EWTO

Internationaler Lehrgang 2017 – Strategie statt Technik

Vor fast genau vier Wochen begannen drei Tage voller Aktion beim Internationalen Lehrgang 2017. Zeit für einen kleinen Rückblick darüber, was die Pfingsttage in Hockenheim zu bieten hatten.

Am Pfingstsamstagmorgen begann das bunte Treiben. Bevor es richtig losging, zunächst einmal zur Anmeldung. Schulleiter, die bereits am Freitag zum Leadership-Kongress angereist waren, hatten den Vorteil, dass sie die Formalien schon dort hatten erledigen können und jetzt mehr Zeit zum Ausschlafen oder für ein ausgiebiges Frühstück hatten.

Um 9:00 Uhr wurde der Lehrgang eröffnet: Begrüßung, ein paar Hinweise zum Ablauf – und schon konnte es losgehen. Alle strebten zu den von ihnen gewählten Einheiten.

Viele mussten nicht weit gehen und blieben gleich im großen Saal der Hockenheimer Stadthalle, um dort bei Großmeister Giuseppe Schembri die Formen neu zu erarbeiten. Dieses Mal stand nämlich nicht der technische Ablauf auf dem Programm, sondern wie man durch strategisch kluges Lernen am meisten aus den Formen für sein Bewegen ziehen kann. Da gab es eine Menge Aha-Erlebnisse – nicht nur bei den Schülergraden. Auch Meister erlebten die Formen zum Teil auf eine neue Art und Weise: als Übungsraum und Bereicherung für ihr iWT. Im Laufe des Tages folgten dann bei GM Schembri noch Einheiten zu den Themen ChiSao, LatSao, Mitfließen und wie man mit Widerstand umgeht. Diese Themen wiederholten sich an den folgenden Tagen, so dass jeder Gelegenheit hatte, alle Themen bei GM G. Schembri – einige natürlich entsprechend der Graduierung zu besuchen.

So war es in diesem Jahr für angehende - und Meister zum ersten Mal auf dem Internationalen Lehrgang möglich, ihr Langstock- und Doppelmesserprogramm zu trainieren und sich weitere wertvolle Tipps zu holen. Bislang war dies dem Waffenlehrgang am Ostermontag und Kleingruppen oder Privatstunden vorbehalten.

Auch bei den anderen Dozenten wurden die Themen jeden Tag wieder aufgegriffen, so dass die Teilnehmer/innen nichts verpassen mussten.

Bei den Großmeistern Oliver König und Thomas Schrön wurden unter den Oberbegriffen BlitzFight und BlitzDefence Grappling- und Stand-up-Techniken, Drills für Schlag- und Trittkraft auf den verschiedenen Niveaus geübt, ein Anti-Überfall-Progamm und Selbstverteidigungsstrategien am Boden vorgestellt. Hier gab es sozusagen Technik für die Routine und Strategien fürs Überleben im Doppelpack. In der eigens dafür mit Matten ausstaffierten Mehrzweckhalle herrschte die ganzen Tage reger Betrieb – zur Verwunderung von GM O. König besonders in der letzten Einheit am Tag. Ein dazu befragter Teilnehmer gab die klärende Antwort: „Hier ist Auspowern und Action angesagt. Das gleich in den ersten Einheiten am Tag und man wäre für den Rest zu kaputt gewesen und hätte dort nichts mehr mitbekommen. Deswegen habe ich mir diese letzte Einheit des Tages ausgesucht. Anschließend ab unter die Dusche und ins Bett fallen. Aber am nächsten Morgen bin ich dann wieder voll fit.“ Das nennt man dann wohl Strategie …

