs noch recht lebendig, mit der Verleihung eines Schwertes im Fest der „Schwertleite" wurde der Junge zum Mann, usw. – jeder und jede darf sich was raussuchen.

Wie wahr das auch heute noch ist, zeigte sich z.B. soeben an dem ungewöhnlichen Umstand, dass sämtliche Jungs in der 8. Klasse meiner Tochter sich freiwillig an einem englischen Theaterstück beteiligten (sehr ungewöhnlich!): Sie alle bekamen (Holz)Schwerter und durften damit kämpfen!

Jedes Burgmuseum hat in der Regel ein Schwert, das man anfassen darf, da die Männer einfach das Bedürfnis dazu haben (und man damit der Gefahr vorbeugt, dass sie heimlich mit einem Ausstellungsstück Unfug machen).

2. Ein Ausdruck der metallurgischen Spitzentechnik des jeweiligen Zeitalters einer Kultur.

Das ist wohl jedem (und jeder) klar: Selbstverständlich hat man für Gebrauchsschwerter die beste Technik verwendet, die es gab – hier ging es direkt um Leben oder Tod; nur das beste war gut genug.

Nicht so klar ist aber den meisten, dass die Herstellung eines Schwertes aus Eisen oder Stahl für über 2000 Jahre ungeheuerlich kompliziert war (um Größenordnungen aufwendiger als ein Bronzeschwert), und sehr häufig daneben ging.

Das liegt daran, dass die frühen Metallurgen (= Schmiede) nicht den Schimmer einer Ahnung hatten (und auch nicht haben konnten), was im System Eisen-Kohlenstoff (plus diverse Verunreinigungen) so alles möglich ist. Auch Aristoteles hat es (wie immer) exakt falsch herum erklärt, indem er Stahl als besonders reines Eisen deklarierte). Selbst heute tut sich der typische Student der Materialwissenschaft noch immer recht schwer, auch nur die Grundzüge des Eisen-Kohlenstoff Phasendiagramms zu verstehen. Der Link führt im übrigen auf den wissenschaftlichen Teil zum Thema.

Was ist ein „magisches" Schwert?

Die alten Schmiede haben – durch „trial and error" – mit den ihnen zur Verfügung stehenden Materialien und Techniken nahezu Übermenschliches geleistet: Das perfekte Schwert.

Wir könnten es heute auch nicht besser machen – mit den damals verfügbaren Materialien. Genauer gesagt, gibt es heutzutage nur sehr wenige Schmiede, die es überhaupt noch könnten. In Japan gehören sie dann zu den sogenannten „living national treasures".

Natürlich haben wir heute bessere Stähle und Techniken; und ein heutiges „optimiertes" Schwert wäre den alten japanischen, keltischen oder spanischen Klingen sicher überlegen – aber nicht viel.

Man muss sich jetzt mal kurz fragen, was denn ein Schwert „perfekt" macht. Man kommt schnell auf eine ganze Latte von wünschenswerten Eigenschaften:

Zunächst ist wichtig, dass es beim Kampf unter keinen Umständen bricht, oder sich auch nur nennenswert verbiegt. Es gibt wenig Peinlicheres (im Wortsinn), als plötzlich nur noch mit dem Heft in der Hand dazustehen!

Ein richtig dickes schweres Schwert würde zwar nicht brechen, aber auch nichts nützen; wir haben natürlich noch die Forderung nach optimalem Gewicht. Nicht zu schwer, damit man es überhaupt schwingen kann, aber auch nicht zu leicht, damit auch genügend Wucht hinter einem Schlag steckt.

Diese beiden Bedingungen legen für ein gegebenes Material sofort die nutzbare Länge fest. Deswegen sind Bronzeschwerter immer relativ kurz – würde man sie länger machen, wären sie zu schwer oder nicht mehr stabil. Die Degen der Musketiere aus bestem Stahl sind dafür besonders lang.

Das Schwert muss sehr hart sein – zumindest die Schneide, damit man „durchkommt" – durch das Schwert des Gegners, seine Rüstung, seine Knochen. Wie wichtig das ist, sieht man beispielsweise daran, dass die beiden ersten Forderungen auch durch ein Holzschwert befriedigt werden könnten (die es im übrigen auch gab, z.B. auf Hawaii).

Außerdem sollte es scharf sein, und die Schärfe auch halten können. Zwar gab es Schwerttypen (die „Breitschwerter"), bei denen Schärfe nicht primär wichtig war (es waren hauptsächlich knochenbrechende Schlaginstrumente), aber Schärfe hat auch dann noch zusätzlichen „Grenznutzen" gebracht und sicher nicht geschadet. Haltbare Schärfe setzt jedoch Härte voraus (man versuche mal ein Goldschwert zu schärfen und scharf zu halten); Härte und Schärfe gehen also zusammen.

Hart ist aber so ziemlich dasselbe wie spröde. Damit haben wir ein Problem, das Zentralproblem der Schwertschmiede:

Das Schwert soll extrem hart sein, aber gleichzeitig duktil (= das Gegenteil von spröde). Sich allenfalls elastisch etwas biegen, jedoch nicht verbiegen, und keinesfalls brechen. Erlaubt ist allenfalls eine lokale Scharte, d.h. eine lokale plastische Verformung, wie sie bei duktilem Material möglich ist. Das ist zwar schlecht, aber allemal besser als ein glatter Bruch. Man muss sich nur mal ein Glas- oder Goldschwert vorstellen, um das Problem in voller Schärfe zu sehen.

Die restlichen Anforderungen sind zwar auch wichtig, aber nicht mehr so schwierig:

Die Form soll dem Kampfstil optimal angepasst sein (Schneiden, Schlagen oder Stechen, zu Fuß oder hoch vom Pferd). Gute Balance ist wichtig (= Schwerpunkt kurz nach dem Griffstück), es soll einfach zu pflegen sein (nicht stark rostend, nachschleifbar), und gut (oder furchterregend) aussehen.

