EWTO

Elefant oder Fliege?

Liebe WT-Schüler, liebe Schulleiter, liebe Kollegen, Das Problem, das uns alle über die Maßen beschäftigt und über dessen Lösung wohl nicht nur ich immer wieder tiefsinnige Grübeleien anstelle, ist ohne Zweifel folgendes: EINE FLIEGE KANN AN DER DECKE HERUMSPAZIEREN, OHNE HERUNTERZUFALLEN. ABER WARUM KÖNNEN WIR DAS NICHT?

Mit der Lösung dieses Problemes könnten wir nicht nur die Wohnungsnot in Hongkong bekämpfen, und unsere Trainingsräume doppelt nutzen, wir könnten auch zwei WT-Schulen dort zulassen, wo nur eine reinpasst. Aber wir wollen nicht vorgreifen und kehren zum Biologie-Unterricht zurück: Würde unsere Fliege zur Größe eines Menschen anwachsen, könnte sie dann weiter so elegant an der Decke rumturnen?

Nun, ihre Saugnäpfe wären tausendmal so stark wie jetzt, aber sie würde leider das Millionenfache wiegen und deshalb abstürzen und auf ihrem Insektenrücken landen und liegenbleiben wie Gregor Samsa als Käfer in Kafkas Metamorphose.
Denn unabdingbar einher mit dem Größerwerden geht auch eine Zunahme an Gewicht. Leider wird die Fliege aber nicht in gleichem Maße schwerer wie sie größer wird. Nein, so leicht macht sie es uns nicht. Während die Größe, also die Oberfläche nur im Quadrat (x2) zunimmt, steigt das Gewicht in der 3.Potenz (x3). Für unbeleckte Nichtmathematiker wie mich: Bei zweifacher Größe (Höhe) 2x2, aber vom Gewicht her: 2x2x2!). Größer werden heißt also zwangsläufig unproportional (!) schwerer werden.

Größer und schwerer werden hat die Vorteile stärker und einflussreicher und bedeutender zu werden, und mit längerem Hebelarm kräftiger zuschlagen zu können, aber als Nachteile müssen wir Unbeweglichkeit, Schwerfälligkeit usw. dagegensetzen. Kein Vorteil ohne Nachteil, so ist das Gesetz des Lebens. Einn Elefant kann nicht hüpfen!

Die EWTO ist so ein starker Elefant geworden. 1967, als sie noch Budo Zirkel hieß und ich sie im Kieler Abendgymnasium gründete, war sie ein leichter Hüpfer von einer Fliege.

Am Anfang konnte ich noch alles bis ins Letzte leiten, regeln und kontrollieren. Aber jetzt reicht der Schöpfungsstrahl schon lange nicht mehr bis in die letzte Zelle. Aber weshalb soll es mir besser gehen als mit meinem Körper? Meinen Armen kann ich noch befehlen sich und eben, meiner Faust noch befehlen sich zu ballen, den Gelenken meiner Finger noch sich zu beugen, aber mein Wille reicht nicht bis in die letzte Ader oder in die letzte Nervenzelle. Ähnlich verhält es sich mit meinen Nachrichten an die Ausbilder und Mitglieder der EWTO: mein Wort erreicht nicht mehr alle! Hier müssen neue Kommunikationswege geschaffen werden! Wäre es vielleicht besser nicht zu wachsen oder in unserem Falle zurückzuwachsen? Nein, ein Zurückwachsen gibt es nirgendwo, nur ein Schrumpfen, wie bei alten Menschen. Wachstum ist das Charakteristikum des Lebens. Was nicht mehr wächst, das beginnt zu sterben. Die EWTO wächst beständig immer weiter – und dies trotz Unkenrufe von Pessimisten und trotz törichter hausgemachter Störungen und Sabotageversuche von außen. Der Elefant wird immer größer und stärker. Und das ist gut so. Denn ein Elefant muss groß sein. Ein ausgewachsener, aber kleiner Elefant wäre ein Witz, genauso wie eine menschengroße Fliege ein Widerspruch in sich selbst wäre. Eine kleine, künstlich geschrumpfte EWTO wäre keine EWTO mehr.

Der Taoismus lehrt uns, dass das Gegenteil zu einer Behauptung oder in diesem Teil einer Strategie genau so richtig sein kann wie die ursprüngliche These.
Daraus folgt, dass Kleines ebenso gut überleben kann wie Großes. Das Kleine, weil es sich besser verstecken kann, und das Große, weil es sich nicht verstecken muss, denn es ist ja stark genug, alle Widersacher zu besiegen. Eine EWTO kann aber nur leben, wenn sie groß bleibt und wächst, denn sonst würde sie zwar weiterleben können, aber aufhören die EWTO zu sein. Wichtig ist aber, dass das Wachstum nicht nur in Richtung Quantität geht, auch die Qualität muss wachsen. Das heißt Forschung (Unistudium), Ausbildung, Image fördernde Maßnahmen, Service gegenüber den Schulleitern, verbesserte Kommunikation, Werbung usw. Mit dem Weiterwachsen ist notwendigerweise Veränderung verbunden, denn nur der bleibt sich treu, der sich verändert. Veränderung ist das Alpha und Omega des WingTsun. Ebenso wie das Survival-Gesetz Nr.1: Die Anpassung. Wir erinnern uns: Worin ein WT-Anwender wirklich schnell sein muss, das ist die Anpassung an neue Situationen. Wir müssen uns mit der Veränderung der Situation verändern. Ein Status quo-Denken ist das Gegenteil von WingTsun. Es gilt, sich ständig an die sich verändernde Lage, an den Markt und den Zeitgeist anzupassen. Nur wenn wir das können, und täglich immer aufs neue unter Beweis stellen, sind wir trotz Größe und Gewicht anpassungsfähig und flexibel!
Als Nächstes brauchen wir eine Bestandsaufnahme der Ist-Situation, um neue Ziele zu fassen. Da sind alle Schulleiter zur Zusammenarbeit gefragt. Wir müssen unter anderem über andere Wege der Fortpflanzung nachdenken, denn die einfache Zellteilung greift nicht mehr. Vor 25 Jahren war es mein erklärtes Ziel, in jeden größeren Ort eine WT-Schule zu pflanzen, dieses Ziel war schon vor einigen Jahren übererfüllt, nun müssen wir unsere Ziele verändern, damit auch der Nachwuchs seine Chance hat. In der Natur ist jede Zelle nahezu gleich groß, der Elefant hat keine größeren Zellen als die Maus – nur viel mehr davon. Wir können aber – anders als die anderen Tiere – in die Zukunft planen, und wir können bewusst unsere Zellen vergrößern. Mit Hilfe unserer Experten, und niemand hat davon mehr als die EWTO, und auf die Erfahrungswerte unserer erfolgreichsten Schulleiter aufbauend, müssen wir die Zukunft nicht wie das Schick-Sal auf uns zukommen lassen, sondern wir können sie zum Mach-Sal machen und selbst schaffen! Die EWTO ist zu groß geworden, als dass ich sie noch alleine und ohne die Hilfe der Schulleiter und Experten lenken könnte. Deshalb ist jeder Schulleiter hiermit aufgefordert, mit uns auf den künftigen Schulleitertreffen persönlich die neuen Ziele und damit den Kurs für die nächsten Jahre zu bestimmen. Die EWTO, das seid Ihr, das sind wir alle und – gemeinsam sind wir stark!

 

Keith R. Kernspecht