Großmeister Keith R. Kernspecht hatte dann davon noch viel mehr zu bieten. In seinem Unterricht standen sowohl Lern- und im Weiteren Kampfstrategien im Vordergrund. Durch das von ihm entwickelte iWT gibt es nun endlich eine Möglichkeit, das Erlernen des erforderlichen Kampfbewegens nicht mehr auf den Zufall, auf Einzelfälle oder 40 Jahre Kampfkunsterfahrung zu beschränken. An diesem Wissensschub durften alle ab dem zweiten Höheren Grad teilnehmen. So erreichte Großmeister Kernspecht viele seiner Lehrergrade, die ihr neu erworbenes Wissen vor Ort in ihren Schule im Unterricht ihren Schülern gleich weitervermitteln können, was sich natürlich nur positiv auf deren Qualitätsstandards im Unterricht und die schneller erreichbare Selbstverteidigungsfähigkeit auswirken kann. So lauschten die Teilnehmer/innen konzentriert allem über Öffnen und Schließen, Ziehen und Schubsen, Verteidigungskreise, konvex und konkav, Bälle und fünf Elemente. Und wie man die Oberhand gewinnt, behält bzw. zurückerlangt. Da nutzen einem keine Techniken, da ist Strategie angesagt.

Nicht fehlen durfte selbstverständlich intensiver Escrima-Unterricht in drei bis vier Unterrichtseinheiten pro Tag bei Großmeister Bill Newman und seinem Team. Sie hatten wieder den Schulhof der angrenzenden Pestalozzi-Schule zu ihrem Trainingsrevier erkoren. Je nach Graduierung wurde mit Holzstock, Kobutan, Tonfa, Messer, Escrima-Langstock oder Schwert geübt.
Für GM Bill Newman war dieser Lehrgang ein Anlass zu großer Freude: Konnte er doch bei der Abendveranstaltung zwei neue 3. HG im Escrima ernennen. Außerdem erhielt Falk Welker die Ernennungsurkunde zum 5. Meistergrad im Escrima. Aber der Höhepunkt war sicherlich, dass er seinem langjährigen Schüler Bernd Hoyer zum bestandenen 7. Escrima-Meistergrad gratulieren konnte. Riesenjubel nicht nur beim Escrima-Chef, sondern im ganzen Festsaal.

Abgerundet wurde das Lehrgangsprogramm u.a. von Unterrichtseinheiten bei Meister Jürgen Kestner und Dr. Hubert Beitler, die ihren Teilnehmer/innen die Erhaltung der physischen und psychischen Balance unter Extrembelastungen näherbrachten. Die Extrembelastungen wurden auf unterschiedliche Art und Weise erzeugt – unter anderem durch laute Diskomusik. Dabei bei der Sache und handlungsfähig zu bleiben, war schon nicht ganz einfach.

Ein wenig Entspannung gab es wenigstens beim ChiKung-Team; denn sie zeigten nicht nur physische Übungen für eine starke Mitte, sondern stellten auch im mentalen Bereich her eine psychische Balance her. Wie immer hatten die Meister Constantin Mock, Regula Schembri und Petra Weipert viele Übungen für Kräftigung, Dehnung und Entspannung in petto. Dieses Mal lag der Schwerpunkt dabei auf dem Training für eine starke, stabile und doch flexible Mitte, wo es nicht so sehr um die großen Muskelgruppen, sondern eher um die kleinen stabilisierenden Haltemuskeln geht, die gern vernachlässigt werden – aber im WingTsun enorm wichtig sind. Nicht umsonst betont GM Kernspecht immer wieder: „Rumpf ist Trumpf!

Ab 4. HG – für alle Meister und die angehenden – unterrichtete Natalie die Solo-Übungen im iWT. Hier ging es zwar um Themen wie bei Großmeister Keith R. Kernspecht, nur gab es keine Trainingspartner, die die Konzentration und das In-sich-Hineinhören stören konnten. Es gab nämlich einiges zu koordinieren: zwei Arme, die Körpereinheit, die Atmung und und und …

 

 

Wer noch weiter auf Entdeckungstour durch seinen Körper und Geist gehen wollte, hatte dazu beim Schnupperkursus für SensoryAwareness mit Sascha Rimasch Gelegenheit. Es ist immer wieder verblüffend, was es selbst in der Kürze der Zeit schon zu entdecken gibt und wie erfrischend dies sein kann. Im Laufe der Jahre ist die WingTsun-Fan-Gemeinde für SensoryAwareness stetig gewachsen.