Wir können uns heute wahrscheinlich nur schwer vorstellen, welchen Eindruck zu Beginn der Eisenzeit ein gutes Stahlschwert auf Bronzeschwertträger machte, und was die Überlebenden dann für Wunderdinge darüber erzählten.

Wer sich so ein Superschwert beschaffen konnte, war gut dran! Im „finsteren" Mittelalter (ganz grob von 400-700), aus dem die „magischen Schwerter" Sagen letztlich stammen, dürften das nur die Häuptlinge größerer Verbände, vulgo Könige, gewesen sein.

Nur sie kamen entweder in den Genuss der Spitzenprodukte ihrer eigenen Schmiede, konnten sich gute Schwerter von durchreisenden „Fremdlingen aus dem Morgenland" leisten, sie den „Mohren" (= Mauren) im Kampf abnehmen. Oder sie bekamen sie schlicht von anderen Königen geschenkt.

Selbstredend waren das dann besondere, oder eben magische Schwerter.

Schon der Schmied hat bei der Herstellung Magie benutzt, der Oberhierarch erhöht mit einem magischen Schwert aus göttlicher oder mysteriöser Herkunft sein Ansehen (außerdem kann er selbstredend nicht zugeben, dass es etwas gibt, was sein Volk nicht hinkriegt), und die jeweilige theologische Schicht wird der Superwaffe, wie immer, auch ihren Segen gegeben haben.

So ein magisches Schwert unterstreicht dann auch sehr schön den damals üblichen Anspruch der Regierenden. Einmal das „von Gottes Gnaden", dann auch das „Herr über Leben und Tod".
Aber auch wenn's nicht direkt magisch war: Seinem treuen Schwert gab ein besserer Held zumindest einen Namen. Die bekannteren waren:

* Notung. Das ist Wagner's Schwert für Siegmund und seinen Sohn Siegfried; er hat das vom Nibelungenlied übernommen. Wotan persönlich hat es in eine Esche gestoßen; nur der „Richtige" kann's herausziehen. Wer's gemacht hat, bleibt (bei Wagner) unklar, es kommt wohl aber nur Donar, der germanische Hephaistos, in Frage. Notung heißt „Aus der Not geboren"

* Balmung. In der Nibelungen Saga ist Balmung das Schwert, das Siegfried aus dem zerbrochenen Notung schmiedet. Es gibt dazu aber viele Versionen (wie auch vom Nibelungenlied und den verwandten Sagen).

* Excalibur. König Arthur's magisches Schwert; das er von einer Art Meerjungfrau (Lady of the lake) erhalten hat (für die es ein Elfenschmied von Avalon gemacht hatte). Excalibur ist nicht zu verwechseln mit dem Schwert, das Jung-Arthur aus dem Stein zog. Das hatte König Uther Pendragon hineingestoßen und irgendwie war auch Magie (d.h. Merlin der Zauberer) im Spiel; es hatte aber keinen uns überlieferten Namen und ist dann auch im Kampf gebrochen. Der Name „Excalibur" hat auch eine Geschichte: In den frühesten König Arthur Sagen hieß sein Schwert Caladfwlch, ein „welscher" Name, der sich wiederum von Calad-Bolg ableitet, was „Harter Blitz" bedeutet. Später wurde daraus bei Geoffrey of Monmouth, dem Hauptautor der König Arthur Legende, „Caliburn". Das war dann die Wurzel des französischen Excalibur wie wir es heute kennen.

* Tourendal. Roland's Schwert aus der Roland Saga.

* Mimung, das Schwert, das Wieland der Schmied für seinen Sohn Wittich schmiedete (mit Hilfe der Hühner).

* Eckesachs und Nagelring waren die Schwerter Dietrichs von Bern.
* Colada und Tizona gehörten El Cid. Das Schwert Tizona ist, so weit man das wissen kann, wohl echt.

* Curtana, das Schwert Tristans (oder „Ogier des Dänenkönigs", so um 800); jetzt eines der drei Zeremonienschwerter des britischen Königshauses; siehe das Bild rechts („Variously reputed to be the sword of Edward the Confessor, Ogier the Dane, and Tristan"). Das vorhandene Schwert wurde allerdings für die Krönung von Charles II in 1661 gefertigt.

Je realer es wird, desto weniger Magie ist im Spiel; wie man es auch nicht anders erwarten würde.

Leider sind so gut wie keine Schwerter aus der Antike und dem Frühmittelalter erhalten geblieben. Der Held bekam sein Schwert mit ins Grab; falls überhaupt was übrig blieb, ist es stark verrostet.

Wirklich gut erhaltene Schwerter gibt es in Europa erst so ab 1000 n.C., gelegentlich vielleicht noch von 800 n.C. Die sind dann aber schon in einer vergleichsweise simplen Technik gefertigt und nicht mehr so „magisch" wie Excalibur oder Notung, die so um 400-700 n.C. entstanden sein werden.

In dieser Epoche des „finsteren" Mittelalters waren übrigens die Schmiede hochgeschätzt; vorher (in der Antike) und nachher (Mittelalter bis heute) sah man in ihnen nur rußige Gesellen, die allein schon deshalb minderwertig waren, weil sie, wie alle niedrigen Stände, arbeiteten – was Edelleute prinzipiell nicht tun. In den Wirren der Völkerwanderung, nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches, mussten aber wohl auch Adelige arbeiten, und niemand fand etwas dabei, wenn ein Königssohn (wie Siegfried) bei einem Schmied in die Lehre ging.