 

Übrigens wurden auch in diesem Jahr für den WingTsun-Nachwuchs, deren Eltern am Internationalen Lehrgang teilnahmen, wieder am Vormittag Kids-WingTsun-Einheiten angeboten. Die WingTsun-Minis hatten viel Spaß und konnten sich in der Obhut von Kids-WingTsun-Fachtrainer Sifu Rüdiger Uhrig und seiner Assistentin austoben. Highlights waren natürlich die Besuche bei den fünf Großmeistern, die für sie alle von ihrem Unterricht ein wenig Zeit abzweigten und sogar Erinnerungsfotos mit ihnen machten.

Nach zwei Tagen mit nach so viel intensivem Lernen hatten sich alle etwas Entspannung verdient. Wo kann man das besser als bei der Abendveranstaltung? Ein Sektempfang zur Einstimmung, ein tolles Buffet zur Stärkung, ein kühles Getränk zur Erfrischung und dann einfach zurücklehnen und das Programm des Abends genießen. Für die WingTsun-Unterhaltung sorgten Meister Ahmed Al-Jabaji & Oliver Murbach aus der Schweiz. Darth Vader und sein Laserschwert ließen grüßen – ein völlig neues Ambiente für die Langstockform. Weitere gut choreografierte WingTsun-Darbietungen der beiden WingTsunler folgten. Aber auch sie wurden schließlich besiegt: durch das Einschreiten von Mister Spock alias GM Giuseppe Schembri.

Natürlich durften an diesem Abend auch Ehrungen und Urkunden nicht fehlen: Jubilarehrungen für 35 Jahre in der EWTO, Sifu-Ernennungen, Vorstellungen neuer WingTsun- und Escrima-Meister in der EWTO.

Anschließend hieß es dann: „Bühne frei!“, für den Magier Frank Lupo. Vielen war er von früheren Internationalen Lehrgängen bekannt, bei denen er während des Sektempfangs und am späteren Abend am Kartentisch sein Publikum verblüffte. Dieses Mal gehörte ihm die Bühne. Er begeisterte alle mit seiner Show und wurde mit reichlich Applaus belohnt.

Nach einem kurzen Umbau übernahm danach die Firma Eventpartner das Zepter und sorgte durch mitreißende Musik, dass es die Gäste der Abendveranstaltung nicht mehr auf den Stühlen hielt. Trotz des bewegungsreichen Tages wurde bis in die frühen Morgenstunden fleißig das Tanzbein geschwungen. Zwischendrin gab es nur kleine Päuschen, um kurz in die Fotobox zu verschwinden. Allein oder mit Freunden entstanden dort mit bereitgestellten Accessoires lustige Erinnerungsfotos.

Manch einem mag nach der langen Nacht am nächsten Morgen das Aufstehen schwergefallen sein. Aber es wurde trotzdem noch eifrig trainiert. Abschluss des Lehrgangs bildete wie üblich die Urkundenverleihung an alle, die sich während der drei Tage des Internationalen Lehrgangs einer Prüfung gestellt hatten. Von hier noch einmal an alle: „Herzlichen Glückwunsch!

Außerdem darf der Dank an alle Organisatoren und Helfer des EWTO-Teams nicht fehlen. Es war im Vergleich zum vergangenen 40-Jahre-EWTO-Event des letzten Jahres zwar nicht ein so riesiges Mammutprogramm, aber durch die Umstrukturierung des Unterrichtsablaufs gab es doch auch einige neue Anforderungen zu bewältigen. Alles klappte bestens! Super gemacht!
Man darf gespannt sein und sich freuen auf den nächsten Internationalen Lehrgang! Bis dahin!

Text: hm
Fotos: mg/js/hm